US-Präsident Donald Trump hat erneut den Sieg bei der Präsidentschaftswahl für sich beansprucht und versucht, mit unbelegten Betrugsvorwürfen Zweifel am Wahlprozess zu schüren. Der Republikaner warf den oppositionellen Demokraten bei einer Rede im Weißen Haus am Donnerstagabend (Ortszeit) erneut vor, ihm die Wahl "stehlen" zu wollen: "Wenn man die legalen Stimmen zählt, gewinne ich mit Leichtigkeit. Wenn man die illegalen Stimmen zählt, können sie versuchen, uns die Wahl zu stehlen."
Trump sprach ein Mal mehr von angeblichem "Betrug" bei der Wahl an und bekräftigte, massiv juristisch gegen die Wahlergebnisse in einzelnen Bundesstaaten vorgehen zu wollen. "Das ist der Fall, wo sie versuchen, die Wahl zu stehlen. Sie versuchen, eine Wahl zu manipulieren."
Der Präsident griff insbesondere die Briefwahlen an: "Es ist unglaublich zu sehen, wie diese Briefwahlstimmen so einseitig sind." Trump bezog sich damit auf die Tatsache, dass die Möglichkeit der Stimmabgabe per Post mehrheitlich von Anhängern seines Herausforderers Joe Biden genutzt worden war. Die Demokraten hatten ihre Anhänger wegen der Corona-Pandemie zur Briefwahl ermutigt, außerdem hatten demokratische Wähler Umfragen zufolge mehr Sorgen wegen des Virus als Wähler der Republikaner. Trump hatte dagegen über Monate Stimmung gegen die Briefwahl gemacht und seine Anhänger zur persönlichen Stimmabgabe aufgefordert.
Der älteste Sohn des Präsidenten, Donald Trump Junior, forderte seinen Vater zum "totalen Krieg" auf. "Das Beste für Amerikas Zukunft wäre es, wenn @realDonaldTrump über diese Wahl in den totalen Krieg zieht, um all den Betrug, das Schummeln (...) offenzulegen, das seit viel zu Langem anhält", wetterte Trump Junior auf Twitter. Es sei an der Zeit, "aufzuräumen und nicht mehr auszusehen wie eine Bananenrepublik." fügte der 42-Jährige hinzu. Twitter verbarg die Kurzbotschaft des 42-Jährigen hinter dem Warnhinweis, dass der Inhalt "umstritten und möglicherweise irreführend" sei.
TV-Sender stoppen Live-Übertragung von Trump-Rede
Es sind bislang keinerlei Anzeichen bekannt, die Trumps Anschuldigungen rechtfertigen. Im Gegenteil: Der jetzige Verlauf der Stimmauszählung mit einem starken Beginn für die Republikaner und einer rasanten Aufholjagd für die Demokraten war von Medien und Experten genau so vorhergesagt worden.
Bei seinem Auftritt im Presseraum des Weißen Hauses legte Trump auch keinerlei Belege für seine Betrugsvorwürfe vor. Mehrere Fernsehsender unterbrachen deshalb die Live-Übertragung nach kurzer Zeit, als erstes der Sender MSNBC, der die Notwendigkeit anführte, Falschaussagen des Präsidenten richtigzustellen. Trump selbst verließ den Raum nach etwas über einer Viertelstunde, ohne Fragen von Journalisten zu beantworten.
Der Präsident steht nach der Wahl vom Dienstag mit dem Rücken zur Wand: Er hat derzeit deutlich weniger Möglichkeiten, die für einen Sieg notwendige Anzahl von 270 Wahlleute zu erreichen als sein Herausforderer Biden. Nur in einer Handvoll Bundesstaaten wurde bislang noch kein Sieger ausgerufen, weil die Rennen so eng sind. Dazu zählen Georgia, Pennsylvania und Nevada.
Biden trat am Donnerstag (Ortszeit) ebenfalls vor die Presse. Er sagte dabei, er habe "keine Zweifel", dass er nach Auszählung aller Stimmen die Wahl gewinnen werde. Nach Trumps Äußerungen schrieb Biden auf Twitter: "Niemand wird uns unsere Demokratie wegnehmen."
Trump hatte schon bei seinem ersten Auftritt nach der Präsidentschaftswahl in der Nacht zum Mittwoch den Wahlsieg für sich in Anspruch genommen. Der Republikaner hatte außerdem juristische Schritte gegen die Auszählung von Stimmzetteln bis hin zum Obersten Gericht angekündigt. Sein Wahlkampfteam geht bereits in mehreren Bundesstaaten juristisch gegen die Auszählungen vor.
Maas attackiert Trump
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) äußerte sich besorgt, dass die Auseinandersetzung um die Wahlergebnisse in den USA eskalieren könnte, und übte unverhüllte Kritik an Trump. Die Losung "Sieg oder Wahlabbruch" widerspreche dem Verständnis von einem fairen Wahlvorgang, sagte Maas den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Amerika ist mehr als eine One-Man-Show. Wer in so einer Situation weiter Öl ins Feuer gießt, der handelt selbst unverantwortlich", betonte der Bundesaußenminister. "Anständige Verlierer sind für das Funktionieren einer Demokratie wichtiger als strahlende Sieger", fügte Maas hinzu.