EU-Diäten "Dreiste Selbstbedienung"

Die Mitglieder des Europaparlaments bemühen sich seit Jahren um eine Anpassung ihrer Saläre, die im Extremfall um gut 8000 Euro auseinanderklaffen. Spitzenverdiener sind die Italiener, die Deutschen liegen im oberen Mittelfeld.

Anna Karamanou fühlt sich ungerecht behandelt. Als Abgeordnete im Europaparlament macht die Griechin dieselbe Arbeit wie ihre Kollegen aus Deutschland, Österreich oder Italien. Sie wird dafür aber deutlich schlechter bezahlt. "Wir bekommen dieselben Diäten wie unsere Kollegen in den jeweiligen nationalen Parlamenten. Das führt zu einer großen Ungleichheit bei den Bezügen der Europaabgeordneten", sagt die Sozialistin.

Die Mitglieder des Europaparlaments bemühen sich seit Jahren um eine Anpassung ihre Saläre, die im Extrem um gut 8000 Euro auseinanderklaffen. Im Gespräch sind Bezüge von 9000 Euro im Monat. Doch die dafür nötige Verabschiedung eines neuen Statuts droht im Ministerrat am deutschen Veto zu scheitern. Grund für die vorgesehene Erhöhung ab Juni ist die seit Jahresbeginn wirksame Anhebung der Gehälter für EU-Beamte. Die künftig einheitlichen Diäten sollten nämlich an das Gehalt eines Richters am EU-Gerichtshof gekoppelt werden - ein Vorgehen, das Experten kritisieren.

"Durch die Koppelung an die Richtergehälter würden die Abgeordnetendiäten auch in Zukunft automatisch und von der Öffentlichkeit unbemerkt" steigen, erklärt der Diäten-Experten Hans Herbert von Arnim von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Wieder war es der umtriebige Parteienkritiker von Arnim, der die Merkwürdigkeiten als Erster aufdeckte und die Autoren als Meister der Verschleierung enttarnte. Auf knapp 20 Seiten hat der Professor notiert wie das Täuschungsmanöver funktionierte. Von Armin fordert den EU-Ministerrat auf, den neuen Diätenvorstoß abzulehnen und die "dreiste Selbstbedienung" zu stoppen. Die Regelung verstößt auch gegen das Transparenzgebot des Grundgesetzes.

Italiener sind Spitzenverdiener

Spitzenverdiener im EU-Parlament sind die Italiener mit Bruttodiäten von 10 974 Euro im Monat, die Deutschen liegen mit 7009 Euro im oberen Mittelfeld, während Spanier nur 2618 Euro bekommen. "Ich finde die ungleiche Bezahlung für Spanier unwürdig. Als Mutter von vier Kindern, die ständig zwischen Spanien, Brüssel und Straßburg hin und her reisen muss, kann ich damit wenig anfangen", klagt Barbara Dührkop. Die Sozialistin aus dem spanischen Baskenland ist allein erziehend. Ihr Mann war vor knapp 20 Jahren bei einem Anschlag der baskischen Untergrundorganisation ETA getötet worden.

Für die Vorwürfe aus Deutschland, die deutschen Europapolitiker wollten sich durch das Statut in Zeiten leerer Kassen bereichern, hat die in Hannover geborene Dührkop kein Verständnis. "Hinter der Debatte in Deutschland steckt einfach nur Politikerhass." Mit der Frage nach Gerechtigkeit habe die Diskussion nichts zu tun.

In Spanien seien die Diäten für Politiker so niedrig, dass guter Nachwuchs selten sei. Die Leute gingen lieber in die Wirtschaft. Und bei Europaparlamentariern kämen wegen der vielen Reisen obendrein die Ausgaben für Hotels und Restaurants oder für die doppelte Haushaltsführung dazu. Die 250 Euro Tagegeld, die das Parlament ihnen zur Verfügung stelle, reichten nicht aus.

"Goldgrube" Reisekostenabrechnung

Andererseits müssen sich die Euro-Politiker den Vorwurf gefallen lassen, dass sie sich über ihre Reisekostenabrechnung eine goldene Nase verdienen. Ihre Flugreisen werden ohne Beleg erstattet - mit einer Pauschale, die leicht über den Ticket-Preisen für die erste Klasse liegen. Tatsächlich nutzen die meisten Parlamentarier nach Möglichkeit aber weitaus preiswertere Billigangebote.

Die finnische Konservative Marjo Matikainen kann den Vorwurf nachvollziehen. Andererseits hebt sie die Mehrbelastung durch ständiges Reisen hervor. "Ich fliege jede Woche zwischen Finnland und Brüssel oder Straßburg hin und her. Ich habe zu Hause zwei Kinder, die ich an den Wochenenden sehen will", sagt die 38-Jährige. Mit dem Statut wollten die Abgeordneten dieses System ändern. "Es ist doch verrückt, wenn wir die billigsten Tickets kaufen und die Differenz zur Pauschale steuerfrei kassieren", betont die Finnin Piia-Noora Kauppi von der EVP.

"Opfer bringen aus Solidarität"

Doch nicht nur die Niedrigverdiener unter den Abgeordneten empfinden das geltende System als ungerecht. Der italienische Liberale Paolo Costa sagt: "Ich würde mit der geplanten Diäten-Regelung zwar weniger verdienen, aber aus Gründen der europäischen Solidarität könnte ich dieses Opfer bringen."

DPA
Harald Schmidt