Razzia in Florida "Hey, ich twittere das!": Ein Vorfall aus 2019 zeigt Trumps Umgang mit Staatsgeheimnissen

US-Präsident Donald Trump 2019 im Oval Office
"Nicht so verhalten, als ob er sich verpflichtet fühlte, Geheimnisse zu schützen": US-Präsident Donald Trump 2019 im Oval Office.
© Jim Watson / AFP
Nachdem das FBI bei Donald Trump geheime Unterlagen aus dem Weißen Haus sichergestellt hat, hat ein ehemaliger hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter gegenüber dem Sender NBC über einen bedenklichen Vorfall vor drei Jahren ausgepackt.

Bei der Razzia auf dem Anwesen von Donald Trump in Florida in der vergangenen Woche hat das FBI zahlreiche Verschlusssachen unterschiedlicher Geheimhaltungsstufen sichergestellt. Laut der vor wenigen Tagen veröffentlichten Liste der beschlagnahmten Gegenstände sind unter den Unterlagen, die der frühere Präsident aus dem Oval Office nach Mar-a-Lago mitgenommen haben soll, Dokumente, die als "vertraulich", "geheim" und "streng geheim" eingestuft waren. Einige trugen sogar die Kennzeichnung "Top Secret/SCI", wonach sie nur in sicheren Regierungseinrichtungen eingesehen werden dürfen. Mit der Mitnahme und Lagerung dieser Papiere, zu denen der US-Zeitung "Washington Post" zufolge auch Unterlagen über Atomwaffen gehören sollen, könnte Trump gegen mehrere Gesetze verstoßen haben, darunter das US-Spionagegesetz.

Donald Trump twitterte streng geheimes Satellitenbild

Der laxe Umgang des 76-Jährigen mit Staatsgeheimnissen ist nicht neu. Besonders eindrücklich zeigt das ein Vorfall vom 30. August 2019. Nachdem am Vortag eine Trägerrakete auf dem iranischen Weltraumbahnhof Semnan explodiert war, schrieb Trump auf seinem zu der Zeit noch nicht gesperrten Twitterkanal: "Die Vereinigten Staaten von Amerika waren nicht in den katastrophalen Unfall während der finalen Startvorbereitungen auf der Abschussbasis Semnan im Iran involviert. Ich wünsche dem Iran alles Gute und viel Glück bei der Aufklärung der Geschehnisse." Dazu postete er ein Satellitenbild, das die zerstörte Startrampe zeigen sollte.

Der Tweet des damaligen Präsidenten sorgte für ziemlichen Wirbel. Experten kritisierten, dass das Foto mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem geheimen Satelliten oder einer Drohne stamme und Trump mit der Veröffentlichung die Spionagefähigkeiten der USA preisgegeben habe. Ein ehemaliger hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter mit Kenntnissen aus erster Hand hat diese Vermutung jetzt gegenüber NBC News bestätigt und dem US-Sender geschildert, wie es zu dem Posting kam.

Das Briefing des Präsidenten durch die Nachrichtendienste an dem Tag habe ein Foto von einem der leistungsfähigsten amerikanischen Spionagesatelliten beinhaltet — ein Bild mit einer Auflösung, die alles auf dem kommerziellen Markt befindliche weit übertreffe, berichtete der Informant. Die Aufnahme habe die Folgen eines misslungenen Raketenstarts im Iran gezeigt. "Wir hatten dieses Bild der explodierten iranischen Rakete, und es war eine exquisite Geheimdienstinformation, und er hat nicht einmal gewartet. Sobald wir es ihm gezeigt hatten, sagte er: 'Hey, ich twittere das.'"

Die damalige CIA-Direktorin Gina Haspel und der Direktor der nationalen Nachrichtendienste Joseph Maguire hätten versucht, Trump von dem Tweet abzubringen und ihn darauf hingewiesen, dass die USA Milliarden von Dollar für die Entwicklung von Fähigkeiten zur Anfertigung von Aufnahmen aus dem Weltraum ausgegeben haben, erzählte der frühere Geheimdienstler weiter. "Sie können das nicht tun. Wenn Sie das veröffentlichen, erkennen die, was unsere Fähigkeit ist", hätten die Direktoren an den Präsidenten appelliert. Dieser sei jedoch ungerührt geblieben und habe geantwortet: "Hören Sie, ich bin der Präsident, ich kann alles freigeben."

