VG-Wort Pixel

Er kam als Erneuerer ... Die Akte Grindel: Selbstbedienung, Eiertanz und Rolle rückwärts

Knapp drei Jahre war Reinhard Grindel Präsident des größten Sportverbandes der Welt. Erneuern wollte er den DFB – intern und auch in der Außendarstellung. Vor allem Letzteres ist gründlich misslungen. 

Hinweis: Dieser Artikel wurde nach der Rücktrittserklärung Reinhard Grindels aktualisiert.

Es waren dann wohl doch zu viele Vorwürfe. Reinhard Grindel ist  vom Amt des DFB-Präsidenten zurücktreten. Von der Position, die er seit dem 15. April 2016 bekleidete.

255 Delegierte des DFB-Bundestags machten mit ihren Stimmen Reinhard Grindel zum neuen Mann an der Spitze des größten Sportverbandes der Welt. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Grindel startete mit reichlich Vorschusslorbeeren in sein Amt. "Vertrauenswürdig" sei er, ließ etwa DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler wissen. Er sei die richtige Wahl, um nach den zahlreichen Skandalen wieder Ruhe in den DFB zu bringen, sagte Bundestrainer Joachim Löw über seinen neuen Vorgesetzten.

Und auch Grindel selbst setzte hohe Anforderungen an sich und seine Amtsführung. In der Antrittsrede sprach er von "zukunftsweisenden Konzepten", die er erarbeiten wolle, von einem "Zusammenhalt zwischen der Elite des Fußballs und unserer Basis". Kurz: "Wir brauchen 'Fairplay' und wir brauchen Integrität." Dazu sei es nötig, "alles zu vereinen: die sportlichen Erfolge, das äußere Erscheinungsbild, aber eben auch die inneren Werte".

Reinhard Grindel und seine Fehltritte als DFB-Präsident

Jetzt, knapp drei Jahre später, ist Reinhard Grindel an der Aufgabe gescheitert. Es wurde zuletzt immer deutlicher, dass der 57-Jährige seinen eigenen hohen Anforderungen offenbar nicht gerecht werden konnte. Den mangelnden "sportlichen Erfolg", insbesondere das desaströse Abschneiden der Nationalelf bei der WM in Russland, konnte Grindel wohl am wenigsten vorgeworfen werden. Wenn es aber um das "das äußere Erscheinungsbild" und "die inneren Werte" ging, gab Grindel vor allem in den vergangenen Monaten eine mehr als unglückliche Figur ab: Der DFB wirkte weiter wie ein Selbstbedienungsladen für seine Funktionäre, die Außendarstellung des Verbandes und seines Präsidenten erschien, um es vorsichtig zu sagen, äußerst unüberlegt.

Eine Auswahl der Fehltritte:

  • Reinhard Grindel und der Selbstbedienungsladen DFB: Anfang Februar berichtete der "Spiegel", dass der DFB über Jahre hinweg seine Gemeinnützigkeit gefährdet habe. Grund dafür seien die Finanzierung von Fernreisen seiner Funktionäre und Zuschüsse zu privaten Feiern. Einige der Vorfälle stammten aus der Zeit von 2013 bis 2016, als Grindel Schatzmeister des Verbandes war. So habe der DFB laut "Spiegel" während der WM 2014 in Brasilien für eine vor Ort abgehaltene Präsidiumssitzung 370.848 Euro ausgegeben. Der Verband dementierte die Höhe der Reisekosten. Es seien unter Einbeziehung aller darin enthaltenen Kosten, Hotelbuchungen, Flüge und der besonderen Konstellation WM-Finale tatsächlich 287.304,35 Euro abgerechnet worden.
  • Reinhard Grindel und der Eiertanz im Fall Özil: "In den Augen von Grindel und seinen Unterstützern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, aber ein Migrant, wenn wir verlieren." Mit schweren Vorwürfen gegen den DFB-Präsidenten verabschiedete sich Mesut Özil nach dem WM-Aus aus der Nationalmannschaft. Vorausgegangen waren wochenlange Diskussionen um ein Foto des Nationalspielers mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. In ihr versäumte es der DFB-Präsident wochenlang, klar Position zu beziehen und redete die Affäre klein. Zu den rassistischen Anfeindungen gegen Mesut Özil fiel ihm wenig ein, stattdessen müsse sich der Weltmeister von 2014 erklären, "wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt", ließ Grindel verlauten. Es folgte heftige Kritik am Krisenmanagement des DFB-Präsidenten.
Links steht DFB-Präsident Reinhard Grindel an einem Rednerpult, rechts steht Mesut Özil in DFB-Trainingsjacke auf dem Platz
  • Reinhard Grindel und die Rolle rückwärts: Anfang März schasste Bundestrainer Joachim Löw die Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng – eine Entscheidung, über die man sicherlich streiten kann, die jedoch nicht Grindels Aufgabenbereich betreffen. Dennoch schaffte es der DFB-Präsident auch in diesem Fall, eine unglückliche Figur abzugeben. In einer ersten Erklärung begrüßte er, "dass Jogi Löw den Umbruch unserer Nationalmannschaft jetzt weiter entschlossen voranbringt". Der Zeitpunkt für die personellen Veränderungen sei genau richtig. Nur wenige Tage später folgte dann doch Kritik am Nationaltrainer: "Ich glaube, dass es klug gewesen wäre (...) am Tag der Entscheidung, im Rahmen einer Pressekonferenz persönlich einerseits die Wertschätzung für die Spieler deutlich zu machen, andererseits der Öffentlichkeit zu vermitteln, warum man jetzt einen anderen Weg gehen will, so überzeugend wie er das in seiner Pressekonferenz gemacht hat", sagte Grindel etwas kompliziert in einem ZDF-Interview. Dann folgte die nächste Kehrtwende. Seine Worte hätten einen falschen Eindruck hinterlassen, sagte er.
  • Reinhard Grindel und die Dünnhäutigkeit im Deutsche-Welle-Interview: "Herr Grindel", "Herr Grindel", "Herr Grindel" – ganze sieben Mal appellierte Florian Bauer, Journalist der Deutschen Welle, in einem Interview Mitte März, an den DFB-Präsidenten, zu bleiben. Dieser war kurz zuvor während des Gesprächs aufgestanden und hatte sich des Mikrofons entledigt: Offenkundig missfielen ihm die Fragen des Reporters zu einem angeblichen 25-Milliarden-Dollar-Deal im Zusammenhang mit möglichen Rechten für eine Klub-WM. Grindel wurden daraufhin eine unsouveräne Reaktion und mangelnde Kritikfähigkeit vorgeworfen.
DFB-Präsident Reinhard Grindel bricht Interview ab
  • Reinhard Grindel und der lukrative Nebenjob: In der vergangenen Woche enthüllte der "Spiegel", dass Grindel von Juli 2016 bis Juli 2017 als Aufsichtsratsvorsitzender der ominösen DFB-Medien Verwaltungs-GmbH 78.000 Euro kassiert haben soll, für die Teilnahme an zwei Sitzungen im Jahr und zusätzlich zu seinen monatlichen Einkünften von 14.400 Euro als DFB-Präsident und 500.000 Euro im Jahr für seine Ämter in Fifa und Uefa. Er habe bei seiner Wahl zum DFB-Präsidenten nichts verschwiegen, habe Grindel laut "Spiegel" beteuert. Schließlich saß er zu dem Zeitpunkt auch noch nicht in dem Aufsichtsrat der DFB-Tochterfirma.
  • Reinhard Grindel und die Luxusuhr: Der vorläufige Schlusspunkt in der Reihe der Grindelschen Fehltritte ist die Luxusuhr-Affäre, die die "Bild"-Zeitung am Montagabend ins Rollen brachte. Grindel habe, so der Bericht, von seinem Kollegen in der Uefa-Exekutive, dem ukrainischen Oligarchen Grigori Surkis, eine teure Uhr geschenkt bekommen und nicht beim DFB gemeldet. Ihr Wert: laut Bericht "im niedrigen fünfstelligen Bereich", laut Grindel: 6000 Euro. Ein Verstoß gegen die Compliance-Richtlinien des Verbandes? Er habe sie als privates Geschenk eines Freundes angesehen, während Grindels Büro ihm geraten haben soll, die Uhr zurückzugeben, schreibt die "Bild".

Die Kritik an Grindel wuchs nach der Reihe der (möglichen) Eskapaden. "Wenn man in solch einer Position ist und solche Dinge ans Licht kommen, sollte man zumindest Argumente haben, um sie so schnell wie möglich beiseite zu räumen", erklärte zum Beispiel Rekordnationalspieler Lothar Matthäus zum Uhren-Geschenk. "Beim DFB wird aber schon einmal gerne zu lange rumgeeiert." Andreas Rettig, Geschäftsführer beim Zweitligisten FC St. Pauli, ging verbal auf Distanz: "Das Erscheinungsbild des DFB ist schon seit längerer Zeit verbesserungswürdig." Und auch Uwe Seeler hat sich zu Wort gemeldet: "Ich kann da leider nicht dran basteln, aber schön ist es nicht."

Grindel selbst äußerte sich am Montag zunächst nicht zu den Vorwürfen – am Dienstagmittag zog er dann die Reißleine, erklärte seinen Rücktritt und zeigte Einsicht: "Ich entschuldige mich dafür, dass ich durch mein wenig vorbildliches Handeln in Zusammenhang mit der Annahme einer Uhr Vorurteile gegenüber haupt- oder ehrenamtlich Tätigen im Fußball bestätigt habe."

Ligapräsident Reinhard Rauball und Vizepräsident Rainer Koch werden vorerst die Geschäfte beim DFB übernehmen. Dies gelte bis zum DFB-Bundestag im September, so der Verband.

+++ Lesen Sie auch den stern-Kommentar: "Grindel-Rücktritt: Er wurde als Heuchler enttarnt – und hat auf ganzer Linie versagt" +++

Quellen: Antrittsrede Reinhard Grindel, Uwe Seeler und Joachim Löw über Grindel, "Bild" (kostenpflichtiger Inhalt), "Spiegel", Deutsche Welle, ZDF, Nachrichtenagentur DPA

Mehr zum Thema

Newsticker