Von den vielen Geschichten über den als Hochstapler überführten US-Politiker George Santos, dürfte diese wohl eine der schillerndsten sein. Der Amerikaner, dessen Eltern einst aus Brasilien in die USA auswanderten, verbrachte nach seiner Schulzeit einige Jahre in der Nähe von Rio de Janeiro – und soll dort unter anderem als Dragqueen aufgetreten sein. Das berichtet unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf zwei Quellen aus Brasilien.
Eula Rochard, eine heute 58 Jahre alte Dragqueen, gibt an, Santos erstmals 2005 getroffen zu haben. Damals sei er noch eine "arme" Dragqueen gewesen, die nichts anderes als ein schwarzes Kleid gehabt hätte, erzählte Rochard in dem Bericht. "Er hat früher häufig in meinem Haus rumgehangen, wenn seine Mutter Bingo gespielt hat", erzählte Rochard der MSNBC-Kolumnistin Marisa Kabas, die in ihrem Newsletter "The Daily Santos" ebenfalls das Leben des Amerikaners vor seiner politischen Karriere beleuchtet.
Kurz darauf sei Santos aber verschwunden und erst einige Jahre später wieder zurückgekehrt, erinnert sich Rochard im Gespräch mit Kabas. 2008 aber präsentierte sich ein anderer Santos der Dragqueen. "2008 kam er zurück nach Niterói und hatte plötzlich jede Menge Geld und ein flammend pinkes Kostüm", erinnert sich Rochard. Santos, der sich bei Rochard nur mit seinem zweiten Vornamen Anthony vorgestellt haben soll und als Dragqueen den Namen Kitara annahm, wollte demnach an einem Drag-Schönheitswettbewerb teilnehmen, den er aber nicht gewann. Gegenüber "NBC News" erklärte der brasilianische Journalist Joâo Fragah, dass er eine Dragqueen mit dem Namen Kitara Ravache interviewt habe. Er sei sich sehr sicher, dass es sich dabei um Santos gehandelt habe, sagte Fragah dem Sender, schränkte aber ein, dass er das Interview schon vor mehreren Jahren geführt habe.
Eine weitere namentlich nicht genannte Quelle bestätigte Reuters das Auftreten Santos' als Dragqueen. Kabas teilte dazu auch einen Tweet mit einem alten Zeitungsartikel, auf dem Rochard und Santos gemeinsam zu sehen sein sollen. Rochard hatte den Berichten zufolge Santos im Fernsehen erkannt und in alten Zeitungsberichten und Videos nach gemeinsamen Aufnahmen gesucht.
George Santos: Republikaner gehen gegen Drag-Shows vor
Was die Dragqueen Santos mit dem heutigen Politiker gemeinsam hat, ist die komplizierte Beziehung zur Wahrheit. "Er hat schon damals über alles gelogen und Geschichten erfunden – normalerweise ging es dabei immer ums Geld. Er hat beispielsweise immer erzählt, dass sein Vater reich sei, aber warum musste seine Mutter dann als Putzfrau arbeiten", fragt Rochard. Es sei überhaupt nichts daran, eine Putzfrau zu sein, aber wenn der Vater reich sei, warum müsse sie dann noch arbeiten, hinterfragt Rochard die Geschichten. "Er mag sich verändert haben, aber er ist weiterhin ein Lügner. Er war schon immer ein Träumer."
Das öffentliche Auftreten Santos' als Dragqueen passt hingegen gar nicht zu den politischen Standpunkten des 34-Jährigen, der dem rechten Trump-Flügel der Republikaner zugerechnet wird. So unterstützte Santos das sogenannte "Don't say gay"-Gesetz in Florida, welches es Lehrern verbietet, an Grundschulen über Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung zu reden. Santos dementierte am Donnerstagnachmittag die Medienberichte. "Die Medienberichte, dass ich eine Dragqueen bin oder als eine aufgetreten bin sind kategorisch falsch", schrieb Santos auf Twitter. Die Medien würden weiterhin hanebüchene Behauptungen über sein Leben aufstellen, während er versuche, weiterhin Resultate seiner politischen Arbeit zu liefern. "Ich werde mich nicht davon ablenken oder beunruhigen lassen", erklärte Santos.
Es sei ein anständiges Gesetz, das Werte und die Unschuld von Kindern schütze, erklärte Santos in einem auf Facebook veröffentlichten Video Anfang April 2022. In der Caption zu dem Video wirft er den Demokraten sogenanntes Grooming vor – ein gängiges Konzept rechter Konservativer, die damit die Diskussionen über Geschlechteridentität und sexuelle Orientierung mit Kindesmissbrauch gleichsetzen.
Auch bei vielen Republikanern dürfte das neuste Santos-Kapitel nicht auf viel Gegenliebe stoßen. Erst in der vergangenen Woche berichtete "Bloomberg", dass immer mehr Republikaner gegen Drag-Shows vorgehen wollen. Ein Antrag aus Arizona von Anfang Januar fordert, dass es strafbar sein soll, öffentlich eine Draq-Performance abzuhalten.
In Michigan machten sich laut "Michigan Live" konservative Politiker im vergangenen Jahr für ein Gesetz stark, dass Schulen verbietet, Drag-Shows abzuhalten – ohne dass es jemals Beweise dafür gegeben hätte, dass das jemals passiert wäre. Dennoch dürfen Eltern Schulen im Falle einer Show auf Schadensersatz von bis zu 10.000 Dollar verklagen.