Foltervorwürfe Der moralische GAU der USA

Die grausame Erniedrigung irakischer Gefangener durch US-Soldaten erschüttert die moralischen Ansprüche Washingtons im Mark und bringt die gesamte Invasion weiter in Verruf. Und dies zu einer Zeit, da der Widerstand im Irak immer aggressiver wird.

Die Bilder misshandelter irakischer Gefangener erschüttern einmal mehr die Glaubwürdigkeit der Begründungen von Präsident Georg W. Bush für den Krieg: Dass die USA in Irak ein Regime beseitigt wollten, das seine Bürger folterte und demütigte. Die grausame Erniedrigung der Gefangenen in Bagdad durch Soldatinnen und Soldaten der Besatzungsmacht erschüttert die moralischen Ansprüche Washingtons im Mark. Und dies zu einer Zeit, da der Widerstand von Schiiten und Sunniten ohnehin immer aggressiver wird.

"Saddam Hussein duldete, ja unterstützte ein derartiges Verhalten. Die USA nicht", beteuert Bushs Sprecher Scott McClellan. Der Präsident habe Verteidigungsminister Donald Rumsfeld angewiesen, die schuldigen Soldaten zu bestrafen. Natürlich würden die Koalitionssoldaten jetzt trotzdem für weit mehr Araber zu einem legitimen Angriffsziel als schon vor den Bildern, meint Anthony Cordesman vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington. Alles andere als Militärgerichtsprozesse gegen die Schuldigen würden in der Region als Vertuschung interpretiert.

Strafverfahren gegen Militärpolizisten eingeleitet

Am 20. März wurden Foltervorwürfen Strafverfahren gegen sechs Militärpolizisten eingeleitet. Drei dieser Fälle wurden an Militärgerichte verwiesen, in drei anderen Fällen stehen noch weitere Anhörungen aus. Sieben weitere Militärpolizisten erhielten bislang schriftliche Ermahnungen.

Die US-Streitkräfte sind schon im Herbst vergangenen Jahres ersten Hinweisen auf eine Misshandlung von Häftlingen in Irak nachgegangen. Diese erste Untersuchung sei von einem hohen Kommandeur der Besatzungstruppen angeordnet worden, teilte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums in Washington mit. Die Ergebnisse seien unter Verschluss. Der UN-Sonderbeauftragte gegen Folter, Theo von Boven, äußerte ernste Besorgnis über die Berichte von Folterungen und "anderer grausamer, unmenschlicher und entwürdigender Behandlung".

Ex-Häftling klagt auf Schadenersatz

In Portland im US-Staat Oregon verklagte ein kanadischer Staatsbürger, der in Irak inhaftiert war, die US-Streitkräfte wegen irrtümlicher Verhaftung, Folter und Körperverletzung auf Schadensersatz von 350.000 Dollar. Er sei nach seiner Festnahme am 9. April vergangenen Jahres drei Tage lang in einem Schützenpanzer gefangen gehalten worden und nach Protesten gegen seine Festnahme geschlagen worden. "Ich sah, wie Iraker mehr gefoltert wurden als ich", sagte der 57-jährige Hossam Shaltout. "Sie haben Irakern unaussprechliche Dinge zugefügt."

Der Kanadier benannte eine 35-jährige Soldatin im Rang eines Feldwebels, die er bei Misshandlungen am Namenschild ihrer Uniform erkannt habe. Diese wurde bereits wegen anderer Vorfälle im südirakischen Internierungslager Camp Bucca aus dem Dienst entlassen und beschuldigt, Gefangene geschlagen zu haben. In einem Interview sprach die 35-Jährige von schlechter Organisation in den Gefangenenlagern. So seien zeitweise zwei Soldaten für die Bewachung von bis zu 500 Gefangenen zuständig gewesen.

Der jüngste Ansehensverlust kommt zeitlich äußerst ungünstig: Vor einem Jahr, am 1. Mai 2003, hatte Bush auf einem Flugzeugträger das Ende der Hauptkampfhandlungen erklärt, auf einem Banner über ihm stand: "mission accomplished" (Auftrag erledigt). Und in zwei Monaten soll eine irakische Interimsregierung die Souveränität über das zivile Leben im Zweistromland erhalten. Zudem bemüht sich die US-Regierung gerade verstärk um internationale Militärhilfe für die Stabilisierung Iraks - Washington ist besonders an Soldaten aus arabischen Ländern interessiert. Und nicht zuletzt wird die Vorbereitung eines Prozesses gegen Saddam Hussein und einige seiner Schergen belastet.

Berüchtigtes Folterzentrumm

Die weltweite Ausstrahlung der Szenen im Bagdader Abu-Ghraib-Gefängnis, das schon unter Saddam als Folterzentrum gefürchtet war, hat die gesamte Irak-Invasion international noch weiter in Verruf gebracht. "Das ist eine extrem schwierige Zeit", sagt Sandy Berger, Nationaler Sicherheitsberater unter Expräsident Bill Clinton. "Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, um das umzudrehen."

Die US-Regierung hat die Behandlung der Gefangenen als Fehltritt verurteilt, Bush brachte seine "tiefe Abscheu" zum Ausdruck. Außenminister Colin Powell sagte, amerikanische Soldaten seinen in Irak, um zu helfen, nicht Schaden anzurichten. "Die Taten von Wenigen, so hoffe ich, wird nicht das Gute überdecken, das von so vielen unserer Truppen kommt."

Auch Guantanamo erscheint in neuem Licht

Doch sicher ist, dass die Folterbilder aus Bagdad Zweifel an der korrekten Behandlung Gefangener durch amerikanische Sicherheitskräfte über Irak hinaus nähren - natürlich auch in Hinblick auf Guantanamo, wo noch 600 so genannte "feindliche Kämpfer" festgehalten werden. "Es wird deutlicher, dass wir Gefangene nicht so behandeln, wie es zivilisierte Menschen eigentlich tun sollten", sagt Ivo Daalder von der Brookings-Institution.

Amnesty International wirft den Koalitionstruppen systematische Folterungen über Monate vor und fordert eine unabhängige Untersuchung. Auch eine Vereinigung hoher sunnitischer Geistlicher in Irak hat sich für ein Ermittlungsverfahren unter Beteiligung internationaler Experten ausgesprochen. Das irakische Innenministerium fordert als Konsequenz aus den Vorfällen, das die Iraker in die Beaufsichtigung aller Gefängnisse mit einbezogen werden.

AP · DPA
Tom Raum/AP