Räuspern "Eine Misshandlung der Stimmbänder"

Nervös tritt ein Redner ans Mikrofon. Kurz bevor er seinen Vortrag beginnt, räuspert er sich unüberhörbar. Ein weit verbreitetes Ritual. Doch welchen Sinn hat diese Stimmbandakrobatik?

"Räuspern ist häufig ein Ausdruck starker Anspannung", sagt Diplompsychologe Christof T. Eschenröder aus Bremen. Ein vergleichbares Verhalten sei im Tierreich bei so genannten Übersprungshandlungen zu erkennen. "Wenn ein Hund im Konflikt zwischen Angriff und Flucht steht, fängt er stattdessen an sich zu kratzen", erläutert Eschenröder. Dadurch werde Energie abgeführt und er gewinnt Raum für die Entscheidung.

"Beim Menschen ist das ähnlich: Der Redner ist auf der einen Seite mit der Aufregung und der anderen Seiten mit dem Druck konfrontiert, endlich zu beginnen", betont der Autor des Buches "Lebendiges Reden". Da verschaffe ihm das Räuspern einen kleinen Moment zum Nachdenken.

Unbewusstes Phänomen

Ähnliche Reaktionen in vergleichbaren Situationen seien nervöses Wippen oder mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln. "Räuspern ist aber gerade vor einer Rede sehr verbreitet, da sich in diesem Moment ohnehin ein Teil der Aufmerksamkeit auf die Mund- und Halsgegend konzentriert", sagt Eschenröder. Durch diese Fixierung hätten viele Vortragende auch das Gefühl, mit dem Räuspern einen "Kloß" im Hals zu bekämpfen, betont der Psychologe.

Medizinisch gesehen ist das meist unbewusste Phänomen für den Redner allerdings äußerst kontraproduktiv. "Räuspern kommt einer groben Misshandlung der Stimmbänder gleich", sagt Michael Deeg, Sprecher des deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte.

Trockenheit im Hals

Räuspert sich ein Redner, werden seine Stimmbänder kurzfristig verschlossen und der Luftdruck im Brustraum stark erhöht. Ab einem bestimmten Druck würden die Stimmbänder dann aufgesprengt, so dass Schleimauflagerungen von der Oberfläche weggeblasen würden, betont Deeg. Der berühmte Kloß im Hals - medizinisch gesehen eine vermehrte Anspannung - wird jedoch nicht beseitigt. "Im Gegenteil. Das Problem wird, wie bei einer juckenden Hautstelle, an der man kratzt, eher schlimmer", betont Deeg.

Um klar und deutlich ohne Trockenheit in der Halsgegend reden zu können, empfiehlt der Hals-Nasen-Ohren-Arzt, an der Stimmtechnik zu arbeiten und ausreichend zu trinken.

DDP
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