Gigant China Der große Marsch nach Afrika

Von Marc Engelhardt, N'Djamena, Tschad
Der Gigant China macht sich in Afrika breit, kein Kontinent ist Chinas Staatsführung derzeit so wichtig wie der rohstoffreiche schwarze Kontinent. Vor schmutzigen Deals mit Diktatoren schreckt Peking ebenso wenig zurück wie vor Verlustgeschäften.

Das imposante, rot leuchtende Tor zum Hotel "Chez Wou" könnte auch vor einem chinesischen Tempel stehen. Doch hinter dem Portal, dessen Querstreben traditionsgemäß himmelwärts zeigen, geht es afrikanisch nüchtern zu. Im Staub der nahen Wüste stehen flache Betonbauten mit schwer vergitterten Türen, die zu den Zimmern führen. "Chez Wou" ist weder Tempel noch Gefängnis, sondern ein Motel mitten in Tschads Hauptstadt N'Djamena, das in weniger als einem Jahr hochgezogen wurde.

In den spartanisch eingerichteten Zimmern stehen Betten aus furniertem Holz, ein Schreibtisch und ein dünnwandiger Schrank, alles aus dem fernen China importiert. "Sie haben Glück, wir haben noch was frei", sagt René freudestrahlend, der die fast 50 Zimmer verwaltet. 100 Euro kostet die Übernachtung, für N'Djamena ist das günstig. "Morgen kommt wieder eine Busladung mit Gästen aus China, dann sind wir komplett voll." Besitzer David Wou plant bereits einen Anbau.

Chinas "Marsch nach Afrika" ist nicht zuletzt ein Marsch von kleinen Leuten wie Wou, Unternehmern, Händlern oder Handwerkern, die jenseits der Volksrepublik ihr Glück machen wollen. Weil sie ihr eigenes Zuliefernetzwerk mitbringen und mit viel weniger Komfort und Gewinn zufrieden sind als etwa Europäer, haben sie schnell Erfolg. Auch ihre Kunden bringen die Chinesen mit: Bauarbeiter der Staatsunternehmen, die im Tschad mit chinesischer Entwicklungshilfe derzeit gleich mehrere Landstraßen von Grund auf neu bauen, und natürlich die Geologen und Mitarbeiter von Chinas Öl- und Rohstoffkonglomeraten.

Schließlich ist kein anderer Kontinent der chinesischen Staatsführung derzeit so wichtig wie das rohstoffreiche Afrika. Seit der Jahrtausendwende hat sich das Handelsvolumen mit Afrika auf mehr als 50 Milliarden US-Dollar jährlich verfünffacht, bis 2010 soll es auf 100 Milliarden steigen. Als Wou vor knapp zwei Jahren nach N'Djamena kam, war er noch einer der ersten Zuwanderer aus China. Doch mittlerweile leuchten überall im Zentrum der Stadt chinesische Schriftzeichen in Neonfarben. Seit Tschads Alleinherrscher Idriss Déby im August 2006 völlig überraschend die diplomatischen Beziehungen mit Taiwan abgebrochen hat, sind tausende Chinesen in die bitterarme Ölfördernation im Zentrum Afrikas geströmt.

"Es handelt sich für den Tschad um eine Überlebensfrage", hatte Déby dem verdutzten taiwanesischen Premierminister Su Tseng-Chang seine Entscheidung erklärt. Su hatte gerade einen Staatsbesuch im Tschad geplant. Das Abschwören von Hilfen aus Taipei ist eine der wenigen Bedingungen, die Chinas Führung ihren afrikanischen Partnern stellt. Nur noch fünf afrikanische Staaten, die kleinsten und ärmsten, erkennen die Inselrepublik, für die Volksrepublik eine abtrünnige Provinz, an.

Wahrer Profiteur der chinesisch-afrikanischen Freundschaft ist fast überall die herrschende Elite - im Tschad ist das allen voran der Präsident, der mit einer Rebellion im Osten des Landes zu kämpfen hat und Waffen braucht. Der Westen setzt Déby seit Jahren unter Druck, er solle mehr Öl-Geld in Entwicklungsprojekte stecken. Nur unter dieser Bedingung hatte die Weltbank eine milliardenschwere Pipeline zum Verladehafen in Kamerun finanziert. "Die chinesische Führung hat dagegen als eines der ersten Projekte den Bau einer Panzerfabrik im Tschad ausgemacht", sagt Jean-Claude Nekim, ein Journalist, der die unabhängige Zeitung "N'Djamena Bi-Hebdo" herausbringt. "China schert sich im eigenen Land nicht um Menschenrechte und Entwicklung, warum also hier?"

Während Europa und die USA, wohin derzeit noch das Gros des tschadischen Öls exportiert wird, von Déby "gute Regierungsführung" fordern, ist Peking ganz offen desinteressiert an den internen Belangen Tschads. Vom autoritären Führungsstil Débys, so Nekim, profitiere China sogar. So werden rund um den "Marché Central" vor der großen Moschee seit einigen Monaten Häuser niedergerissen, die Oppositionellen gehören. Hier soll eine komplett aus China finanzierte Shopping Mall entstehen. Es ist ein Geschäft zum beiderseitigen Vorteil: Die Chinesen wollen bauen, Déby vor allem abreißen, um seine Kritiker zu bestrafen.

Zudem darf Déby sich im chinesischen Rampenlicht sonnen. Im Januar 2007 eröffnete Chinas Außenminister Li Zhaoxing die neue Botschaft Chinas in N'Djamena, ein halbes Jahr später wurde Déby bei einem Staatsbesuch in Chinas großer Halle des Volkes erst von Präsident Hu Jintao, dann von Premier Wen Jiabao empfangen. In Europa werden Afrikas Staatschefs hingegen oft mit Ministern oder Staatssekretären abgespeist. "Politik auf gleicher Augenhöhe" nennt China seine Strategie, und vergisst nicht, in Afrika neben den üblichen Entwicklungsprojekten auch prunkvolle Flughäfen, Paläste und Sportstadien zu bauen, mit denen die Regierenden sich schmücken können. Geld spielt keine Rolle, Mitbewerber werden regelmäßig unterboten. "Wir sind ein Staatsunternehmen, und der Staat will, dass wir hier Straßen bauen", sagt Deng Guoping, der überall in Afrika baut, seine Firmenphilosophie. Für eine Staatsfirma, sagt er, spiele es keine Rolle, ob sie rote oder schwarze Zahlen schreibt.

Nicht nur Rohstoffe, die die dramatisch wachsende Industrie Chinas dringend braucht, auch politische Unterstützung gibt es im Gegenzug. Mit 53 Stimmen stellt Afrika den größten Stimmenblock etwa bei den UN. "Wir sind ein armes Land, wir können uns unsere Unterstützer nicht aussuchen", sagt selbst Regierungskritiker Nekim. Dabei sind Chinas Führung die Verstöße gegen Menschenrechte nicht nur einfach egal, sie werden sogar als Chance gesehen, ärgert sich ein westlicher Diplomat in N'Djamena. "China unterläuft jedes Embargo gegen afrikanische Diktaturen." Aktuelles Beispiel: Das Waffenschiff für Simbabwe, das aus mehreren afrikanischen Häfen verbannt wurde. Auf seine Freunde konnte China sich letztlich verlassen: Die Waffen wurden in Angola ausgeladen, wo China schon seit vielen Jahren Öl kauft.