Eine Soldatin des Segelschulschiffes "Gorch Fock" ist in der Nacht zum Donnerstag während ihrer Seewache an Deck in die Nordsee gestürzt. Von der 18 Jahre alten Offiziersanwärterin aus Nordrhein-Westfalen fehlte auch am Donnerstagabend noch jede Spur. Die Suche des Großaufgebots an Rettungskräften sei gegen 20.30 Uhr aufgrund der Dunkelheit eingestellt worden und werde bei Tagesanbruch fortgesetzt, sagte ein Sprecher der Marine. Die Chance, die junge Frau dann noch lebend zu finden, sei allerdings "verschwindend gering". Das Wasser der Deutschen Bucht sei etwa 17 Grad kalt.
"Unseren Erfahrungen zufolge kann man durchschnittlich fünf bis sieben Stunden bei diesen Temperaturen überleben", erklärt Andreas Lubkowitz, Sprecher der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS).
An der umfassenden Suchaktion beteiligten sich unter anderem Schiffe und Hubschrauber der Bundespolizei, der Deutschen Marine, der Bundeswehr, der Polizei Niedersachsen sowie der DGzRS. Windstärke sieben und meterhohe Wellen erschwerten die Suche. Zum Zeitpunkt des Unfalls fuhr die "Gorch Fock" unter vollen Segeln rund 20 Kilometer nördlich von der Nordseeinsel Norderney.
Wie es zu dem Unfall auf der 148. Fahrt des traditionsreichen Segelschulschiffs kommen konnte, ist noch unklar. Routinemäßig trage die Crew bei der Wache an Deck keine Schwimmweste, sagte der Sprecher. Genauere Angaben könnten aber erst nach den Ermittlungen und Zeugenbefragungen gemacht werden.
Im Laufe der Nacht sollte die "Gorch Fock" in Wilhelmshaven eintreffen. Dort werde die Besatzung psychologisch betreut, sagte der Marinesprecher. Die Ermittlungen zum Unfallhergang sollen am Freitagmorgen beginnen.
Bereits in der Vergangenheit hatte es auf der "Gorch Fock" Unfälle mit Todesopfern oder Verletzten gegeben. Erst vergangene Woche war ein junger Soldat in den Kieler Hafen gestürzt, als er im unteren Teil des Mastes ausrutschte. Der 18-Jährige wurde dabei leicht verletzt. 2002 starb ein 19-Jähriger nach einem Sturz aus der Takelage. 1998 fiel ein 19-Jähriger aus dem Großmast aus zwölf Metern Höhe auf die Planken. Der Offiziersanwärter erlag wenig später in einem Krankenhaus seinen Verletzungen.
Der berühmte Dreimaster, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, sollte eigentlich am Freitagmorgen in den Hamburger Hafen einlaufen. Dieser Besuch sowie der für den 6. September in Flensburg geplante Marineball wurden wegen des Unfalls abgesagt.
14.000 Offiziers- und Unteroffiziersanwärter haben in den vergangenen 50 Jahren die seemännische Grundausbildung auf dem Segelschulschiff durchlaufen. Zum aktuellen Ausbildungsjahrgang gehören 222 Kadetten. Die jetzige Unglücksfahrt hatte erst vor wenigen Tagen begonnen. 107 auszubildende Soldaten - darunter 24 Frauen - waren dabei. Ob die Fahrt fortgesetzt wird, steht nach Angaben der Marine noch nicht fest.