Bombenterror im Maghreb Frankreichs Furcht vor Islamisten

Von Astrid Mayer
Nach den Attentaten von Algier wächst in Frankreich die Sorge, die Bomben könnten keine rein inneralgerische Angelegenheit sein. So fordern erste Politiker im Wahlkampf mehr Recht und Ordnung. Nur der Geheimdienst glaubt an eine makabere PR-Aktion.

Algier ist nahe an Frankreich. Nicht nur geographisch (von Marseille aus sozusagen am anderen Mittelmeerufer), sondern auch kulturell. In Frankreich leben fünf Millionen Moslems, so viele, wie in keinem anderen nicht-moslemischen Land. Und dass die ehemalige Kolonialmacht (Algerien, Marokko und Tunesien waren französisch) zur "Achse des Bösen" gehört, haben die maghrebinischen Al-Kaida-Ableger Anfang des Jahres so verlauten lassen - nicht ohne anzukündigen, dass auch in Frankreich Attentate geplant seien.

Rechte Politiker fordern mehr Sicherheit

Die Serie von Selbstmord-Attentaten in Algier hat Sorge im Land geweckt, in dem die Präsidentschaftswahlen unmittelbar bevorstehen. Die Zeitungen erinnern daran, dass der furchtbare Anschlag in Madrid im Jahr 2004 drei Tage vor den Parlamentswahlen stattfand. Und weil auch das zum Geschäft gehört, formulieren vor allem rechte Politiker ihre Sorge um die nationale Sicherheit deutlich - je weiter rechts stehend, desto deutlicher. Denn diese Sorge könnte denen Stimmen bringen, die - wie der ehemalige Innenminister und Präsidentschafts-Kandidat Nicolas Sarkozy - für mehr Recht und Ordnung im Land plädieren.

Höchste Alarmstufe des Antiterror-Plans "vigipirates" herrscht im Land ohnehin seit Beginn des Wahlkampfs. Die Attentate in Algier hat das Innenministerium zum Anlass genommen, von den Präfekten verstärkte Wachsamkeit zu verlangen in Bezug auf Atomkraftwerke, Wasseraufbereitungsanlagen und öffentliche Verkehrsmittel.

Lage ernst aber nicht katastrophal

Die französischen Geheimdienste haben ihre Einschätzung der Lage nicht verändert: Ernst aber nicht katastrophal. Im Land werden potentielle Gewalttäter schon lange beobachtet, geortet werden sie vor allem in sogenannten Risikogruppen: In Frankreich lebende gebürtige Maghrebiner, die sich im Irak oder im Pakistan aufgehalten haben, oft um "Koranschulen" zu besuchen. Beunruhigend ist in den Augen der Geheimdienste vor allem, dass sich zunehmend auch Männer plötzlich und brutal radikalisieren, die gar nicht in dieses Profil passen, sondern ansonsten völlig unauffällig leben.

Entscheidender Wendepunkt für das Maß an Bedrohung, dem Frankreich ausgesetzt ist, war im Januar dieses Jahres, als die algerische Terror-Organisation der Salafisten GSPC sich offiziell umbenannte in "Al-Kaida für den islamischen Maghreb". Dabei wurde auch Frankreich als Zielscheibe für künftige Aktivitäten genannt. Allerdings bezweifelt der Chef der französischen Antiterror-Koordinationsstelle, dass die neue maghrebinische Al-Kaida sonderlich effizient organisiert ist. "Man kann nicht sagen, dass es eine zentrale Leitung gibt", sagt Christophe Chaboud. "Im Gegenteil, alles scheint ziemlich unstrukturiert zu sein".

Keine hoher Organisationsgrad

Dass die Organisation auf Selbstmord-Attentate zurückgegriffen hat - praktisch eine Premiere in Algerien - weist denn auch nicht gerade auf einen hohen Organisationsgrad hin. Selbstmord-Attentate sind, wenn erste einmal todesbereite Komplizen gefunden sind, relativ einfach zu bewerkstelligen.

Die Attentate in Algier zielten - zumindest indirekt und symbolisch - ja auch auf Frankreich, wie der algerische Journalist und Terrorismus-Spezialist Hamida Layachi erläutert: Eine Explosion beschädigte ein Regierungsgebäude, das aus der Kolonialzeit stammt. Es war damals Sitz des französischen Generalgouverneurs. In diesem Gebäude hatte auch 1958 der damalige französische Regierungschef Charles de Gaulles eine Rede gehalten, in der er versicherte, Algerien werde französisch bleiben. "Wenn es nur um die Zahl der Toten gegangen wäre, hatte Al-Kaida seine Kamikazes in die Rue Didouche-Mourad geschickt" (also in eine der Hauptverkehrsadern der Stadt), sagt er.

Makabere PR-Aktion

Layachi widerspricht damit der Einschätzung, die Attentate seien eine rein inneralgerische Angelegenheit, ein Warnschuss gut ein Monat vor den Wahlen in Algerien. Die neuesten Einschätzungen der französischen Geheimdienste sehen noch einen anderen Grund für die Attentate: Es handle sich um eine Art makabrer PR-Aktion der algerischen Salfisten. Ihre Art bekannt zu machen, dass sie nunmehr unter neuem Label firmieren, von dessen Prestige in der islamischen Welt sie auch ein bisschen etwas abbekommen wollen: "Al-Kaida".