VG-Wort Pixel

Umstrittene Inszenierung Georgias Gouverneur unterzeichnet restriktives Wahlgesetz vor Bild einer Sklaven-Plantage

Georgias Gouverneur Brian Kemp unterzeichnet neues Wahlgesetz unter Plantagen-Gemälde
Georgias Gouverneuer unterzeichnet das neue umstrittene Wahlgesetz des Staates unter einem Gemälde von einer Sklavenplantage.
© Screenshot/Twitter
In Georgia steht es künftig unter Strafe, Wartende vor einem Wahllkokal mit Getränken oder Essen zu versorgen. Das neue Wahlrecht gilt als diskriminierend. Für Aufsehen sorgte nun zudem, dass der Gouverneur bei der Unterzeichnung des Gesetzes unter dem Bild einer Sklaven-Plantage saß.

Symbolische Bilder spielen eine große Rolle in der Politik. Nicht zuletzt deshalb hat der Gouverneur von Georgia, der Republikaner Brian Kemp, medienwirksam umringt von Getreuen, das neue umstrittene Wahlrecht seines Bundesstaates unterschrieben.

Was jedoch in den USA für besonderes Aufsehen sorgte: Er tat dies unter einem Gemälde, das eine Sklaven-Plantage aus dem 19. Jahrhundert zeigt. Das fiel umso mehr negativ auf, da das neue Wahlrecht von Demokraten und Menschenrechtlern als diskriminierend für Schwarze und andere Minderheiten angesehen wird. US-Präsident Joe Biden bezeichnete es am Freitag schlicht als "schrecklich". Das Gesetz laufe "den amerikanischen Werten zuwider", es nehme den Wählern ihr Wahlrecht. Von Kritikern wird es daher auch als "Jim Crow 2.0" bezeichnet – in Anlehnung an die sogenannten Jim-Crow-Gesetze, durch die Mitte der 1960er-Jahre der Schwarzen Bevölkerung in den Südstaaten ihre nach Ende des Bürgerkriegs erlangten Rechte und Errungenschaften genommen werden sollten. Die Figur des Jim Crow, ein Stereotyp tanzender und singender Schwarzer, wurde in den 1830er-Jahren von dem weißen Komiker Thomas Rice erfunden, der damit das heute verpönte Blackfacing populär machte.

Georgia: Neues Wahlgesetz in unseliger Tradition

Wie sehr Gouverneur Kemp durch seine Inszenierung das Gesetz in die Tradition der rassistischen Historie Georgias stellte, zeigt die Reaktion von Kimberly Wallace, einer afroamerikanischen Staatsbediensteten. "Es hat mir den Atem geraubt", berichtete Wallace dem TV-Sender CNN. Der Grund: Das Gemälde "Brickhouse Road" der Malerin Olessia Maximenko, das eingerahmt von den Flaggen der USA und des Staates Georgia im Raum der Unterzeichnung an der Wand hing, zeigt jene Plantage, auf der ihre Familie bis zurück zu den Zeiten der Sklaverei gearbeitet habe. Dass Kemp das Gesetz vor diesem Gemälde unterzeichnet habe, sei "sehr unhöflich und sehr respektlos gegenüber mir, meiner Familie und den Schwarzen in Georgia" gewesen, so Kimberly Wallace zu CNN.

Eine Sprecherin des Gouverneurs wies die Kritik zurück als "Versuch der Medien, von dem neuen Gesetz abzulenken". "Das Haus auf dem Gemälde wurde 1869 nach der Abschaffung der Sklaverei gebaut", zitiert CNN die Sprecherin. Sie wies zudem darauf hin, dass das in freundlichen, sonnigen Farben gehaltene Gemälde Teil der Ausstellung "The Art of Georgia" (Die Kunst Georgias) sei, in deren Rahmen Bilder in ganz Atlanta, der Hauptstadt des Bundesstaates, gezeigt würden. Zu sehen ist auf dem Gemälde eine Allee und ein Backsteingebäude auf der Callaway-Plantage in Washington, Georgia. Die Plantage, die 1785 mit dem Bau eines Blockhauses durch Job Callaway ihren Anfang nahm, bietet heute Führungen über das Areal mit seinen historischen Bauten an – darunter auch eine Sklavenhütte von 1840. Den Eindrücken der Webseite zufolge, versteht sich Callaway ansonsten jedoch in erster Linie als Veranstaltungsort: Pferdefestival, Musik- und Grillfest, Weihnachtsbasar für viktorianische Handwerkskunst.

