1. Februar 2003 Der Tag, als das "Columbia"-Unglück sieben Astronauten das Leben kostete

Die Crew der "Columbia" 
Sie starben bei der "Columbia"-Katastrophe: Die Astronauten David Brown, William McCool, Michael Anderson (v. l. obere Reihe), Kalpana Chawla, Rick Husband, Laurel Clark und Ilan Ramon (untere Reihe).
© stern-Kombo/Scott Lieberman/AP/Picture Alliance/Imago
Es sollte ein Tag des Triumphs werden, doch es kam zur Katastrophe: Heute vor 20 Jahren zerbrach kurz vor der geplanten Landung die Raumfähre "Columbia". Alle sieben Astronauten starben.

Als der US-Amerikaner Rick Husband am Morgen des 16. Januar 2003 um 7.53 Uhr auf dem Kommandantenplatz der Raumfähre "Columbia" Platz nimmt, wird es für den 45-Jährigen das letzte Mal sein. Ebenso für seine Kollegen. Zusammen mit sechs weiteren Astronauten macht sich der zweifache Familienvater auf eine zweiwöchige Mission ins All. Mit ihm an Bord: der Pilot William Mc Cool, 41, die gebürtige Inderin und Missionsspezialistin Kalpana Chawla, 41, ihre gleichaltrige Kollegin Laurel Clark, sowie die drei Missionsspezialisten David Brown, 46, Michael Anderson, 43 und Ilan Ramon, ein 48-jähriger israelischer Kampfpilot und der erste Israeli im All. Mission STS 107 wird der 113. Flug im Nasa-Shuttleprogramm.

Der Start gleicht einem Bilderbuch-Manöver: Sechs Sekunden vor dem Abheben zünden Computer die Haupttriebwerke. Sie verbrennen alle 30 Sekunden eine Treibstoffmenge die ausreicht, ein Olympiaschwimmbecken zu füllen. Kurz nach dem Start beschleunigt die Columbia auf 12.000 Kilometer pro Stunde. In 43 Kilometern Höhe wirft das Shuttle seine Startraketen ab. Kurz darauf werden die Haupttriebwerke abgeschaltet und das Shuttle ist im All.

"Columbia" wird bei Start beschädigt

Doch einen Tag später machen Nasa-Techniker bei einem Routinecheck der Videoaufzeichnungen des Starts eine beunruhigende Entdeckung: Ein Stück Isolierschaum löst sich kurz nach dem Start aus den äußeren Treibstofftanks und trifft auf einen Flügel der "Columbia". Es zerbricht in Tausend Stücke. Derlei Vorfälle hatte sich jedoch bislang bei fast allen Starts ereignet und nie einen Schaden angerichtet.

Die Crew der "Columbia" 
Die Crew der "Columbia" (v.l): David Brown, William McCool, Michael Anderson (obere Reihe), Kalpana Chawla, Rick Husband, Laurel Clark und Ilan Ramon (untere Reihe)
© Imago Images

Am 1. Februar geht es für die Besatzung der "Columbia" zurück in Richtung Erde. Die Astronauten legen ihre Druckanzüge an, um den enormen Gravitationskräften beim Wiedereintritt in die Atmosphäre stand zu halten. Durch die Gurte in ihre Sitze gepresst erhalten sie gegen kurz nach 8 Uhr die Freigabe für den Wiedereintritt. Als das 100-Tonnen-Shuttle mit 28.000 km/h in die Atmosphäre eintritt, heizt die Reibung seine Flügel bis zu 1400 Grad auf. Das einzige, was das Shuttle jetzt schützt, ist seine Außenhaut aus Isolierkacheln.

Kontakt zur "Columbia" bricht plötzlich ab

Plötzlich fallen vier Temperaturfühler auf der linken Seite des Shuttles aus. Als weitere Sensoren ausfallen, machen sich die Experten im Kontrollzentrum Sorgen. Man nimmt Kontakt zum Kommandanten auf, doch mitten im Gespräch bricht der Kontakt ab. Die Flugcomputer verlieren die Kontrolle über den Landeanflug.

Vom Boden aus sehen Augenzeugen in Texas und Louisiana gegen 9 Uhr, wie einzelne glühende Teile von dem Shuttle abfallen, das normalerweise 16 Minuten später landen soll. Sie sehen grelle Lichter und Kondensstreifen, die schreckliche Erinnerungen an ein anderes Shuttle-Unglück hervorrufen: 17 Jahre zuvor – am 28. Januar 1986 – war kurz nach dem Start die Raumfähre "Challenger" mit ebenfalls sieben Astronauten an Bord nur 73 Sekunden nach dem Start vor den Augen der Weltöffentlichkeit explodiert. Niemand der Insassen überlebte.

Bei der Polizei gehen etliche Anrufe ein, in denen von einem Flugzeugabsturz berichtet wird. 84.000 Trümmerteile regnen, verteilt in einem Radius von 200 Kilometern, auf Texas und den Nachbarstaat Louisiana nieder. 25.000 Hilfskräfte sammeln sie in einer wochenlang andauernden Suche später auf Autobahnen, in Büros, auf Feldern, Wiesen und in Wäldern ein. 

Präsident Bush verkündet: "Es gibt keine Überlebenden"

Um 13 Uhr verkündet die Nasa den Verlust der "Columbia". Kurz darauf tritt Präsident George W. Bush vor die Presse: "Dieser Tag hat schreckliche Nachrichten und große Trauer über unser Land gebracht. Die 'Columbia' ist verloren; es gibt keine Überlebenden".  Doch wie konnte soweit kommen?

