Familienministerin Köhler "Sie ist eine Macherin"

Birte Christ kennt Kristina Köhler seit der Grundschule. Im stern.de-Interview spricht sie über ihre Freundschaft zur neuen Bundesfamilienministerin, der gemeinsamen Jugend und den politischen Anfängen in der Jungen Union.

Frau Christ, Ihre beste Freundin Kristina Köhler ist mit 32 Jahren Familienministerin geworden. Glauben Sie, dass sie irgendwann Angela Merkel beerben wird?
(lachend) Wenn sie jetzt gleich Kanzlerin wird, was kommt denn danach? Es muss ja noch Luft nach oben gehen. Außerdem hoffe ich, dass diese Regierung bald abgewählt wird.

Obwohl Ihre Freundin Ministerin dieser Regierung ist?
Ja, unsere politischen Standpunkte waren schon früher fast immer gegensätzlich.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Da wäre die Hauptstadtfrage, Bonn oder Berlin. Ich war damals dafür, dass man im beschaulichen Bonn bleibt und sich diesen ganzen Milliardenaufwand für den Umzug spart. Kristina war natürlich für Berlin. Wir haben uns auch ziemlich über den Paragrafen 218 gestritten. Ich war der Ansicht: "Mein Bauch gehört mir" und jede Frau soll machen dürfen was sie will. Kristina war da ganz auf CDU-Linie.

Haben Sie sich schon immer über Politik unterhalten?
Die politische Diskussion gehörte bei uns schon in der Jugendzeit dazu. So wie das Gespräch über das vergessene Schulbrot oder die verlorene Busfahrkarte. Auf den Schulwegen haben wir immer diskutiert und uns teilweise sogar richtig angeschrien. Es ging darum auszuloten, warum jemand bestimmte Standpunkte vertritt. Wir wollten verstehen, warum die andere anders denkt als man selber.

Erinnern Sie sich noch an ihre erste Begegnung mit ihr?
Ja, es war am 24.8.1984. An dem Tag wurden wir zusammen eingeschult. Wir hatten uns noch nie vorher gesehen, saßen aber vom ersten Tag an zusammen. Zunächst an einem Vierertisch. Ich saß da mit meiner Freundin Maike und Kristina mit ihrer Freundin Joni. Es waren zwei Fronten. Die beiden hatten rosa an und wir beide waren eher in rot gekleidet. Kristina hat fast immer pink getragen. Das war ein Statement. Sie hat schon damals auf ihre Kleidung geachtet und war schon damals eine Persönlichkeit.

Waren Sie sich gleich sympathisch?
Nein, eigentlich konnten wir uns nicht besonders leiden. Trotzdem waren wir immer bei den Geburtstagsfeiern der jeweils anderen eingeladen. Legendär waren die Faschingspartys bei Köhlers. Bei einem dieser Feste war sie ganz in pink als Prinzessin gekleidet - und ich als roter Teufel. Das Farben-Gegenüber rot gegen pink hat uns also begleitet. Im Gymnasium haben wir uns auch total unterschiedlich angezogen: Während die meisten Klassenkameraden Jeans und T-Shirt trugen, hat Kristina Rock und Bluse oder Sakko getragen. Ich fand das immer ziemlich daneben. Ich habe mich ökologisch bewusst gekleidet, gesunde Schuhe, Batik-Schals und Öko-T-Shirts.

Wann haben sich Öko-Tante und Business-Mädchen miteinander angefreundet?
Im Gymnasium. Kristina hat uns am ersten Tag gleich Plätze gesichert. Sie hat ihren Ranzen auf einen Tisch in der zweiten Reihe geschmissen. Taktisch war das ein super Platz. Man saß relativ weit vorne, wirkte also nicht so, als würde man sich nicht für den Unterricht interessieren. Aber man saß auch nicht direkt vor dem Lehrer. Ich habe mich aber sehr darüber aufgeregt. Mir war das echt peinlich. Ich dachte: So was macht man nicht, sich da so nach vorne zu drängeln.

Kristina Köhler scheint genau zu wissen, was sie will.
Ich warte eher vorsichtig im Hintergrund. Kristina ist der Typ, der vorprescht. Sie ist sehr zielstrebig. Sie ist eine Macherin. Sie ist Politikerin geworden, während ich heute Wissenschaftlerin bin.

