Es gibt nicht viele Spitzenpolitiker, für die Donald Trump öffentlich lobende Worte findet. Die, die zu diesem Kreis zählen, genießen außerhalb des Weißen Hauses aber nur einen bedingt makellosen Ruf: Recep Tayyip Erdogan etwa, Präsident der Türkei, Jair Bolsonaro, rechtsextremer Staatschef Brasiliens oder Xi Jinping, Chinas Machthaber auf Lebenszeit sowie natürlich Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. Letzteren sieht Trump gar als Freund, wie er mehrfach betonte und das dürfte John Robert Bolton schon immer Schauer über den Rücken gejagt haben.
Bislang musste John Bolton nie nachtreten
Bolton, 71 Jahre alt, tummelt sich seit Anfang der 80er Jahre in der Washingtoner Politik herum, drei republikanischen Präsidenten hat er gedient, er machte nie ein Geheimnis daraus, der Darth Vader der US-Außenpolitik zu sein, nie hatte er einen Grund, gegen irgendjemanden nachzutreten. Bis jetzt. Inmitten des Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump druckt die "New York Times" plötzlich Auszüge aus seinem Buch, die den US-Präsidenten reichlich schlecht dastehen lassen. Mit wenigen, kurzen Passagen fällt er Trump in den Rücken, indem er die wesentlichen Vorwürfe gegen ihn bestätigt: Ja, er habe durchaus eine Gegenleistung für die Auszahlung bereits genehmigter US-Militärhilfe verlangt.
Mit diesem wohl nicht zufällig jetzt durchgestochenen Info-Häppchen steigt die Chance der Demokraten, doch noch Zeugen im Senatsprozess vorzuladen, wogegen sich die Republikaner bislang mit Händen und Füßen gewehrt hatten. Das Interesse an einer Aussage von John Bolton ist nun noch einmal gestiegen, obwohl er schon vorher ganz weit oben auf der Wunschliste der anklagenden Opposition stand. Zumal er schon seit Anfang des Jahres für den großen Senatsauftritt bereit sei, wie er erklärte. John Bolton, der als Nationaler Sicherheitsberater anderthalb Jahre im allerengsten Trump-Orbit seine Bahnen zog, scheint noch eine Rechnung mit dem Mann im Weißen Haus offen zu haben.
Eine Paarung, zum Scheitern verurteilt
Von allen skurrilen und unglücklichen Personalien in Trumps Amtszeit gehört die Ernennung Boltons zum Sicherheitsberater wohl zu den unerklärlichsten – auch, weil die Paarung Trump-Bolton von Beginn an zum Scheitern verurteilt war, wie schon allein ein Blick auf die politische Agenda zeigt:
John Bolton stammt aus einer einfachen Familie, Mutter Hausfrau, Vater Feuerwehrmann. Er studierte Jura und arbeitete unter anderem im US-Entwicklungshilfeministerium. Später, als Staatssekretär für Rüstungskontrolle, nahm er an den Abrüstungsverhandlungen mit Nordkorea teil und brüskierte die Teilnehmer, indem der den damaligen Diktator Kim Jong Il, Vater des jetzigen Machthabers Kim Jong Un, beleidigte. Aus seiner tiefsten Abneigung gegen die Kims und deren Regime, hat er auch danach nie einen Hehl gemacht. Das öffentlichen Flirtereien seines späteren Chefs Donald Trumps mit dem aktuellen Kim konnte er nur mit größtmöglichem Unverständnis verfolgen.
Kurz nachdem Bolton im September vergangenen Jahres als Nationaler Sicherheitsberater ging – oder gegangen wurde, je nach Sichtweise, ließ er am Nordkorea- Kurs der USA kein gutes Haar. "Die Idee, dass wir irgendwie maximalen Druck auf Nordkorea ausüben, ist leider nicht wahr", sagte Bolton. Er hätte genauso gut sagen können, dass Donald Trump ein schwafelnder Lügner sei. Nach allem was über das Zerwürfnis zwischen dem US-Präsidenten und seinen Sicherheitsberater bekannt ist, war der Umgang mit Nordkorea einer der größten Dauerkonflikte zwischen den beiden.
Wollte Bolton sein Werk vollenden?
Warum sich der als Hardliner und Falke berüchtigte Bolton überhaupt auf diesen Posten eingelassen hat, ist ohnehin ein Rätsel. Vermutlich betrachtete er sich selbst und sein Werk als unvollendet. Denn obwohl er es ins zweiwichtigste Amt der USA geschafft hat, schaffte er mit seinem Lebensmotto 'Sicherheit schaffen, mit möglichst vielen Waffen' nie den erhofften Erfolg. So war er unter George W. Bush einer der Architekten des Irak-Kriegs, dessen desaströser Ausgang bekannt ist. Auch der Nachbarstaat Iran ist Bolton ein Dorn im Auge. Ebenso wie der inzwischen gekündigte Atomdeal mit Teheran. Gerne und schon länger liebäugelt er mit Militärschlägen gegen das Mullah-Regime. Halb belustigt, halb entsetzt charakterisierte Donald Trump seinen heißspornigen Sicherheitsberater einmal mit den Worten: "John würde am liebsten gegen jeden in den Krieg ziehen."
Damit liegt Trump sicher nicht falsch, was aber umso mehr die Frage aufwirft, warum er jemanden wie Bolton überhaupt in sein Team geholt hat. Denn auch wenn die Außenpolitik des US-Präsidenten keinem nachvollziehbaren Kurs folgt, so hat er bislang alles drangesetzt, militärischen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Es scheint, als sei Trumps Kriegsverweigerung einer der wenigen verlässlichen Konstanten in seiner Politik. Vielleicht hatte Bolton die Willensstärke des US-Präsidenten in dieser Frage einfach unterschätzt. Vielleicht hatte Bolton aber auch einfach die Kraft seiner Überzeugungen überschätzt.
Donald Trump ließ ihn im Regen stehen
Gemeinsamkeiten gab es durchaus. Beide sind Nationalisten, beide haben für Diplomatie keine Geduld. Beide teilten die Ansicht, dass das Atomabkommen mit dem Iran ein schlechter Deal sei. Dass die Vereinten Nationen in der aktuellen Verfassung überflüssig seien. Oder dass Amerika wieder zu alter Stärke zurückkehren müsse. Kraftmeierei und Hegemonialstreben inklusive.
Trumps Ruf ins Oval Office war seine allerletzte Chance, zu zeigen, dass er Recht hatte. Doch der US-Präsident ließ seine kaum durchdachte Personalie – wie die allermeisten anderen auch – einfach im Regen stehen.
Das könnte sich rächen, wenn Bolton, so wie es derzeit aussieht, nun zum Rachefeldzug gegen den Präsidenten bläst. Das sein erster Angriff gesessen hat, zeigt ein pikierter Tweet Trumps. Darin beklagt er sich darüber, warum Bolton damals eigentlich geschwiegen habe?