Die Raumfähre "Columbia" 
Die "Columbia" zum Zeitpunkt der Katastrophe das älteste Shuttle der Flotte und war 1981 das erste im All
© Ho / Picture Alliance

Nasa-Experte Scott Hubbard analysiert zunächst die Videoaufnahmen des Starts. Zwei Monate verbringen Spezialisten damit, die Qualität der körnigen und unscharfen Aufnahmen, die aus 43 Kilometer Entfernung gemacht wurden, zu verbessen. Das Ergebnis versetzt den Spezialisten in Aufregung. Mit 800 Kilometer pro Stunde in relativer Geschwindigkeit zum Shuttle sieht man ein 770 Gramm schweres Schaumteil in Größe einer kleinen Aktentasche auf den Flügel prallen. Um zu überprüfen, ob das Schaumteil einen Schaden an dem Shuttle verursacht hat, werden aufwendige Tests gemacht.

Test reißt Loch in Flügel

Dazu rekonstruieren die Experten einen Flügel mit den gleichen Isolierkacheln, wie sie auch an dem Flügel der Raumfähre angebracht sind. Sie bestehen aus verstärkter Karbonkeramik und widerstehen Temperaturen von bis zu 1650 Grad Celsius. Weil eine Kachel 800.000 Dollar kostet, gibt man sie nur widerwillig für Testzwecke heraus. Schließlich gibt der Flugschreiber Hinweise darauf, an welcher Kachel am Flügel es einen Defekt gegeben haben konnte. Dieser wurde erst sechs Wochen nach dem Unglück von einem Feuerwehrmann im texanischen Hemphill gefunden. Trotz des Falls aus 60 Kilometern Höhe war er nahezu unversehrt. 

Mit Hilfe einer sogenannten Hühnerkanone wird auf die Isolierkachel ein entsprechendes Schaumteil abgefeuert. Und siehe da: Durch den Aufprall wird ein Loch von 25 Zentimetern Durchmesser in die Kachel gerissen.

Das Unglück der US-Raumfähre "Columbia"
Die US-Raumfähre "Columbia" zerfällt beim Eintritt in die Atmosphäre in großer Höhe über Nordtexas in mehrere Teile
© Scott Lieberman/AP / Picture Alliance

Jetzt sind die Experten sicher: Durch das Loch waren heiße Gase mit mehr als 4000 Grad in den Flügel gelangt. Durch sie verbrannten die Temperaturfühler und schmolz die innere Struktur des Flügels, was das Shuttle instabil werden und es schließlich auseinanderbrechen ließ.

Die Tümmerteile der Columbia
In einem Hangar in Cape Canaveral wurden die gefundenen Trümmerteile wieder zusammengesetzt
© Nasa / Picture Alliance

Doch warum bemerkte niemand das Loch? Die Untersuchungen ergeben später, dass sich Nasa-Ingenieure zwar Sorgen um mögliche Schäden an der Raumfähre gemacht und die Leiter des Programms deshalb gebeten hatten, Satelliten-Aufnahmen des Flügels zu machen. Doch diese weigerten sich, da eine komplette Untersuchung eine wichtige Shuttle-Mission zur ISS verzögern oder sogar hätte gefährden können. Eine fatale Entscheidung: Denn eine Rettung der Crew durch ein zweites Spaceshuttle wäre nach Angaben von Experte Scott Hubbard zwar riskant, jedoch theoretisch möglich gewesen.

Nasa verbessert Sicherheitsvorkehrungen

2008 wurde der Bericht zur Sicherheit der Besatzung während des Columbia-Absturzes veröffentlicht. Dem zufolge hatten die Astronauten keine Chance, sich zu schützen und waren innerhalb von Sekunden tot.

Nach dem Unglück verbessert die Nasa ihre Sicherheitsvorkehrungen. Der anfälligste Bereich der Schaumverkleidung wird entfernt. Auch die Videoüberwachung von Starts wird verbessert und alle Shuttles im All werden von Satelliten fotografiert. Und auch die Management-Struktur der Nasa wird verändert, um Mitarbeiter auf allen Ebenen dazu zu ermutigen, eventuelle Sicherheitsbedenken zu äußern.

Inzwischen sind die Shuttles komplett aussortiert – und die NASA-Ingenieure von der Idee der Raumfähren abgekommen, auch wenn diese schwere Frachten transportieren können. Der Fokus liegt anstelle dessen auf Kapseln, wie beispielsweise der "Crew Dragon" der privaten Raumfirma SpaceX von Elon Musk, mit dem bereits Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS gebracht werden. Die von der Nasa selbst für die "Artemis"-Missionen zu Mond und später auch Mars entwickelte Kapsel "Orion" absolvierte Ende 2022 erfolgreich ihren ersten richtigen Testflug.

Weil diese Kapseln beim Start auf der Rakete angebracht sind und nicht daneben, sind sie möglichen Trümmern nicht so ausgesetzt. Zudem könnten die Astronauten bei einem Notfall vor oder während des Starts von oben heraus aus der Kapsel befreit werden. "Wir arbeiten dafür, unsere Fehler aus der Vergangenheit nie zu wiederholen", sagte Nasa-Chef Bill Nelson.

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© Bildquelle: ESA

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