Wegen der Gewalt in Syrien haben sich am Montag 85 Soldaten aus dem Land in die benachbarte Türkei abgesetzt, darunter ranghohe Offiziere. Die Männer seien mit ihren Familien über die Grenze geflüchtet, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Insgesamt haben demnach fast 300 Menschen Unterschlupf in der Türkei gesucht. Ankara hat mehrfach erklärt, die Grenze für Flüchtlinge offenhalten zu wollen.
Nach dem Abschuss eines türkischen Kampfjets durch Syrien vor gut zwei Wochen hatte der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan dem Nachbarland bei weiteren Zwischenfällen mit Gewalt gedroht. Die Türkei werde Provokationen nicht ignorieren. Ankara werde auf alle Gesetzesverletzungen an den türkischen Grenzen reagieren.
Syriens Staatschef Baschar al Assad hat derweil den Abschuss bedauert. Die Maschine sei in einem Gebiet unterwegs gewesen, das in der Vergangenheit mehrfach von der israelischen Luftwaffe genutzt worden sei, sagte Assad in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der türkischen Zeitung "Cumhüriyet". Er bedauere diesen Vorfall "zu 100 Prozent".
Assad bedauert plötzlich den Kampfjet-Abschuss
Assad wies die Anschuldigung der Türkei zurück, die syrische Luftabwehr habe den türkischen Kampfjet absichtlich abgeschossen. "Ein Land im Krieg handelt immer auf diese Weise", sagte er. Die Maschine sei sehr tief geflogen, und die syrische Armee habe den Jet für eine israelische Maschine gehalten. Der verantwortliche Soldat habe kein Radar zur Verfügung gehabt und habe daher nicht gewusst, aus welchem Land der Kampfjet stamme. Den Familien der beiden Piloten, die noch immer nicht gefunden wurden, sprach Assad sein Mitgefühl aus.
Die türkische Armee hat am Wochenende nach eigenen Angaben Kampfjets gegen syrische Hubschrauber aufsteigen lassen, die sich der türkischen Grenze genähert hatten. In zwei Fällen seien Kampfjets von der Nato-Basis im südtürkischen Incirlik, in einem weiteren Fall vom Luftwaffenstützpunkt in Batman aufgestiegen. Nach Angaben des Generalstabs handelte es sich um Kontrollflüge, keiner der syrischen Hubschrauber sei in den türkischen Luftraum eingedrungen.
Die Organisation Human Rights Watch warf der syrischen Regierung derweil systematische Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die Menschenrechtsorganisation hat nach eigenen Angaben 27 Gefängnisse des Geheimdienstes identifiziert, in denen regelmäßig gefoltert wird. Ein am Dienstag in New York veröffentlichter Bericht listet die Einrichtungen auf - mit Ort, zuständiger Behörde, Foltermethoden und oft auch dem verantwortlichen Offizier.
Sie berichten von über das Land verstreute Folterzentren
"Das Muster dieser systematischen Misshandlungen, das Human Rights Watch hier dokumentiert, zeigt klar eine staatliche Politik der Folter und Misshandlung auf. Damit erfüllt es die Bedingungen für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", teilte die Organisation mit.
"Die Geheimdienste betreiben ein Netz von über das Land verstreuten Folterzentren", sagte HRW-Gutachter Ole Solvang. "Mit der Veröffentlichung der Orte und Foltermethoden und der Identifizierung der Vorgesetzten wollen wir zeigen, dass sich diese für die furchtbaren Verbrechen werden verantworten müssen."
Human Rights Watch hat den Bericht eigenen Angaben zufolge aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengestellt. Den Kern stellten mehr als 200 Befragungen dar, die die Organisation seit Beginn der Niederschlagung der Proteste im März vergangenen Jahres aufgezeichnet habe.
Die Menschenrechtsorganisation forderte den UN-Sicherheitsrat auf, Sanktionen gegen das Regime in Damaskus zu verhängen, damit das Töten ein Ende finde. Wie viele Menschen inzwischen starben, ist unklar, weil die Regierung keine unabhängigen Gutachter ins Land lässt. Die Vereinten Nationen gehen von mindestens 12.000 Toten aus, die meisten von ihnen Zivilisten.