Immer nur Daten, aber dann doch nichts Dauerhaftes. In den Zeiten der Dating-Apps ist das ein bekanntes Phänomen, doch schon die Römer hatten damit zu kämpfen. Nach dem Ende der Bürgerkriege und dem Übergang von der Republik zum Kaiserreich rief der siegreiche Augustus Octavian eine Epoche des Friedens aus. Er, der diese Kriege maßgeblich geführt hatte, ließ sich zum Bringer und Garanten von Frieden und Wohlstand stilisieren.
In der Vorstellung des Kaisers kam den Familien eine zentrale Rolle in seinem gedeihenden Reich zu. Die Römer sollten heiraten und möglichst viele legitime Kinder zeugen. Der Bedarf war zumindest da, denn die Kriege Octavians und die systematische Ermordung von politischen Gegnern hatten breite Lücken in der Oberschicht hinterlassen. De facto führte Octavian eine Form von Monarchie ein. Er tarnte das Vorhaben jedoch als Wiederherstellung der Republik. Dabei spielten die guten alten Sitten der Altvorderen eine zentrale Rolle.
Hyperrealistische Rekonstruktionen von Caesar, Augustus, Caligula und Nero

Soldaten und Partypeople – römischer Generationenkonflikt
Doch nach dem Ende der Kriege strebten die jungen Paare nicht in die Ehe. Im Gegenteil, eine gewisse Ehemüdigkeit machte sich breit. Das Ende der ewigen Schlachten und systematischen Verfolgungen führte zu Wohlstand. Gegensätzlicher konnten die Mentalitäten nicht sein. Die Männer in der Umgebung des Kaisers waren notgedrungen Berufsmilitärs geworden, geübt in Krieg und Mord. Selbst die Gattin des Kaisers musste als junge Frau um ihr Leben fürchten und irrte verfolgt von den Schergen ihres späteren Mannes mittellos durch Italien. Und auf der anderen Seite wollte die nachwachsende Generation nun das "Dolce Vita" genießen.
Außereheliche Verhältnisse breiteten sich aus. Die Römer fanden Geschmack an dekadenten Vergnügungen, die strenge Sittsamkeit der Vorfahren geriet aus der Mode. Dazu kamen handfeste Faktoren. Im Prinzip waren Frauen immer noch "Besitz" des Familienoberhauptes, der sie nach Belieben verheiraten konnte. In der Praxis wurde diese Form des radikalen Patriarchats nicht mehr gelebt. Dazu konnte es im Interesse der Familie liegen, die Töchter nicht offiziell zu verheiraten, um so Besitz und Erbe für die Sippe zu erhalten.
Gesetze mit Signalwirkung
Mit diesen neumodischen Verhältnissen wollte der Kaiser aufräumen. Mit einem ganzen Bündel von Gesetzen wollte er die Moral stärken und die Ehe wieder zum Standard machen. Das ganze Paket hieß "Lex Iulia et Papia". Augustus war wie immer in der Wahl seiner Methoden nicht zimperlich. Wer partout nicht heiraten wollte, sollte seinen Zorn spüren. Alle Männer zwischen 25 und 60 Jahren und alle Frauen zwischen 20 und 50 mussten nachweisen, dass sie verheiratet waren. Wer das nicht konnte, wurde bestraft.
Die Ehemüden wurden von allen öffentlichen Vergnügungen ausgeschlossen. Sie durften weder Theater noch sonstige Spiele besuchen. In der damaligen Zeit war das eine schwere Beeinträchtigung. Wer hingegen drei legitime Kinder zeugte, durfte sich über VIP-Plätze freuen. Und wozu sollte jemand erben, der selbst keine legitimen Kinder in die Welt setzen wollte? Also wurden Dauersingles von der Erbfolge ausgeschlossen. Dazu gesellten sich Strafsteuern und ein Beförderungsstopp in der Ämterlaufbahn. Ehebruch wurde schwer bestraft. Gehörnte Ehemänner wurden gezwungen, sich scheiden zu lassen. Damit sollte die "Pestilenz des Ehebruchs, die das anständige Heim durch Unzucht besudelt", bekämpft werden, so der "Staatsdichter" Horaz.
Schlechtes Vorbild
Diese Gesetze blieben zwar 500 Jahre in Kraft, eine messbare Wirkung entfalteten sie nicht. Wenn auch die römische Oberschicht nicht ausstarb. Schon in der Umgebung von Augustus gab es genug eingefleischte Singles. Und Octavian selbst war ein schlechtes Vorbild. Seine eigene Ehe blieb kinderlos. Eigentlich ein Fall für die Zwangsscheidung. Dann spannte er Gaius Maecenas – seinem Freund und Vertrauten seit Jugendzeit – die Ehefrau Terentia aus. Überhaupt ein Missgriff, denn ihr Adoptivbruder versuchte später, den Kaiser zu töten. Selbst gern untreu zwang Augustus seiner Familie Zwangsheiraten und Zwangsscheidungen auf, ganz wie es sein politisches Kalkül verlangte. Dazu entstand unter seiner Herrschaft eine wenig erfreuliche Sitte in der kaiserlichen Familie. Um den eigenen Nachkommen den Weg zum Thron zu ebnen, wurde der Mord an Rivalen zum Kennzeichen der julisch-claudischen Dynastie.
Exemplarische Strafen
Tatsächlich sollten die Sittengesetze vor allem das Idealbild eines pflichtbewussten römischen Lebens propagieren. Auch wenn die Ehe nicht mit Gewalt durchgesetzt wurde, erinnerten die Gesetze Römer und Römerinnen eindrücklich daran, was der Staat von ihnen verlangte. Personen, die es mit der Sittsamkeit nicht so genau nahmen, waren gut beraten, diskret vorzugehen und ihre Ausschweifungen nicht in der Öffentlichkeit auszubreiten. Vor allem nicht in der Hauptstadt. Ovid etwa erlangte mit seinen erotischen Dichtungen großen Ruhm. Offen machte er sich über altmodische Sitten lustig. "Was müssen das für Landeier sein, die sich aufregen, nur weil sie von ihrer Frau betrogen werden."
Doch die zügellosen Verse erreichten auch das Ohr des Kaisers. Und der verbannte den populären Dichter nach Tomis am Schwarzen Meer, damals ein trauriges Loch am Ende der Welt. Vermutlich war Ovid auch an den Ausschweifungen der Tochter des Kaisers, Julia, beteiligt. Bei ihren Orgien ging es nicht allein um (Gruppen-)Sex und eine Auflehnung gegen den übermächtigen Vater. Sie und ihre Liebhaber sollen einen Aufstand geplant haben. Wie dem auch sei, der Kaiser nannte seine Tochter eine "Eiterbeule" und verbannte sie auf eine Insel. Jahrelang war Julia das It-Girl der Hauptstadt, nun verkümmerte sie in einem kargen Fischerdorf. Eine eindrückliche Warnung an alle anderen, es nicht zu wild zu treiben.
Weder Ovid noch Julia wurde je vergeben. Auch der Nachfolger von Augustus Octavian, Kaiser Tiberius, hob die Verbannung des Dichters nicht auf, der schließlich resigniert in Tomis starb. Julia durfte die Insel zwar verlassen, doch dann verhungerte sie auf der Straße. Aus Angst vor dem fürchterlichen Tiberius wagte es niemand, der Tochter des Kaisers zu helfen.