"Krieg in Afghanistan" Bundeswehrverband lobt Guttenbergs klare Worte

Sein Vorgänger mied das Wort wie der Teufel das Weihwasser, doch der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg spricht es aus: Er verstehe jeden Soldaten, der sage, in Afghanistan sei Krieg - und rennt damit beim Bundeswehrverband offene Türen ein.

Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr erstmals von "Krieg" gesprochen. "Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde", sagte er der "Bild"-Zeitung. Der Einsatz in Afghanistan sei seit Jahren auch ein Kampfeinsatz. "Wenigstens in der Empfindung nicht nur unserer Soldaten führen die Taliban einen Krieg gegen die Soldaten der internationalen Gemeinschaft."

"In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände", sagte Guttenberg weiter. Zwar bekräftigte der CSU-Politiker die auf das Völkerrecht gestützte Position der Bundesregierung, dass es Krieg nur zwischen Staaten geben könne. "Aber glauben Sie, auch nur ein Soldat hat Verständnis für notwendige juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten?" Manche herkömmliche Wortwahl passe für die Bedrohung von heute auch nicht mehr wirklich. Bislang hatte die alte Bundesregierung, insbesondere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), stets von einem Kampfeinsatz gesprochen und das Wort "Krieg" strikt vermieden.

Bundeswehrverband dankbar für klare Worte

Der Bundeswehrverband reagierte umgehend positiv auf Guttenbergs Äußerung. Verbandschef Ulrich Kirsch sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Wir sind dem Minister sehr dankbar, dass er die Dinge beim Namen nennt. Dadurch wird der Ernst der Lage deutlich. Unsere Frauen und Männer, die täglich dort im Kampf stehen, sagen, das ist Krieg." Der "Leipziger Volkszeitung" sagte Kirsch, Guttenberg sei "eine Chance für die Bundeswehr". Der Minister zeige, "dass er den Puls der Truppe fühlt". Dazu gehöre die Erkenntnis, "dass die Soldatinnen und Soldaten, die in Kundus jeden Tag im Kampf stehen, dabei Tod und Verwundung erleben und selber töten müssen, diese Situation als Krieg empfinden".

Die Linke erklärte, die deutsche Afghanistan-Politik stecke in einer Sackgasse. "Wir haben keine Strategie, aber die deutschen Soldaten bleiben weiter in Afghanistan", kritisierte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke. Auch Guttenbergs Äußerung ändere an dieser Einschätzung nichts. Er forderte den Bundestag auf, das Afghanistan-Mandat nicht zu verlängern. "Die deutschen Soldaten müssen so schnell wie möglich aus Afghanistan abgezogen werden."

Die neue Bundesregierung will das Mandat für den Einsatz am Hindukusch jedoch ersteinmal unverändert verlängern. Das sagte der FDP-Verteidigungsexperten Rainer Stinner der "Mitteldeutschen Zeitung". Erst nach der für Anfang kommenden Jahres geplanten internationalen Afghanistan-Konferenz wolle die schwarz-gelbe Koalition über eine Anhebung der Mandatsobergrenze von derzeit 4500 Soldaten entscheiden. Danach "werden wir die Dinge neu beurteilen", so Sinner. Eine Aufstockung sei denkbar, jedoch nur dann, wenn das neue Konzept überzeugend sei.

Der Bundestag muss das deutsche Mandat für die internationale Isaf-Truppe bis zum 13. Dezember neu erarbeiten. Zuletzt war auch eine Erhöhung des deutschen Kontingents noch in diesem Jahr in der Diskussion. Derzeit sind rund 4200 Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Vor allem die USA drängen die europäischen Nato-Verbündeten zu einer Aufstockung der Einsatzkräfte. Nach Einschätzung des obersten Kommandeurs der US- und Nato-Truppen am Hindukusch bis zu 40.000 weitere Soldaten nötig, um eine Niederlage gegen die radikal-islamischen Taliban zu verhindern.

Wohlfahrtsverband sieht Zivildienst bedroht

Verteidigungsminister Guttenberg erklärte in der "Bild" zudem, er halte auch eine auf sechs Monate verkürzte Wehrpflicht für "sinnvoll und nutzbringend". Außerdem werde sie zu mehr Wehrgerechtigkeit führen.

Angesichts der geplanten Verkürzung des Wehr- und des Zivildienstes von neun auf sechs Monate bereitet sich der Paritätische Wohlfahrtverband auf den Ausstieg aus dem Zivildienst vor. "Die Kürzung des Zivildienstes auf sechs Monate heißt, den Anfang vom Ende des Zivildienstes überhaupt einzuläuten, weil wir dann nicht mehr in der Lage sein werden, Zivildienstleistende noch vernünftig einzusetzen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider, dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

"Unsere Mitgliedsorganisationen haben bereits signalisiert, dass sie die Stellen dann zurück geben und nicht mehr besetzen werden", sagte Schneider weiter. Unter dem Dach des Wohlfahrtsverbandes arbeiten 500.000 Menschen, 15.000 davon sind Zivildienstleistende.

"Wenn man auf sechs Monate geht, dann ist der Zivildienst am Ende", sagte er weiter. Allerdings gebe es die Möglichkeit, den Verlust durch Freiwillige "zu kompensieren, wenn die Politik mitspielt" und mehr Geld bereitstelle, ergänzte der Hauptgeschäftsführer. So stehen den bundesweit 85.000 Zivildienstleistenden im Jahr 2009 cirka 35.000 junge Menschen gegenüber, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr absolvieren.

DPA · Reuters · AP
joe/DPA/AP/Reuters