Die Täter kamen in der Nacht, mit Gewehren und Macheten. Mit dem Ruf "Allah ist groß!" metzelten die Mitglieder der muslimischen Fulani-Hausa-Nomaden die Einwohner dreier christlicher Dörfer im zentralnigerianischen Bundesstaat Plateau nieder, berichteten Überlebende. Mehr als 500 Menschen wurden nach Angaben der örtlichen Behörden Opfer der religiösen Gewalt, die einmal mehr nahe der Bergbaustadt Jos explodierte. Die meisten der Toten sind Frauen und Kinder. "Wann wird dieser Wahnsinn enden?" titelte ein Kommentator der Zeitung "This Day" am Montag über das Massaker in der Nacht zum Sonntag.
Blutige Gewalt zwischen Muslimen und Christen in Jos rüttelt das bevölkerungsreichste Land Afrikas immer wieder aus der trügerischen Hoffnung auf ein harmonisches Gleichgewicht zwischen den beiden großen Religionsgruppen, die jeweils etwa die Hälfte der Bevölkerung stellen. Besonders besorgniserregend ist, dass die Unruhen in immer kürzerem Abstand aufeinander folgen. Erst im Januar waren mehr als 300 Menschen in Jos und Umgebung bei ähnlichen Ausschreitungen getötet worden.
Der Anlass war nichtig, ein Streit über den Wiederaufbau eines Hauses, das 2008 bei religiösen Unruhen zerstört worden wurde. Vor wenigen Wochen verhinderte nur das schnelle Einschreiten in der Region stationierter Truppen neue Kämpfe: Eine Gruppe christlicher Jugendlicher hatte eine muslimische Beerdigungsgesellschaft angegriffen, die ein Kind auf einem von beiden Religionen beanspruchten Friedhof beisetzen wollte. Die Hintergründe des neuesten Massakers liegen noch völlig im Dunkeln.
Die Täter konnten sich bisher weitgehend straffrei fühlen. Zwar kündigte der amtierende Präsident Goodluck Jonathan bereits im Januar an, keiner der Verantwortlichen für die religiöse Gewalt werde der Strafe entgehen. Doch selbst wegen des ersten großen Massakers mit mehr als tausend Toten im Jahr 2001 wurde bislang niemand angeklagt.
Mit jeder neuen Gewalttat wächst der Hass. Auch die seit Januar geltende nächtliche Ausgangssperre und die Stationierung von Truppen in Plateau konnte das neue Massaker nicht verhindern. Kirchenführer warfen der Armee nun vor, erst Stunden nach dem ersten Alarm reagiert zu haben.
Der Bundesstaat Plateau liegt an der Grenze zwischen dem christlichen Süden und dem muslimischen Norden des Landes. Beide Religionsgruppen sind in Plateau etwa gleich stark vertreten. Die in Jos ursprünglich heimischen Fulani-Hausa fühlen sich durch die christlichen Zuwanderer verdrängt. Wirtschaftlicher Erfolg, Konkurrenz um Wasser und Weide- oder Ackerland sind die eigentlichen Quellen des Konflikts. Religiöse Fanatiker auf beiden Seiten haben nur allzu oft leichtes Spiel, die Schuld an Problemen dann der jeweils anderen Gruppe zuzuweisen.
Dabei gilt in Nigeria eigentlich der Grundsatz, dass aufgrund der Bevölkerungsverhältnisse weder Christen noch Muslime dominieren können. Das Gleichgewicht der Kräfte wird daher sorgsam gewahrt. Selbst an der Staatsspitze wechseln sich jeweils ein Muslim und ein Christ ab.
Doch ein Jahr vor den nigerianischen Präsidentenwahlen ist dieses Gleichgewicht nun gestört: Wegen der langen Erkrankung des muslimischen Präsidenten Umaru Yar'Adua übt dessen christlicher Stellvertreter Jonathan seit einigen Wochen das Präsidentenamt aus. Vor allem muslimische Führer aus dem Norden reagieren mit Misstrauen und Warnungen vor einer Dominanz der Christen.