Herr Rodegra, Sie sind als Rechtsanwalt sowohl in Berlin als auch im Bundesstaat New York zugelassen. Würde Sie es reizen, Donald Trump zu verteidigen?
Warum nicht? Die Funktion eines Rechtsanwalts ist die eines Interessenvertreters. Dies gilt sowohl nach deutschem als auch amerikanischem Recht. Wenn also Donald Trump bei mir vor der Tür stehen würde, dann würde ich mir seine Probleme anhören, mit meinen Kollegen sprechen und wenn das eine vernünftige Mandatierung ist, dann würde ich selbstverständlich dafür zur Verfügung stehen.
Wie seine politische Karriere danach weitergeht, muss der Wähler entscheiden. Ich bin Dienstleister und kein Weltverbesserer.
In US-Klagen, wie jetzt auch bei Donald Trump, ist oft die Rede von einer "Conspiracy", also einer Verschwörung. Was verstehen die Amerikaner darunter?
Das ist eine gute Frage, weil die deutsche Übersetzung von "Conspiracy" oft zu Verwirrung führt und viele dann an eine Art Rebellion oder ähnliches denken. Aber die Übersetzung von "Conspiracy" ist "Verabredung zu einem Verbrechen". Wenn wir beide uns dazu verabreden würden, eine Bank zu überfallen, dann ist das eine "Conspiracy".
Welche Auswirkungen kann eine solche "Verabredung zu einem Verbrechen" haben?
Dieser Straftatbestand kann durchaus schwerwiegende Konsequenzen haben. Zum Beispiel, wenn wir uns zu einem Banküberfall verabreden, aber einer kalte Füße bekommt. Dann könnte es trotzdem sein, dass wir wegen "Conspiracy" dran sind, allein schon, weil wir uns zu der Straftat verabredet haben – obwohl wir sie tatsächlich nicht, wie ursprünglich geplant, begangen haben.
Kann der Vorwurf der Verabredung zur Straftat nicht sehr weit gefasst werden?
Ja, das ist ein eigener Straftatbestand. Es kommt durchaus vor, dass Leute, die glauben, unbeteiligt zu sein, trotzdem zur Verantwortung gezogen werden.
Donald Trump wurde jetzt in New York, Florida und in Washington, DC. angeklagt. Eine weitere Anklage in Georgia folgt möglicherweise noch. Spielt es eine Rolle, dass verschiedene Verfahren gegen ihn in verschiedenen Bundesstaaten laufen?
Eher nicht. Dazu muss man aber wissen: In den USA gelten in allen Einzelstaaten unterschiedliche Rechtsordnungen. Diese können sich ähnlich sein, müssen es aber nicht. Vereinfacht gesagt: Eine Wahlkampffinanzierungsklage wie die in New York, kann in Florida vollkommen anders aussehen. Was dabei aber schwer vorhersehbar ist, wie sich die jeweiligen Jurys verhalten.
Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – diese juristischen Probleme hat er noch am Hals

Die heute 79-jährige Carroll hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins "Elle" ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ".
Strafrechtlich waren die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte Carroll gegen den Milliardär vorgehen, und so verklagte Carroll Trump in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.
Für die Geschworenen war der Fall offenbar klar: Nach weniger als dreistündigen Beratungen sprachen sie Carroll fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung. Ihr Urteil sei für alle Frauen, die ähnliches erlebt hätten, sagte die Autorin nach der Entscheidung. Es gehe ihr nicht um das Geld. Sie habe ihren Namen reinwaschen wollen. Und sie hätte Trump gerne im Zeugenstand vor Gericht gesehen.
Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe, die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten. Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. "Dieses Urteil ist eine Schande, eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", wetterte der 76-jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht "verteidigen" dürfen. Trump war dem Prozess aus eigenen Stücken ferngeblieben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet. Trump war während des Prozesses sogar zu einem Golfplatz in Schottland gereist, der ihm gehört.
Das heißt?
In den USA entscheidet in den meisten Fällen nicht ein Richter über Schuld oder Unschuld, sondern eine Geschworenenjury. Und deren Mitglieder können natürlich beeinflusst sein, etwa durch Medien. Das lässt sich nur schwer vermeiden. Von daher kann der Verlauf anderer, paralleler Klagen eine indirekte Wirkung auf die Geschworenen haben.
Wer sitzt in solchen Jurys?
Salopp gesagt, werden die Mitglieder auf der Straße eingesammelt. Es sind zufällig ausgesuchte Menschen: Busfahrer, ein Arzt, Lehrer, auf jeden Fall meistens juristische Laien.
Das heißt, die Richter sind nicht so entscheidend? In Washington leitet mit Tanya Chutkan eine Vorsitzende das Verfahren, die nicht als Trump-Anhängerin gilt, anders die Richterin in Florida, Aileen Cannon…
Doch, die Rolle der Richter ist nicht zu unterschätzen. Sie leiten das Verfahren und dazu gehört auch, die Jury über juristische Hintergründe aufzuklären und ihr Hinweise zu geben. Denn es wird oft kompliziert: Was ein Diebstahl ist, weiß jeder. Aber was genau bedeutet Wahlmanipulation oder Veruntreuung von Wahlkampfgeldern? Dass muss die Jury wissen, um Entscheidungen fällen zu können. Allein dadurch sind Richter schon sehr bedeutend.

Welche der bislang drei Anklagen ist aus Ihrer Sicht die schwerwiegendste?
Das ist schwer zu sagen. Im Grunde sind das alles Straftaten, die der Normalbürger gar nicht begehen kann. Wer kommt schon in die Lage, Wahlkampfspenden zu veruntreuen? Deshalb gibt es auch keine Präzedenzfälle, an denen man sich orientieren kann. Wie das am Ende ausgehen wird, ist wie ein Blick in die Glaskugel.
Donald Trump sagte, wenn er überall die Höchststrafe bekommen würde, wären das mehr als 500 Jahre Haft. Hat er Recht?
Mag sein. Aber das sind so einmalige Vorgänge, da hat niemand Erfahrung mit. Es ist auch fraglich, ob es überhaupt zu einer oder mehreren Verurteilungen kommen wird. Genauso möglich ist, dass man irgendwie versuchen wird, die Angelegenheiten über Deals zu lösen. Das alles lässt sich sehr schwer voraussagen. Sicher bin ich aber, dass einiges zu erwarten sein wird und noch die Fetzen fliegen werden.