Afghanistan Scharf bewaffnet, aber freundlich lächelnd

Generalleutnant Norbert van Heyst soll vom 15. Februar an das Kommando über die internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) in Kabul und damit über mehrere tausend Soldaten aus aller Welt führen.

Wenn Generalleutnant Norbert van Heyst in diesen Tagen aus seinem Dienstzimmer am Münsteraner Hindenburgplatz blickt, sieht er puren Adventsfrieden: Kurzurlauber, die aus ganz Deutschland und den Niederlanden kommen, um den Weihnachtsmarkt zu besuchen. Im Kopf hat van Heyst längst ganz andere Bilder und Gedanken. Der 58-Jährige soll mit seinem Hauptquartier des 1. Deutsch-Niederländischen Korps von Mitte Februar an die militärische Führung über die internationale Schutztruppen für Afghanistan (ISAF) übernehmen und zusätzlich in die Rolle eines Diplomaten und politischen Mittlers in Uniform schlüpfen.

Deutsche und Niederländer wird van Heyst auch in dem von 20 Jahren Bürgerkrieg geschundenen Land am Hindukusch sehen, fast ausnahmslos im Kampfanzug. Die bis zu knapp 3000 Soldaten aus beiden Ländern, darunter 450 Niederländer, gehören zu den rund 5000 Militärs aus vielen Nationen, die dem Kommando van Heyst dann in Kabul unterstehen. 3800 von ihnen werden sich vor allem um den Schutz der Bevölkerung, den Betrieb des militärisch und zivil genutzten Flughafens von Kabul sowie um den Personenschutz für Präsident Hamid Karsai und seine Minister kümmern. Diese Aufgaben standen trotz türkischen Oberkommandos schon bisher unter dem «kleinen Lead» der Bundeswehr.

"Überzeugendes Bild"


«Die Deutschen haben bisher ein überzeugendes Bild abgegeben», sagt etwa der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Winfried Nachtwei. Er hatte mit Außenminister Joschka Fischer Kabul besucht und die überwältigende Akzeptanz gespürt, die deutsche Soldaten bei den Menschen in der afghanischen Hauptstadt genießen. Auch nach dem 15. Februar werden die Teile der multinationalen Truppe im Stadtbild von Kabul gemeinsam mit der einheimischen Polizei als so genannte «Battle-Groups» (Kampfgruppen) auftreten - scharf bewaffnet, aber freundlich lächelnd.

Den Bundeswehr-Anteil an den künftigen Battle-Groups werden nach Angaben aus dem Korps vor allem Gebirgsjäger aus Bayern stellen. Aber auch Fallschirmjäger aus Oldenburg und Saarlouis, Luftabwehrspezialisten des Heeres aus Fritzlar (Hessen) und Unterstützungseinheiten aus dem Münsterland werden mit nach Afghanistan fliegen. «Es sind ausschließlich Berufs- und Zeitsoldaten», sagt Thomas Löbbering, der bereits monatelang für ISAF in Afghanistan Dienst getan hat. Wehrpflichtige müssten nicht mit nach Afghanistan.

600 Korps-Soldaten stehen zur Verfügung


Im zweiten - vielleicht noch schwierigeren - Teil des Einsatzes soll Drei-Sterne-General van Heyst das fortführen, was sein türkischer Vorgänger, Generalmajor Hilmi Akin Zorlu, mit seinen Leuten begonnen hat - den Kontakt zu den afghanischen Behörden und den internationalen Nicht-Regierungsorganisationen halten und verbessern. 600 Korps-Soldaten stehen ihm dafür zur Seite. «Die Hilfe für Afghanistan aus dem Ausland fließt, aber sie muss besser koordiniert werden», sagt Löbbering. Das habe Präsident Karsai auf der Afghanistan-Nachfolgekonferenz auf dem Petersberg auch deutlich gesagt.

Die Leitfunktion in Afghanistan soll Deutschland nach Angaben der Bundesregierung zusätzlich 112 Millionen Euro kosten. Die Niederländer müssen für die Führungsaufgabe nach Bundeswehrangaben 45 bis 50 Millionen Euro aufwenden. Die Zustimmung des Bundestages am 20. Dezember - dem Tag des Auslaufens des bisherigen Bundeswehr-Mandats - gilt als sicher. Oppositionspolitiker hatten jedoch im Vorfeld ein fundiertes Sicherheitskonzept verlangt. Im Notfall müssten die deutschen Soldaten schnell aus dem Land geholt werden können, lautete die Forderung. Angesichts immer neuer Meldungen über brandschatzende regionale Kriegsherren und Anschläge gegen UN-Einrichtungen wünschen sich auch die Soldaten ein Höchstmaß an Sicherheit. Bisher liege ein solches Konzept nicht vor, bemängeln Kritiker.

DPA
Michael Donhauser