Es hat den etwas kryptischen Namen "Dokument 102-1" und enthält trotz vieler geschwärzter Passagen jede Menge Zündstoff: Mit der Veröffentlichung einer eidesstattlichen Versicherung eines FBI-Agenten, die zum Durchsuchungsbeschluss von Donald Trumps Privatanwesen Mar-a-Lago Anfang August geführt hat, haben FBI und Justizbehörde dem öffentlichen Druck und der Anweisung eines Richters nachgegeben. 32 Seiten, davon rund die Hälfte geschwärzt, umfasst die Begründung eines FBI-Ermittlers, warum die Fahnder am 8. August im Süden Floridas das Anwesen Trumps durchsuchten. Detailgenau und nüchtern gehalten, gewährt sie einen Einblick in die Vorgänge seit Anfang des Jahres und wie alarmiert die Beamten über die Zustände waren. Die wichtigsten Erkenntnisse: (das Dokument können Sie hier einsehen)
Die Rückgabe der Dokumente zog sich über Monate hin
Über Monate verhandelte das Nationalarchiv über die Rückgabe der Kisten an Dokumenten. Wenige Monate nach dem Ausscheiden aus seinem Amt und dem Umzug nach Mar-a-Lago kontaktierte das Nationalarchiv Trump wegen der Dokumente, die dieser jedoch zunächst nicht herausrückte. Erst am 18. Januar 2022, also fast genau ein Jahr nach Trumps Auszug aus dem Weißen Haus, bestätigte das Nationalarchiv den Eingang von 15 Kisten mit Unterlagen. Im Februar teilte das Nationalarchiv dem FBI dann mit, dass sie in 14 der Kisten insgesamt 184 eingestufte Dokumente gefunden hätten: 67 als "vertraulich", "92 als geheim" und 25 als "streng geheim".
Der Verdacht des FBI
Obwohl mehrere Kisten zurückgegeben wurden, glaubte das FBI schon frühzeitig nicht daran, dass es sich um alle Unterlagen handele, die Trump mit nach Florida nahm, auch, weil Geheimdokumente in den abgelieferten Boxen gefunden wurden. "Wir haben Grund zur Annahme, dass sich noch weitere Geheimdokumente zur nationalen Sicherheit und weitere Aufzeichnungen des Präsidenten, die aufbewahrt werden müssen gegenwärtig auf dem Gelände befinden", heißt es in der eidesstattlichen Erklärung zu Beginn des Dokuments.
Dass sie damit Recht behalten sollten, zeigte die Quittung der beschlagnahmten Dokumente, die kurz nach der Razzia gemeinsam mit dem Durchsuchungsbefehl Mitte August veröffentlicht wurde. So hatten die Ermittler weitere als "streng geheim" eingestufte Dokumente gefunden, die nur in Regierungseinrichtungen eingesehen werden dürfen. Insgesamt hatte Trump über 700 Seiten vertrauliche Dokumente mit nach Florida genommen, wie aus einem Mitte der Woche veröffentlichten Brief an Trumps Anwälte hervorgeht.
Was lagerte bei Donald Trump in Florida?
Natürlich äußern sich FBI und Justizministerium nicht zu den genauen Inhalten der Geheimdokumente, doch wird aus der eidesstattlichen Erklärung ersichtlich, welche Brisanz die Dokumente hatten. Die Dokumente in Mar-a-Lage beinhalteten unter anderem Informationen über menschliche Quellen der US-Geheimdienste im Ausland sowie Akten, die Informationen über das Vorgehen der Dienste im Ausland bei der elektronischen Überwachung beinhalten – und überhaupt nur mit Menschen geteilt werden dürfen, die dafür die erforderliche Freigabestufe haben.
