Natürlich gibt es einen Wikipedia-Artikel, der sich ausschließlich den Spitznamen widmet, die Donald Trump im Laufe seiner Zeit Wegbegleitern und Widersachern verpasst hat. Es sind eine ganze Menge. "Little Rocket Man" für Nordkoreas Diktator Kim Jong Un ist wohl einer der bekanntesten, Hillary Clinton, seine Kontrahentin von vor vier Jahren, nannte er "crooked", also betrügerisch oder korrupt, aber besonders inspirierend scheint Joe Biden zu sein: Neun Spottbezeichungen hat er bereits für seinen Präsidentschaftsgegner ersonnen, der allerneueste ist erst wenige Tage alt: Joe Hiden.
Joe Hiden gehört ganz sicher zu Trumps besseren Einfällen. Wegen des Gleichklangs mit Bidens Nachnamen hat er zwar etwas kalauerhaftes, aber zugleich spielt die Bedeutung des Wortes "hide", "hiding", "hidden" ("versteckt") geschickt auf Bidens bislang zurückhaltenden Wahlkampf an. Wegen der Corona-Pandemie hat sich der 77-Jährige bis vor kurzem fast nur aus dem Keller seines Hauses in Delaware öffentlich zu Wort gemeldet – was ihm nicht nur die Lästereien des US-Präsidenten eingebracht hat. Joe Hiden – Joe, der Versteckte –ist jedenfalls um einiges hintersinniger als Trumps bisherige Spitznamen für ihn wie etwa "Sleepy" oder auch "1%".
Lieber Sleepy Joe oder Slow Joe?
Das erste Mal nutzte das Staatsoberhaupt seine Neukreation am 2. September auf Twitter: Zunächst im Zusammenhang mit einer unerwarteten Wahlschlappe für Joe Kennedy III. aus Massachusetts, Abkömmling des berühmten US-Politikerclans. Danach innerhalb von drei Tagen gleich noch sechs Mal. Noch im August hatte Trump vor Anhängern darüber sinniert, welchen Spitznamen er für Biden benutzen solle: "sleepy" (also schläfrig) oder "slow" (langsam). Die Menge applaudierte bei "sleepy" offenbar lauter, was der Präsident mit den Worten kommentierte: "Das habe ich mir gedacht."
Bei der Wahlkampfveranstaltung in seinem Golfclub in Bedminster vor den Toren New Yorks erzählte er auch, dass seine Berater ihm von der Verwendung von Spitznamen abraten würden, weil dies des Amtes nicht würdig sei. Trumps Entgegnung vor seinen Anhängern: "Ich sag' euch was: Putin und Kim Jong Un und Präsident Xi aus China, sie sind alle nicht schläfrig. Wir können uns es nicht leisten, langsame, schläfrige Leute zu haben, die mit ihnen verhandeln."
Trump nutzt Schwächen eiskalt aus
Obwohl Biden bei den meisten Amerikanern sehr beliebt ist, macht sein Alter den Wahlkämpfern Sorge. Bei seinen Auftritten wirkt der Demokrat öfters unsicher und auch seine Art zu Sprechen erweckt den Eindruck, dass er nicht immer ganz auf der Höhe ist. Schon zu seiner Zeit als US-Vizepräsident unter Barack Obama war er bekannt für seine Hänger und Aussetzer. Donald Trump neigt dazu, derartige Schwächen seiner Gegner eiskalt auszunutzen. Und hofft mutmaßlich, dass seine abfälligen Bezeichnungen im Wählergedächtnis hängen bleiben - bei Clinton hat es 2016 zumindest teilweise funktioniert.
In den USA ist es nicht unüblich, Politikern Spitznamen zu verpassen. Oft waren sie freundlich gemeint, wie bei Abraham Lincoln, der der "ehrliche Abe" war, oder bei Theodore "der Löwe" Roosevelt. Aber nicht immer. Von den zahllosen Beinamen, die Trump jedoch im Laufe seines Lebens verteilt hat, sind so gut wie alle beleidigend: Etwa "Al Frankenstein" für einen früheren Senator oder "Dumbo" für den Chef der Präsidentengarde Secret Service. Sein unerschöpfliches Reservoir an Abfälligkeiten macht auch vor Gruppen oder Dingen nicht Halt: Wie "Wütende Gangster-Demokraten" (Mitglieder der Opposition, die Trumps Amtsenthebung vorangetrieben hatten) oder schlicht: die "Pest aus China" (Corona-Virus).
Die Caddies nennen Donald Trump "Pele"
Auch sich selbst hat Trump einen Spitznamen verpasst: Der Autor Michael D'Antonio schreibt, dass der jetzige Präsident gerne von sich in der dritten Person als "DT" oder "Trumpster" spricht. Auch die Umgebung, in der sich der frühere TV-Star am liebsten bewegt, der Golfplatz, ist ebenfalls nicht unkreativ: Weil Trump für seine äußerst großzügige Auslegung der Golfregeln berüchtigt ist, wird er "Pele" genannt. "Die Caddies haben sich schon daran gewöhnt, ihn ständig seinen Ball zurück auf das Fairway kicken zu sehen", schreibt der Sportjournalist Rick Reilly in seinem Buch "Der Mann, der nicht verlieren kann".
Quellen: Reuters, Donald Trump auf Twitter, "Daily Mail", Twitter Archive, Wikipedia, "Die Wahrheit über Donald Trump", "Der Mann, der nicht verlieren kann"