Schweigegeld-Urteil Donald Trumps Prozess-Schmach schmälert seine Wahlchancen – aber nur wenig

Donald Trump Bronx Wahlkampf
Bis zur Verkündung des Strafmaß am 11. Juli kann Donald Trump mittelverdrossen Wahlkampf machen
© Zuma Press / Action Press
Es ist das erste Urteil gegen Donald Trump, und vermutlich auch das einzige vor der US-Wahl im November. Einfluss auf die Entscheidung über den nächsten Präsidenten könnte es nur dann haben, wenn das Rennen eng wird.

Die ersten Reaktionen auf das Urteil im Schweigegeldprozess gegen Donald Trump erinnerten einmal mehr daran, dass in der Schwarzweiß-Welt des US-amerikanischen Kulturkampfs kein Platz für Zwischentöne ist. "Werden die Wähler Trump im November aus Abscheu gegen diesen erfundenen Fall trotzdem wählen?", fragte etwa das Wirtschaftsblatt "Wall Street Journal" mit der nonchalanten Unterstellung, dass dieser Prozess ohnehin ein abgekartetes Spiel gewesen sei. 

Auf der anderen Seite: Triumphgeheul. "Boom" twitterte der demokratische Senator Sheldon Whitehouse, ganz so, als würde der New Yorker Schuldspruch das Ende von Trumps Präsidentschaftsambitionen einläuten. US-Präsident Joe Biden wählte die Variante Seitenhieb à la Staatsmann und sagte: "Ob verurteilter Verbrecher oder nicht", es werde nur eine Möglichkeit geben, Trump "aus dem Oval Office zu vertreiben: an der Wahlurne".

Hieven Richter Trump aus dem Präsidentschaftsrennen?

Schon mit Beginn der Anklageflut gegen den Immobilienmagnaten klatschten seine Gegner vorfreudig in die Hände, weil sie hofften, der Republikaner würde per Gerichtsurteil aus dem Rennen ums Weiße Haus verschwinden. Doch daraus dürfte nichts werden. 

Schon allein deshalb, weil von den insgesamt vier Klagen gegen den Ex-Präsidenten nur die aktuelle wegen Vertuschung einer Schweigegeldzahlung zur Verhandlung kam. Die anderen drei werden, wenn sie überhaupt einer Prüfung vor dem Verfassungsgericht standhalten, erst nach der Wahl am 5. November beginnen. 

Doch davon abgesehen sind die Fronten ohnehin klar. Einer Umfrage des öffentlichen US-Senders NPR am Tag des Schweigegeldurteils zufolge, steht die Wahlentscheidung für zwei Drittel der Befragten fest – auch im Fall eines Schuldspruchs. Das Ergebnis bestätigt im Wesentlichen, was Donald Trump einmal vor acht Jahren sehr selbstbewusst so ausgedrückt hat: "Ich könnte auf der 5th Avenue jemanden erschießen und würde keine Wähler verlieren." 

Rechte radikalisieren sich weiter

Nicht nur für die "Make-America-Great-Again"-Fraktion, den treuesten aller treuen Trump-Fans, sind die Klagen gegen Donald Trump eine vom Weißen Haus orchestrierte "Hexenjagd", um seine Präsidentschaftskandidatur zu sabotieren. Ungeachtet aller Beweise glauben sie an einen "Deep State", einem Staat im Staat, der im Geheimen die Geschicke der USA lenkt, Gerichtsprozesse manipuliert und Wahlen fälscht. 

"Da war ihm nicht mehr nach Lachen zumute": stern-Reporter schildert Moment von Trumps Verurteilung
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"Da war ihm nicht mehr nach Lachen zumute": stern-Reporter schildert Moment von Trumps Verurteilung

Nach dem New Yorker Schuldspruch braut sich die nächste Radikalisierungsstufe zusammen. Auf den einschlägigen rechten Social-Media-Plattformen wie "Gateway Pundit" oder Trumps "TruthSocial" sind unverhohlene Mord- und Aufstandsphantasien zu lesen: "Jemand in New York, der nichts zu verlieren hat, muss sich um Merchan (der zuständige Richter im Prozess, d.Red.) kümmern", heißt es etwa. Oder: "1.000.000 bewaffnete Männer müssen nach Washington gehen und alle aufhängen. Das ist die einzige Lösung."

Amerikaner haben ihre Wahl schon lange getroffen

So erschreckend solche militanten Töne auch klingen, noch sind eine kleine Minderheit auf der rechtskonservativen Seite der USA. Allerdings haben es auch schon andere, anfänglich bizarre Verschwörungstheorien in die Mitte der Republikaner geschafft. So glaubt zwei Drittel von ihnen mittlerweile, dass Donald Trump 2020 die Wahl "gestohlen" wurde, und Joe Biden zu Unrecht im Weißen Haus sitzt. Auch diese Amerikaner haben ihre Wahl bereits vor der Urteilsverkündung getroffen.

Genaugenommen bewegt sich die Abstimmungsfront seit Jahren kaum noch: die eine Hälfte des Landes würde und wird Joe Biden als Präsidenten wiederwählen, die andere steht unverbrüchlich an der Seite Donald Trumps. Letzterer liegt in den Umfragen mit kleinem Abstand vorne, vermutlich wird es im November also auf ein äußerst knappes Rennen hinauslaufen, in dem wenige tausend Stimmen über den Ausgang entscheiden könnten. Deshalb könnte der Schuldspruch vielleicht doch noch wahlentscheidend werden. 

Donald Trump führt vor Joe Biden

Denn in den Umfragen haben zwischen 17 bis 20 Prozent der Befragten angegeben, vielleicht doch nicht für Trump stimmen zu wollen, wenn die New Yorker Geschworenen den gebürtigen New Yorker für schuldig befinden sollten. Die Bereitschaft, die Wahl zu überdenken, ist umso ausgeprägter, je weniger weiß die Menschen sind und umso weniger sie verdienen. Ob diese Wechselwähler aber tatsächlich zum Zünglein an der Waage werden, hängt davon ab, wo sie leben. 

In Trumps demokratisch geprägten Heimatstaat New York bekommen die Republikaner genauso wenig eine Mehrheit, wie im konservativen Texas die Demokraten eine Siegeschance haben – ganz gleich, ob ein paar Abtrünnige die Seiten wechseln sollten. Im US-Wahlsystem wird die Präsidentschaft von einer Handvoll Bundesstaaten entschieden, und auch dort in nur wenigen umkämpften Wahlkreisen. 2020 waren es keine 50.000 Wähler in Arizona, Wisconsin und Georgia, die Joe Biden zum Präsidenten gemacht haben. 

Diese drei Staaten sowie Michigan, Pennsylvania und Nevada könnten auch dieses Jahr wieder wichtig werden. Trump führt bis auf Wisconsin in Umfragen so deutlich, dass er auf ein paar wegen des Prozesses enttäuschte Wähler locker wird verzichten können. Bislang.

Quellen: DPA, Reuters, PRRI.org, "New York Times", Yahoo, CNBC, Fox News, NPR