Zwei Tage nach der Einigung auf ein Rettungspaket für Zypern hält die Debatte über das Krisenmanagement der Eurozone weiter an. Wirtschaftsexperten äußerten sich kritisch zum Zustand des Währungsverbunds.
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger übte scharfe Kritik am Rettungspaket für Zypern. "Die Signalwirkung für den Rest des Euro-Raums ist fatal. Das ist quasi ein Aufruf an die Anleger, ihr Geld abzuziehen, sobald sich auch nur die geringsten Probleme bei ihrer Bank zeigen", sagte Bofinger der "Passauer Neuen Presse". Die Verunsicherung der Anleger werde wachsen.
Bofinger kritisierte auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem, der betont hatte, künftig würden zunächst Banken selbst und Großanleger angesprochen. "Die Äußerungen von Jeroen Dijsselbloem waren mehr als fahrlässig", sagte Bofinger. Einlagen bei Banken müssten zu hundert Prozent sicher sein. Sonst funktioniere das Bankensystem nicht.
Das Beispiel Zypern dürfe auf keinen Fall Schule machen: "Jeder, der politisch Verantwortung trägt, sollte jetzt deutlich machen, dass Zypern ein Sonderfall war", sagte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
"Zypern ist ein Spezialfall"
Womöglich haben Anleger in Zypern tatsächlich vor der Bankenschließung im großen Stil Geld abgezogen. Der zyprische Parlamentspräsident Giannakis Omirou will den Verdacht prüfen, wonach es ungewöhnlich hohe Geldüberweisungen ins Ausland sowie größere Bargeld-Abhebungen gegeben haben soll.
Omirou forderte eine Liste mit Überweisungen der vergangenen Wochen an. Zudem untersucht die Regierung in Nikosia, ob auch hohe Summen ins Ausland transferiert wurden, als die Banken bereits geschlossen hatten und das Online-Banking gesperrt war.
Führende Politiker der Unionsfraktion im Bundestag wandten sich gegen eine generelle Beteiligung reicher Sparer an der Rettung angeschlagener Banken im Euroraum.
"Das Modell Zypern lässt sich nicht einfach eins zu eins auf ganz Europa übertragen, Zypern ist ein Spezialfall", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf. In Zypern gehe es nicht um eine einzelne Bank, sondern um einen übergroßen Bankensektor, der schrumpfen müsse.
"Was in Zypern geschieht, ist besonders und einmalig"
Auch der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Norbert Barthle (CDU), lehnt eine Übertragung des zyprischen Falls auf die EU ab. "Ich habe größte Bedenken, das Vorgehen in Zypern zum Modell für ganz Europa zu machen, das könnte das Bankensystem in Europa nicht verkraften", sagte er der Zeitung.
Frankreichs Präsident François Hollande unterstrich bei einer Pressekonferenz mit dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy in Paris, die Einlagensicherung sei ein "unbedingtes Prinzip". Was in Zypern geschehe, sei "besonders und einmalig", sagte er. Ähnlich äußerte sich Rajoy.
Die Finanzminister der Eurozone hatten am Montag beschlossen, Zypern Hilfen von bis zu zehn Milliarden Euro zu gewähren. Zugleich soll der Bankensektor des Landes umstrukturiert werden. Zudem ist ein Abschlag auf Bankguthaben von mehr als 100.000 Euro bei der marktführenden Bank of Cyprus vorgesehen. Am Donnerstag sollen in Zypern die Banken wieder öffnen. Um einer umfassenden Kapitalflucht vorzubeugen, sind Abhebungen aber auf 100 Euro pro Tag begrenzt. Auch am Dienstag demonstrierten in der Hauptstadt Nikosia wieder zahlreiche Menschen gegen das Rettungspaket, unter ihnen Schüler und Bankangestellte.
"Unter der Oberfläche brodelt noch vieles"
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder (CDU), wandte sich indes gegen Kritik aus Zypern an der Bundesregierung. "Deutschland entscheidet ja nicht allein in Europa", sagte er der "Rheinischen Post" und betonte: "Eine Rettung zum Nulltarif kann niemand erwarten."
Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker sagte dem "General-Anzeiger" aus Bonn, nun aufkommende Nationalismen und Ressentiments zeigten, "wie fragil die europäische Konstruktion trotz der Erfolge der vergangenen Jahrzehnte ist". Er habe "immer vermutet, dass unter der Oberfläche noch vieles brodelt".
Der US-Ökonom Adam Posen prognostizierte in der "Welt", dass Spanien oder Irland noch vor dem Jahresende Unterstützung aus dem Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank beantragen müssten. Die Wahrscheinlichkeit für einen Antrag eines der beiden Länder bezifferte er auf 80 Prozent.