Trumps damaliger nationaler Sicherheitsberater John Bolton bestätigte den Vorfall ebenfalls gegenüber NBC: "Der Präsident hat ein Foto einer iranischen Raketenabschussbasis getwittert [...] und jeder hat erkannt, dass es sich dabei um ein streng geheimes Bild aus dem Weltraum handelte", sagte Bolton, der an dem Tag in Polen war, dem Sender. "Er hat es hinausgetwittert, und das hat natürlich per Definition die Geheimhaltung aufgehoben, aber auch gezeigt, was passieren kann, wenn ein solches Bild, selbst in einem Twitter-Anhang, von ausländischen Geheimdiensten analysiert werden kann."

"Trump schien das nicht zu verstehen"

Bolton und andere, die mit der Angelegenheit vertraut waren, erklärten dem Bericht zufolge, dass der Vorfall sinnbildlich für Trumps Denkweise sei. Demnach seien der Präsident und ihm nahestehende Personen der Ansicht gewesen, sie hätten die Befugnis, vom FBI als streng geheim eingestufte Dokumente nach Mar-a-Lago zu bringen und dort zu verwahren. "Er hat keine Zeit dafür verwendet zu verstehen, was etwas zu einem Geheimnis machte und was wir schützen", sagte ein zweiter ehemaliger hoher Nachrichtendienstler dem Sender.

Nach Angaben von Bolton und Doug London, einem ehemaligen CIA-Beamten, der an der Zusammenstellung des Briefing-Materials für den Präsidenten beteiligt war, wollte Trump häufiger hochgradig geheime Bilder, Tabellen oder andere Dokumente behalten. "Der Präsident hatte die Angewohnheit, um die Überlassung sensibler Dokumente zu bitten, und von Zeit zu Zeit tat er das, und wir wussten nicht, was mit ihnen geschah", sagte Bolton. "Und das war immer ein Grund zur Besorgnis, weil er die Risiken für Quellen und Methoden und andere Gefahren, die mit der Preisgabe von Verschlusssachen verbunden sind, und dass sie an die falschen Leute gelangen könnten, nicht wirklich verstand."

"Wenn er beschloss, dass ihm etwas gefiel, was er sah, musste man es ihm wieder abringen", ergänzte London. Um dem entgegenzuwirken, hätten die für die Briefings verantwortlichen Mitarbeiter Bilder auf Posterformat vergrößert, damit Trump sie nicht mitnehmen konnte. Nach dem Vorfall mit dem Iran-Foto hätten hochrangige Geheimdienstmitarbeiter sogar vereinbart, nie wieder streng geheime Bilder in das Oval Office zu bringen, berichte ein weiterer Geheimdienstler dem Sender. Trump habe "sich nicht so verhalten, als ob er sich verpflichtet fühlte, Geheimnisse zu schützen. Er schien das nicht zu verstehen".

Das Posten des Satellitenfotos der iranischen Startrampe war folglich auch nicht das einzige Mal, dass Trump mit dem Ausplaudern von Geheiminformationen Schlagzeilen machte: So erzählte der Präsident im Mai 2017 dem russischen Außenminister Sergej Lawrow im Oval Office, dass die Terroristen des Islamischen Staates gestohlene Flughafensicherheitsausrüstung verwendet hätten, um eine Bombe zu testen, die in elektronischen Geräten versteckt und unbemerkt in eine Flugzeugkabine eingeschleust werden könne. Trump nannte sogar die vom IS kontrollierte Stadt in Syrien, in der die Geheimdienste die Information gewonnen hatten.

Und im Februar 2017 besprach Trump mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe auf einer Terrasse in Mar-a-Lago die gemeinsame Reaktion auf einen kurz zuvor durchgeführten nordkoreanischen Raketentest – vor den Augen und Ohren der anderen Gäste des Golfclubs. Ein Clubmitglied machte sogar mehrere Fotos davon, wie die beiden Staatsoberhäupter und ihre Mitarbeiter Dokumente prüften und an ihren Laptops arbeiteten, wobei sie Handys als Taschenlampen benutzten. Die Bilder veröffentlichte der Gast anschließend auf Facebook.