Bataclan-Prozess Witwe von deutschem Opfer nach Prozess erleichtert: "Habe die Frau getroffen, die Fabian zuletzt lebend gesehen hat"

Eine Gedenktafel in Paris für die Opfer der Terroranschläge in Bars, Restaurants und dem Bataclan im November 2015
Eine Gedenktafel in Paris für die Opfer der Terroranschläge in Bars, Restaurants und dem Bataclan im November 2015
© Abdulmonam Eassa / Getty Images
Der Bataclan-Prozess um die Terrornacht von Paris 2015 ist mit harten Urteilen für die angeklagten Islamisten zu Ende gegangen. Die Witwe eines im Konzertsaal ermordeten Deutschen erzählt, ihr habe das Verfahren sehr geholfen.

Für die Opfer der Pariser Anschläge vom November 2015 beginnt nun ein neues Kapitel. Die juristische Aufarbeitung der schlimmsten Anschläge, die Frankreich je erlebt hat, ist mit den am Mittwoch verkündeten Urteilen vorerst abgeschlossen. Sophie Bouchard-Stech, deren aus Hannover stammender Mann im Konzertsaal Bataclan getötet worden war, zeigte sich erleichtert nach dem Urteil. "Die harten Strafen sind die einzige Garantie, dass sie nicht wieder von vorn anfangen", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. 

Der Hauptangeklagte Salah Abdeslam war zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die kaum verkürzt werden kann. Alle übrigen 19 Angeklagten erhielten ebenfalls Haftstrafen.

Ihr habe der Prozess sehr geholfen, sagte die Witwe. "Ich habe viele Menschen kennengelernt, mit denen ich meine Erfahrungen teilen konnte." Mit den anderen Opfern und Angehörigen gemeinsam habe sie sich zeitweise "wie in einer großen Familie" gefühlt.

Ehemann war auf Konzert im Bataclan

Dank eines Interviews war es ihr gelungen, einen ganz besonderen Augenzeugen zu finden: "Ich habe die Frau getroffen, die Fabian zuletzt lebend gesehen hat", sagte die in Lyon lebende Juristin. Diese Frau habe seit Langem ihren Namen gekannt, sich aber nicht getraut, sie zu kontaktieren. Nachdem Bouchard-Stech in einem TV-Interview zu Prozessbeginn gesagt hatte, dass sie darauf hoffe, mehr über die Terrornacht zu erfahren, kam der Kontakt schließlich zustande.

Bouchard-Stech hatte ihren Mann Fabian Mitte der 80er-Jahre bei einem Auslandssemester in Berlin kennengelernt. Er folgte ihr nach Frankreich, arbeitete als Deutschlehrer und hörte gerne Musik. Am 13. November war er auf dem Konzert der Eagles of Death Metal gewesen, als die Attentäter den Saal stürmten und innerhalb einer halben Stunde 258 Mal auf die Menschen schossen.

Die Mutter zweier erwachsener Kinder war mehrfach zu den Gerichtsterminen gefahren und hat auch selber ausgesagt. Aber wenn die Angeklagten das Wort hatten, habe sie sich die Ohren zugehalten.

Survivors: Terroropfer Noumouké Sidibé
© Mathias Braschler & Monika Fischer
"Es war Horror": Er rettete mehr als 50 Menschen das Leben – doch ein Held will er nicht sein

Den Aussagen des Hauptangeklagten Salah Abdeslam könne sie keinen Glauben schenken. "Er hat nie erkennen lassen, dass er sich von seinen dschihadistischen Ideen verabschiedet hat", sagte sie. Abdeslam hatte drei der Attentäter zum Stade de France gefahren. Seinen eigenen Sprengstoffgürtel hatte er aber abgelegt und war nach Belgien geflohen. 

Er habe aus "Menschlichkeit" darauf verzichtet, den Sprengsatz zu zünden, hatte er während des Prozesses erklärt. Die Richter zogen dies in Zweifel und wiesen darauf hin, dass der Sprengstoffgürtel defekt gewesen war.

Abdeslam bat während des Prozesses unter Tränen die Opfer und ihre Angehörigen um Verzeihung, doch Bouchard-Stech nahm ihm das nicht ab. "Er hat das nur getan, um eine mildere Strafe zu bekommen", sagte sie.

Vor knapp zehn Monaten war sie zum Auftakt des Prozesses nach Paris gefahren. "Ich will zeigen, dass wir stark sind und dass wir zusammenstehen", hatte sie damals gesagt. "Ich möchte da sein, ich möchte die Erinnerung an meinen Mann wachhalten."

Nun ist sie froh, dass es vorbei ist, hat aber zugleich auch "Angst vor der großen Leere". "Wir werden uns plötzlich wieder in unserem normalen Leben wiederfinden", sagte sie, als ob sie es noch kaum fassen könne, dass nun tatsächlich ein neues Kapitel beginnt. 

mad / Ulrike Koltemann / AFP

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos