Demokratie im Irak Regierungschef zweifelt an Abstimmungsergebnis

Nicht alle Stimmen der Parlamentswahlen im Irak sind ausgezählt. Der amtierende Regierungschef Nuri al-Maliki zweifelt an der Richtigkeit des Ergebnisses.

Am Tag der Parlamentswahl forderte Iraks Regierungschef Nuri al-Maliki seine Landleute auf, das Wahlergebnis zu akzeptieren, unabhängig davon, wer den Sieg davonträgt: "Wer heute verliert, kann morgen gewinnen, deshalb gibt es keinen Anlass zur Sorge." Doch schon heute, zwei Wochen später, zweifelt der schiitische Regierungschef selbst an den Vorzügen der Demokratie. Denn jetzt sieht es so aus, als könnte er selbst zu den Verlierern gehören.

Damit hatte Al-Maliki nicht gerechnet. Und weil es aus seiner Sicht auch nicht sein darf, tut er nun genau das, wovor er damals gewarnt hatte: Er erkennt die bislang veröffentlichten Wahlergebnisse, die seinen Rivalen Ijad Allawi auf dem ersten Platz sehen, nicht an. Al-Maliki fordert in seiner Eigenschaft als noch amtierender Regierungschef eine Neuauszählung der Stimmzettel, was mehrere Wochen in Anspruch nehmen würde. Unterstützung erhält er für seinen Vorschlag vom kurdischen Staatspräsidenten Dschalal Talabani. Auch Talabani müsste - falls Allawi auch nach der Auszählung der restlichen Stimmen vorne liegen sollte - wahrscheinlich seinen Posten räumen. Denn der mit Allawi verbündete Vizepräsident Tarik al-Haschimi möchte gerne Präsident werden.

Kein einziges Parteienbündnis hat diesmal die absolute Mehrheit erreicht. Allawi und Al-Maliki liegen zwar vorn, aber auch sie haben jeweils weniger als ein Drittel der Stimmen erhalten. Mit großem Abstand folgen auf dem dritten und vierten Platz die religiöse Schiiten-Allianz und die Allianz der Kurden-Parteien KDP und PUK.

Die Wähler haben diesmal vorwiegend nationalistische Politiker gewählt, die gegen die Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten sind. Die religiösen Klientel-Parteien, die in den Jahren 2006 und 2007 die Eskalation der Gewalt zwischen den Religionsgruppen herbeigeführt hatten, wurden dagegen von den Wählern abgestraft.

Das trifft im schiitischen Lager in erster Linie die Allianz von Ammar al-Hakim und Muktada al-Sadr, die beide eigene Milizen und enge Beziehungen zu Teheran haben. Doch bei Wählerbefragungen wurde festgestellt, dass ein Teil der Iraker glaubt, dass auch Al-Maliki, der sich im Wahlkampf als Nationalist präsentierte, letztlich nicht der richtige Mann ist, um die Versöhnung zwischen Schiiten und Sunniten voranzutreiben. Im sunnitischen Lager verlor die von religiösen Parteien und Konservativen dominierte Irakische Konsensfront, die bei der Parlamentswahl 2005 stärkste Fraktion der Sunniten gewesen war, dramatisch an Stimmen.

Die Stimmen der Protestwähler hat jetzt Ijad Allawi mit seiner Al-Irakija-Liste eingesammelt, der moderne Sunniten und Schiiten angehören. Allawis Bündnis gilt als relativ unabhängig, weil es weder vom schiitischen Klerus im Iran noch vom sunnitischen Herrscherhaus Saudi-Arabiens unterstützt wird. Dass Allawi in seiner Zeit als Ministerpräsident einer Übergangsregierung (Juni 2004 bis April 2005) ein Kabinett gebildet hatte, dessen Mitglieder nach Einschätzung von Diplomaten mindestens so korrupt waren wie die aktuelle Regierung, hat ihm nicht geschadet. Und auch die alten Berichte, wonach Allawi in einer Polizeistation in Bagdad damals eigenhändig sechs mutmaßliche Aufständische erschossen haben soll, diskreditierten ihn nicht in den Augen der Wähler, von denen sich viele einen "starken Mann" an der Spitze der Regierung wünschen.

Anne-Beatrice Clasmann, DPA DPA

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