Reform erschwert es, das Wahlrecht wahrzunehmen

Eine heile Welt, die Schwarze und andere Minderheiten in Georgia nach wie vor nicht teilen können. Dies zeige die Wahlreform nur allzu deutlich, ist Sklaven-Nachfahrin Kimberly Wallace erbost. "Der Teil [des Gesetzes, Anm. d. Red.] darüber, Menschen kein Wasser geben zu dürfen, der Teil darüber, Menschen kein Essen zu geben, was ist das", so Wallace zu CNN. "Was in ihnen lässt sie denken, dass es nicht richtig ist, einer durstigen Person in jeglicher Sitaution Wasser zu geben – egal, ob sie wählt oder was immer? Das ist unmöglich. Sie sollen es den Menschen leichter machen zu wählen, nicht schwerer."

Tatsächlich stellt das als S.B. 202 bezeichnete Wahlgesetz unter Strafe, Wartende vor einem Wahllokal mit Essen und Trinken zu versorgen oder sie auch nur anzusprechen. Zudem soll künftig die Zahl der auf der Straße aufgestellten Briefkästen für Wahlbriefe und deren Öffnungszeiten stark beschränkt sein. Briefwähler:innen müssen außerdem künftig die Nummer ihres Führerscheins für die Stimmabgabe angeben. Viele Amerikaner haben aber gar keinen Führerschein oder einen Ausweis, da es in den USA kein Meldewesen wie zum Beispiel in Deutschland gibt. In einem Tweet bezeichnete Gouverneur Brian Kemp das neue Wahlrecht als Garantie, dass es in dem Südstaat künftig "sichere, faire und zugängliche" Wahlen geben werde. Vor allem was die Zugänglichkeit betrifft, nicht zuletzt für Schwarze, Latinos und andere Minderheiten, die ihr Wahlrecht aufgrund ihrer persönlichen Situation häufig nur mittels Wahlbrief oder langem Anstehen an Wahllokalen wahrnehmen können, bestehen allerdings Zweifel. Schon in der Vergangenheit war die Anzahl der Wahllokale in Georgia verringert worden, was zu langen Warteschlangen vor der Stimmabgabe führte.

Proteste halten an – Aufruf zu Boykott

Das neue Wahlgesetz gilt als Reaktion darauf, dass der Staat Georgia bei der letzten Präsidentenwahl knapp an die Demokraten ging. Es folgt dem Narrativ von Ex-Präsident Donald Trump, dass ihm die Wahl gestohlen worden sei. Für einen groß angelegten Wahlbetrug wurde jedoch nie ein Beleg erbracht; im republikanisch regierten Georgia wurde wegen des knappen Ergebnisses die Auszählung sogar mehrfach wiederholt. Versuche Trumps, eine Aufhebung der Wahl zu erreichen, sind dagegen verbrieft – wenngleich die "Washington Post" in einem Fall falsche Angaben zugeben musste, die aber nicht das international beachtete Gespräch des Ex-Präsidenten mit dem Wahlleiter Brad Raffensperger betreffen. Gouverneur Brian Kemp hatte sich seinerzeit geweigert, das Wahlergebnis zu annullieren, was ihm den Zorn Trumps einbrachte.

Die Proteste gegen das neue Wahlrecht halten unterdessen an. Auch Kimberly Wallace demonstriert immer wieder vor der City Hall von Atlanta. Unter dem Hashtag #boycottgeorgia wird in sozialen Medien zum Boykott der Wirtschaft des Südstaates aufgerufen. Mehrere Organisationen haben zudem Klage gegen das Gesetz eingereicht – darunter der Black Voters Matter Fund und das New Georgia Project von Stacey Abrams, der ersten afroamerikanischen Frau, die bei einer Gouverneurswahl in Georgia kandidierte, jedoch unterlag.

Quellen: Twitter-Account/Brian Kemp; Nachrichtenagentur DPA; Callaway Plantation; CNN; Tagesschau; "Philadelphia Inquirer"; Politifact; "Atlanta In Town"The Art of Georgia; Encyclopedia Britannica

Mehr zum Thema

Newsticker