Wer war in der Schule besser?
Ich war immer Klassenbeste, Kristina aber nur ganz knapp dahinter. Während ich im Lateintest null Fehler gemacht habe, hatte Kristina einen Fehler, aber beide die Note eins. Es gab immer eine kleine Konkurrenz zwischen uns. Das gehört auch dazu, denn ohne Konkurrenz wäre es witzlos, man wird nicht besser.

Waren Sie beide immer brav, oder haben Sie auch mal Lehrer und Mitschüler geärgert?
Wir haben schon gerne gelästert, haben aber immer probiert herauszufinden: Wie kann sich so jemand bloß so verhalten - warum sind die Menschen so, wie sie sind? In der neunten Klasse haben wir mal probiert, Tickets für ein Nena-Konzert zu gewinnen. Eine Stadtzeitung hat zwei Tickets verlost, man musste aber um Punkt 12 Uhr bei der Zeitung anrufen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt Physik-Unterricht. Ich habe so getan, als sei mir furchtbar schlecht und habe gefragt, ob ich mal aufs Klo dürfte. Ich habe den Lehrer auch gebeten, dass Kristina mitgehen darf, um mich zu betreuen. Wir sind dann kurz vor 12 aus dem Klassenzimmer und haben vom Telefon im Schulgebäude bei der Zeitung angerufen. Leider haben wir die Tickets nicht bekommen. Es ist aber wohl aufgefallen, denn mein Vater wurde von dem Lehrer mal darauf angesprochen.

Haben Sie mit Kristina Köhler auch außerhalb der Schule viel gemeinsam gemacht?
Nein, da waren wir wenig zusammen, denn wir waren beide mit unseren Hobbys beschäftigt. Während ich mich in der Kirche engagiert habe, hat Kristina viel Klavier gespielt und war dann später mit der Parteiarbeit in der Jungen Union ausgelastet. Wir haben aber mal zusammen Rhönrad-Turnen ausprobiert. 1989 waren wir ein halbes Jahr beim TuS Wiesbaden. Am Tag des Mauerfalls haben wir aber wieder aufgehört.

Warum denn das?
Wir waren zweimal zuvor schon nicht hingegangen, weil es uns irgendwie nicht ganz geheuer war. Am 9. November saßen wir natürlich mit unseren jeweiligen Familien vor dem Fernseher und gingen wieder nicht zum Rhönrad. Damit war die Sache beendet.

Welchen Einfluss hatte die deutsche Wiedervereinigung auf Kristina Köhler?
In Kristinas Familie wurde auch schon vor 1989 immer über die deutsche Einheit gesprochen und diese als Ziel angesehen. Mir war die deutsche Trennung bis 1989 nie wirklich ein Begriff, die deutsche Einheit war mir kein inneres Anliegen. Die Geschehnisse 1989 und 1990 waren für uns beide die erste richtige Begegnung mit der Politik. Wir haben gemerkt, dass uns politische Entscheidungen selber betreffen und man mit eigenem Engagement auch etwas bewegen kann. Damals wurde uns aber auch zum ersten Mal bewusst, dass uns parteipolitisch viel unterscheidet. Denn während es bei meiner Familie in Gesprächen über Kohl manchmal hieß: "Dieser Idiot, was macht der denn da?" hat Kristina seitdem die Politik und die Person Kohl sehr bewundert. Das war auch der Hauptgrund, warum sie dann später in die CDU eingetreten ist.

Wann war das?
Kristina wollte seit 1989 in die Junge Union eintreten. Sie war aber noch zu jung. Pünktlich zu ihrem 14. Geburtstag am 3.8. 1991 hat sie es dann gemacht.

Und alles nur wegen Helmut Kohl?
Nein, Kristina wollte nicht mehr nur über Politik reden, sondern mitmachen und an dem Projekt Deutsche Einheit mitarbeiten.

Hatten Sie denn niemals ähnliche politische Ansichten?
Kaum. Mit jedem Schritt, den Kristina in der öffentlichen Politik gemacht hat, wurde mir bewusster, dass ich das meiste inhaltlich nicht so toll fand. Wir haben dann aber weniger über einzelne politische Maßnahmen gestritten, sondern über die politische Kultur, den Ton. So war mir zum Bespiel dieser Roland Koch immer schon ein Dorn im Auge. Vor allem seine Rote-Socken-Kampagne. Sie hielt Roland Koch schon damals für einen sehr fähigen Politiker und hat diese Kampagne auch verteidigt. Für einen fähigen Politiker halte ich Roland Koch übrigens auch - nur wie Kristina eben leider für die falsche Partei.

