Als CDU-Vorsitzende setze sie weiterhin auf das Konzept einer "privilegierten Partnerschaft" mit der Türkei, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Istanbul und zeigte sich damit weiterhin skeptisch gegenüber einer Vollmitgliedschaft des Landes. Aber in der Regierungsverantwortung werde sie sich an geschlossene Verträge halten, sagte sie am Ende ihres Antrittsbesuchs in der Türkei.
Merkel fordert Öffnung der Häfen
Bei ihren Gesprächen mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Präsident Ahmet Necdet Sezer in Ankara standen die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union im Mittelpunkt. Diese sind ein Jahr nach Beginn wegen der Zypern-Frage ins Stocken geraten. Merkel bestand darauf, dass die Türkei ihre See- und Flughäfen für Güter aus der Republik Zypern öffnen müsse. Erdogan forderte die EU indessen auf, zunächst die Isolation des türkischen Nordens der seit 1974 geteilten Mittelmeerinsel aufzuheben. Merkel ermahnte alle Beteiligten zur Sachlichkeit in der gesamten EU-Debatte.
Auf einem Wirtschaftsforum mit deutschen und türkischen Unternehmern in Istanbul versicherte sie, dass die EU in der Zypern-Frage keine zusätzlichen Hürden aufbauen werde. "Ich glaube, wir sollten aufpassen, dass wir das wirklich in einer konstruktiven Weise diskutieren." Die Kanzlerin ermutigte die Türkei, ihren Reformkurs fortzusetzen. "Ich glaube, inzwischen ist in der Türkei auch ganz klar geworden, dass man dies nicht tut, um Europa einen Gefallen zu tun", sagte sie. "Ihre Wachstumsraten wären ohne viele der Reformen, die Sie implementiert haben, überhaupt nicht möglich geworden."
Erdogan wirbt für EU-Beitritt
Erdogan warb auf dem Wirtschaftsforum erneut eindringlich für eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union. Sein Land bilde "eine wichtige Brücke zwischen dem Islam und dem Rest der Welt, zwischen Osten und Westen". Der türkische Ministerpräsident betonte, dass Deutschland die Beitrittsbemühungen der Türkei bis heute unterstützt habe. Er hoffe auf eine Fortsetzung dieses Kurses.
Einig in Ablehnung von religiöser Gewalt
Zum Abschluss ihres zweitägigen Türkei-Besuchs traf Merkel mit Vertretern der islamischen, christlich-orthodoxen, jüdischen und armenisch-apostolischen Religionsgemeinschaften in Istanbul zusammen. Das Treffen, an dem auch Erdogan teilnahm, sollte als Zeichen für einen verstärkten Dialog zwischen den Kulturen dienen.
Die Kanzlerin sagte, solche Begegnungen sollten zur Normalität werden, und sie plane eine ähnliche Veranstaltung auch in Deutschland. Gemeinsam mit Erdogan habe sie den Religionen ihren Respekt zollen wollen. "Wir waren uns einig, dass Gewalt im Namen von Religionen niemals verursacht werden darf", sagte Merkel. Bei dem Gespräch seien auch die Bedingungen der Religionsausübungen in der Türkei thematisiert worden. Man sei sich einig gewesen, "dass da, wo Probleme auftreten, diese Probleme auch angepackt werden müssen".
Vor dem Gespräch hatte sich Merkel allein mit Patriarch Bartholomäus I. getroffen, dem geistlichen Oberhaupt der christlichen Orthodoxie. Merkel zog eine positive Bilanz ihres zweitägigen Türkei-Besuchs: "Es war eine wunderschöne Reise in die Türkei." Erdogan nannte das Gespräch mit den Religionsvertretern ein "sehr fruchtbares Zusammentreffen zu einer Zeit, in der die Welt den Frieden am meisten braucht".