Die Unterlagen waren nicht gesichert
Gleich mehrfach geht aus dem Schreiben hervor, dass Trump in Mar-a-Lago wenig wert auf eine sichere Verwahrung der Dokumente legte – geschweige denn, dass es einen sicheren Raum gab, in dem diese lagerten. "Mar-a-Lago hat keinen sicheren Ort, der autorisiert ist, um Geheimdokumente zu lagern", heißt es dort. Das FBI hatte daher den Eindruck, dass "seitdem die Dokumente aus der sicheren Umgebung der Weißen Hauses nach Mar-a-Lago geliefert wurden, sie weder in einem angemessenen Rahmen gelagert noch behandelt wurden". Dies bestätigt auch die Art und Weise, wie die Dokumente vom Nationalarchiv in den Kisten vorgefunden wurden. Denn die Geheimdokumente waren zwischen Zeitungsartikel, Fotos und Korrespondenz Trumps gemischt – was die Alarmglocken beim FBI zum Schrillen brachte: "Es ist von größter Sorge, dass streng geheime Dokumente unsortiert und nicht entsprechend gekennzeichnet mit anderen Unterlagen vermischt wurden."
Was fehlt in dem Dokument?
Sehr viel, denn rund die Hälfte der 32 Seiten sind geschwärzt. Nachdem ein Richter dem öffentlichen Interesse nachgab und die Veröffentlichung anordnete ließ er aber auch zu, dass Passagen unkenntlich gemacht werden dürfen, um sensible Informationen zu schützen. Dabei dürfte es vor allem auch um die Nennung von Zeugen gehen, die vor der Durchsuchung befragt wurden und nun vor Bedrohungen und Einschüchterungen geschützt werden sollen. Zuletzt gab es immer wieder Mutmaßungen in US-Medien, dass sich unter den Zeugen auch Personen aus dem engsten Umfeld Donald Trumps befinden sollen – Belege dafür gibt es jedoch bislang nicht.
Warum wollte Trump Dokumente aus dem Weißen Haus mitnehmen?
Diese Frage wird vorerst noch ungeklärt bleiben, denn eine Antwort geht aus den Unterlagen nicht hervor. Trumps Anwälte beriefen sich immer wieder darauf, dass die Dokumente vom Ex-Präsidenten selbst deklassifiziert wurden und dementsprechend nicht mehr der Geheimhaltung unterlagen. Das geht auch aus einem Brief hervor, der der Begründung des FBI anhängt. Einen Beweis dafür liefern aber auch Trumps Anwälte bis heute nicht.
Aber es gibt Erklärungsansätze: In der "New York Times" schreibt die Trump-Kennerin Maggie Habermann, dass Trump bereits vor seiner Zeit als Präsident eine Art Sammelwut gehabt habe. So habe sich unter anderem in seinem Büro im Trump Tower in New York ein riesiger Schuh vom ehemaligen Basketball-Superstar Shaquille O’Neal (Schuhgröße 60) gefunden. Im Weißen Haus habe Trump gerne mit Briefen und Dokumenten vor Gästen geprotzt – aller Warnungen seiner Berater zum trotz. Gut möglich also, dass Trump auch in Mar-a-Lago mit Dokumenten angeben wollte.
Wie die Unterlagen eigentlich behandelt werden sollte, erklärte Präsident Joe Biden am Freitag auf Nachfrage eines Reporters: Ich habe bei mir zu Hause einen abgetrennten Raum, der vollkommen sicher ist. Ich nehme heute den heutigen PDB ("President's Daily Brief", zu Deutsch: Tagesbericht für den Präsidenten) mit nach Hause. Der ist verschlossen, eine Person ist bei mir, das Militär, und ich lese ihn. Dann schließe ich ihn wieder ein und gebe ihn zurück."
Dass es Trump auch während seiner Amtszeit mit geheimen Informationen nicht so genau genommen hat, zeigt ein Vorfall aus dem Jahr 2019. Damals postet Trump ein klassifiziertes Satellitenbild auf Twitter, das eine zerstörte Startrampe auf dem iranischen Weltraumbahnhof Semnan zeigte und in den USA für viel Wirbel sorgte. (Mehr dazu lesen Sie hier)
Was könnte Donald Trump nun drohen?
Die Entscheidung obliegt nun dem Justizministerium, ob weiter gegen Trump ermittelt wird. Bereits in der eidesstattlichen Erklärung verweist der namentlich nicht genannte FBI-Agent auf die Verstöße gegen mehrere US-Gesetze. Diese können mit Geld- oder auch Haftstrafen geahndet werden. Laut dem "Spiegel" soll Trump in den vergangen Tagen mehrfach Freunde befragt haben, ob ihm nun tatsächlich eine Anklage drohe.
Quellen: "Washington Post", "NY Times", "Spiegel"