Hat Ihre Freundin mal versucht, Sie in die CDU zu locken?
Sie hat mich weder gebeten, im Wahlkampf mitzuhelfen, noch versucht, mich davon zu überzeugen, in ihre Partei einzutreten. Während Kristina immer mehr Zeit bei der JU verbrachte, dachte ich mir: Ne, so viel Zeit würdest du in so etwas nie stecken. Es hat mich aber schon beeindruckt, mit welcher Ausdauer und mit welchem Ehrgeiz sie das alles gemacht hat. Vom Aufstellen von Wahlplakaten bei Regen und Schnee bis hin zu endlosen Sitzungen.

Hat sie schon damals gesagt, dass Politik für sie auch ein Berufswunsch ist?
Wann genau Kristina die Politik auch als Beruf gesehen hat, weiß ich nicht mehr genau. Als lebenslanges Projekt - ob haupt- oder nebenberuflich - existierte es aber schon immer. Sie hat am Anfang des Studiums bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Praktikum gemacht. Da musste sie sich aber irgendwann entscheiden: Journalismus oder die Partei. Am Ende unseres Studiums hatten wir dann eigentlich beide dasselbe Ziel: Wir wollten Professorinnen werden und lehren und forschen. Mit dem Bundestagsmandat kam dann für Kristina alles anders…

Jetzt ist sie Ministerin. Wie haben Sie von der Berufung erfahren?
Ich habe an dem Tag mehrfach probiert sie zu erreichen, ich wollte mal wieder mit ihr reden. Ihr Handy war aber besetzt. Ich habe mich schon gewundert. Um 17 Uhr haben mich dann meine Eltern angerufen - während ich gerade mit einem Installateur sprach, der einen Boiler bei mir installieren sollte. Meine Mutter sagte: Deine Freundin wird Bundesfamilienministerin.

Was haben Sie gedacht?
Ich war natürlich sprachlos. Und denken konnte ich dann gar nicht mehr viel, da ab dann im Minutentakt gemeinsame Freunde bei mir anriefen…

Wann haben Sie danach zum ersten Mal mit der neuen Ministerin gesprochen?
Kristina und ich haben am folgenden Sonntagmorgen telefoniert. Sie hat gesagt, dass sie überrascht war. Wir waren dann aber schnell bei praktischen Überlegungen: Ich habe sie gefragt, wie sie das mit dem Büro jetzt organisiert, und ob sie ihre Mitarbeiter mitnehmen darf. Hauptsächlich haben wir dann darüber gesprochen, dass ich am Tag vorher mit gemeinsamen Freunden in Köln den Abend verbracht habe.

Zu welcher politischen Maßnahme würden Sie Ihrer Freundin raten?
Sie würde mich nicht fragen, sie hat genug Berater. Und ich glaube, dass Frau von der Leyen das auf eine gute Basis gebracht hat. Und wenn Kristina so weitermacht, mache ich mir keine Sorgen.

Sie haben viel Gutes über Ihre Freundin berichtet. Hat sie denn überhaupt keine negativen Eigenschaften?
Eine völlig alberne Sache stört mich ziemlich an Kristina. Wenn sie Fotos macht, dann hält sie immer ihr eines Auge mit der Hand zu. Das nervt mich und war immer Anlass für Sticheleien. Und übers Essen streiten wir uns bis heute. Ich war immer schon der Ansicht, dass man nur wenig Fleisch essen sollte. Kristina isst aber am liebsten Zürcher Geschnetzeltes. Ich finde das erstens viel zu teuer und zweitens aus ökologischen Gründen fragwürdig. Mittlerweile esse ich es aber auch öfter, vor allem wenn sie es kocht. Aber pro forma ein bisschen protestieren tue ich trotzdem immer…

Birte Christ

Birte Christ ist eine gute Freundin von Bundesfamilienministerin Kristina Köhler, die mit 32 Jahren die jüngste Ministerin im aktuellen Bundestag ist. Die beiden kennen sich seit der Grundschule. Trotz relativ gegensätzlicher politischer Ansichten hat sich eine Freundschaft zwischen der CDU-Politikerin und der ökobewussten Wissenschaftlerin entwickelt, die bis heute hält

Malte Arnsperger