Flüchtlingsinsel Lampedusa Verhandlung über Abschiebung steht an

Der Flüchtlingstransfer von Lampedusa kommt in Gang - allerdings sehr langsam. Hunderte Flüchtlinge aus Kriesenregionen sitzen noch immer auf der kleinen, italienischen Insel fest. Am Montag will Berlusconi mit Tunis verhandeln. Grünen-Chefin Roth übte heftige Kritik an seinem Umgang mit den Flüchtlingen.

Langsamer als angekündigt verlegt die italienische Regierung Tausende tunesische Flüchtlinge von der kleinen Insel Lampedusa in andere Auffanglager. Starker Westwind und hoher Seegang verhinderten tagelang das Anlegen von Schiffen und erschwerten so die Verteilung der Flüchtlinge auf andere Aufnahmelager. Am Sonntag konnte schließlich das Passagierschiff "Excelsior" im Hafen der Insel anlegen, wie italienische Medien berichteten. Mit der "Excelsior" sollten im Laufe des Tages circa 1700 Immigranten Lampedusa verlassen. Dies sei etwa die Hälfte der noch auf der Insel ausharrenden Tunesier, hieß es.

Am Vorabend hatten rund 500 Tunesier mit dem Marineschiff "San Marco" die Insel verlassen können. Für ihre provisorische Unterbringung in Italien wurden mehrere Zeltstädte errichtet - nicht ohne Probleme. Die Bevölkerung der entsprechenden Regionen protestiert. Am Samstag flohen Hunderte von Immigranten aus einem süditalienischen Lager bei Taranto und versuchten, in Zügen Richtung Norden zu fahren. Es ist nicht die erste Episode dieser Art. Viele wollen nach Frankreich. Vor der Grenze erwartet sie jedoch ein anderes Aufnahmelager.

Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte den italienischen Umgang mit den Flüchtlingen scharf. "Die Art, wie Berlusconi sein "Lampedusa liberata" zum nationalen Befreiungskampf stilisiert, um die Flüchtlinge dann "Bürgerwehren" in Apulien in die Arme zu treiben, zeigt das ganze Ausmaß seines Chauvinismus", sagte Roth dem "Hamburger Abendblatt" (Montag-Ausgabe). Sie forderte zudem eine stärkere Solidarität der EU: "Wie tief ist Europa gesunken, wenn ein EU-Regierungschef Flüchtlingspolitik nach den Kriterien politischer Säuberung betreibt - und der Rest der EU-Staaten zusieht?", fragte Roth. Die Menschenverachtung Berlusconis und die Haltung der EU markierten einen "Wettlauf der Schäbigkeit".

Italienische Medien beschrieben indessen die Situation unter den noch verbleibenden Flüchtlingen auf Lampedusa als "zunehmend unerträglicher". Kalte Nächte im Freien, schlechte Hygiene, das Warten auf den Abtransport hätten die Anspannung unter den Immigranten ständig steigen lassen. Mit einem Hungerstreik und einer Brandstiftung auf der Mole von Lampedusa hatten Tunesier am Samstag einen raschen Abtransport von der Insel verlangt.

Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi hatte am Donnerstag versprochen, das heillos überfüllte Eiland werde bis Samstag frei von Flüchtlingen sein. Mehr als 2500 Flüchtlinge konnten sofort von Lampedusa verlegt werden. Dann verhinderte die Wetterlage den weiteren Abtransport. Nun versprach der Ministerpräsident erneut am Samstag, auf der Insel werde es ab Sonntag keine tunesischen Immigranten mehr geben. Doch inzwischen erreichten weitere zwei Schiffe mit rund 240 Immigranten Lampedusa.

Berlusconi will die meisten der Flüchtlinge rasch in ihre Heimat zurückbringen lassen. An diesem Montag will er in Tunis über die Rückführung von täglich 100 Tunesiern verhandeln. Außerdem wolle er sehen, ob die provisorische Regierung in Tunis in der Lage sei, Flüchtlinge vor Ort an der Abfahrt zu hindern.

Seit dem Sturz des tunesischen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali im Januar landeten an die 20 000 Tunesier auf der nur etwa 20 Quadratkilometer großen Insel, die selbst nur 4500 Einwohner zählt. Zuletzt hatte es weit mehr Tunesier als Einwohner auf der Insel gegeben. Es ist dabei nicht die erste Flüchtlingswelle, die Lampedusa trifft: Die nur 130 Kilometer von der tunesischen Küste entfernt gelegene Insel ist seit langem für viele Verzweifelte aus Afrika ein "Tor nach Europa".

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hw/DPA