Donald Trump vor Gericht "Niemand hat Erfahrung mit solchen Klagen – sicher ist, dass die Fetzen fliegen werden"

Donald Trump vor Gericht
Donald Trump (M.) bei seiner Anhörung vor Gericht in Washington.
© Dana Verkouteren/AP
Donald Trump ist zum dritten Mal angeklagt worden. Welche Anschuldigung davon am schwerwiegendsten ist und was man über die Prozesse des Ex-US-Präsidenten wissen muss, sagt der Anwalt und Experte für US-Recht Jürgen Rodegra im stern-Interview.

Herr Rodegra, Sie sind als Rechtsanwalt sowohl in Berlin als auch im Bundesstaat New York zugelassen. Würde Sie es reizen, Donald Trump zu verteidigen?
Warum nicht? Die Funktion eines Rechtsanwalts ist die eines Interessenvertreters. Dies gilt sowohl nach deutschem als auch amerikanischem Recht. Wenn also Donald Trump bei mir vor der Tür stehen würde, dann würde ich mir seine Probleme anhören, mit meinen Kollegen sprechen und wenn das eine vernünftige Mandatierung ist, dann würde ich selbstverständlich dafür zur Verfügung stehen.

Wie seine politische Karriere danach weitergeht, muss der Wähler entscheiden. Ich bin Dienstleister und kein Weltverbesserer.

In US-Klagen, wie jetzt auch bei Donald Trump, ist oft die Rede von einer "Conspiracy", also einer Verschwörung. Was verstehen die Amerikaner darunter?
Das ist eine gute Frage,  weil die deutsche Übersetzung von "Conspiracy" oft zu Verwirrung führt und viele dann an eine Art Rebellion oder ähnliches denken. Aber die Übersetzung von "Conspiracy" ist "Verabredung zu einem Verbrechen". Wenn wir beide uns dazu verabreden würden, eine Bank zu überfallen, dann ist das eine "Conspiracy".

Welche Auswirkungen kann eine solche "Verabredung zu einem Verbrechen" haben?
Dieser Straftatbestand kann durchaus schwerwiegende Konsequenzen haben. Zum Beispiel, wenn wir uns zu einem Banküberfall verabreden, aber einer kalte Füße bekommt. Dann könnte es trotzdem sein, dass wir wegen "Conspiracy" dran sind, allein schon, weil wir uns zu der Straftat verabredet haben – obwohl wir sie tatsächlich nicht, wie ursprünglich geplant, begangen haben. 

Kann der Vorwurf der Verabredung zur Straftat nicht sehr weit gefasst werden?
Ja, das ist ein eigener Straftatbestand. Es kommt durchaus vor, dass Leute, die glauben, unbeteiligt zu sein, trotzdem zur Verantwortung gezogen werden.

Donald Trump wurde jetzt in New York, Florida und in Washington, DC. angeklagt. Eine weitere Anklage in Georgia folgt möglicherweise noch. Spielt es eine Rolle, dass verschiedene Verfahren gegen ihn in verschiedenen Bundesstaaten laufen?
Eher nicht. Dazu muss man aber wissen: In den USA gelten in allen Einzelstaaten unterschiedliche Rechtsordnungen. Diese können sich ähnlich sein, müssen es aber nicht. Vereinfacht gesagt: Eine Wahlkampffinanzierungsklage wie die in New York, kann in Florida vollkommen anders aussehen. Was dabei aber schwer vorhersehbar ist, wie sich die jeweiligen Jurys verhalten.

Das heißt?
In den USA entscheidet in den meisten Fällen nicht ein Richter über Schuld oder Unschuld, sondern eine Geschworenenjury. Und deren Mitglieder können natürlich beeinflusst sein, etwa durch Medien. Das lässt sich nur schwer vermeiden. Von daher kann der Verlauf anderer, paralleler Klagen eine indirekte Wirkung auf die Geschworenen haben.

Wer sitzt in solchen Jurys?
Salopp gesagt, werden die Mitglieder auf der Straße eingesammelt. Es sind zufällig ausgesuchte Menschen: Busfahrer, ein Arzt, Lehrer, auf jeden Fall meistens juristische Laien.

Das heißt, die Richter sind nicht so entscheidend? In Washington leitet mit Tanya Chutkan eine Vorsitzende das Verfahren, die nicht als Trump-Anhängerin gilt, anders die Richterin in Florida, Aileen Cannon
Doch, die Rolle der Richter ist nicht zu unterschätzen. Sie leiten das Verfahren und dazu gehört auch, die Jury über juristische Hintergründe aufzuklären und ihr Hinweise zu geben. Denn es wird oft kompliziert: Was ein Diebstahl ist, weiß jeder. Aber was genau bedeutet Wahlmanipulation oder Veruntreuung von Wahlkampfgeldern? Dass muss die Jury wissen, um Entscheidungen fällen zu können. Allein dadurch sind Richter schon sehr bedeutend.

Rodegra Anwalt US-Recht
© Privat / stern

Welche der bislang drei Anklagen ist aus Ihrer Sicht die schwerwiegendste?
Das ist schwer zu sagen. Im Grunde sind das alles Straftaten, die der Normalbürger gar nicht begehen kann. Wer kommt schon in die Lage, Wahlkampfspenden zu veruntreuen? Deshalb gibt es auch keine Präzedenzfälle, an denen man sich orientieren kann. Wie das am Ende ausgehen wird, ist wie ein Blick in die Glaskugel.

Donald Trump sagte, wenn er überall die Höchststrafe bekommen würde, wären das mehr als 500 Jahre Haft. Hat er Recht?
Mag sein. Aber das sind so einmalige Vorgänge, da hat niemand Erfahrung mit. Es ist auch fraglich, ob es überhaupt zu einer oder mehreren Verurteilungen kommen wird. Genauso möglich ist, dass man irgendwie versuchen wird, die Angelegenheiten über Deals zu lösen. Das alles lässt sich sehr schwer voraussagen. Sicher bin ich aber, dass einiges zu erwarten sein wird und noch die Fetzen fliegen werden.