Der Landsitz Hartwell House in der englischen Grafschaft Buckinghamshire ist an Idylle kaum zu überbieten. Ein altes Herrrenhaus aus dem 17. Jahrhundert, schick angelegte Gärten, eine pittoreske Landschaft drumherum: "Ein Rückzug aus der Realität", wirbt die Hotel-Broschüre für das Anwesen, wo am Freitag und Samstag die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben wichtigsten Industrienationen zusammengetroffen waren.
Und tatsächlich: Kaum hatten die Finanzminister zwei Tage lang in dem alten Gemäuer hinter verschlossenen Türen die Köpfe zusammengesteckt, schon schienen alle Streitigkeiten von zuvor wie verflogen. Nein, Japan werde nicht mehr vorgeworfen, mit aggressiver Währungspolitik den Yen bewusst abzuwerten. Nein, Deutschland und Frankreich streiten keineswegs länger über die Frage, wieviel Haushaltskonsolidierung sein muss und wieviel Wachstumsanreiz sein darf. Ja, selbstverständlich ziehen alle sieben an einem Strang, wenn es darum geht, Steueroasen in Offshore-Zentren auszutrocknen.
Es liegt vermutlich nicht nur am Tagungsort rund 70 Kilometer nordwestlich von London und seinem noblen Römerbad, dass im Kreis der G7 scheinbar plötzlich die Einigkeit größer war, als vorher gedacht. Die britischen Gastgeber um Schatzkanzler George Osborne hatten den Charakter der Beratungen bewusst als "informell" bezeichnet.
Wegweiser für die Zukunft
Es sollte bewusst nicht um Ergebnisse gehen, die am Ende der Öffentlichkeit verkündet werden. Sondern darum, im kleinen Kreis einmal Tacheles zu reden, wie es ein Teilnehmer ausdrückte. Der scheidende britische Notenbankchef Mervyn King, der bereits an 50 G7-Treffen zuvor teilgenommen hatte, war anschließend regelrecht begeistert: "Der informelle Charakter hat sich als bemerkenswerter Erfolg entpuppt. Wir sind wirklich vorangekommen", sagte er.
Das Treffen auf dem englischen Landsitz könnte für das als Auslaufmodell gebrandmarkte Format G7 ein Wegweiser in die Zukunft sein. Seit drei Jahren hatten sich die sieben Finanzminister nicht mehr eigens getroffen, sondern waren höchstens am Rande von G20- oder IWF-Tagungen zusammengekommen. Mehr und mehr wird aber klar: Die Industrienationen brauchen eine gemeinsame Linie. Länder wie Indien, Brasilien und vor allem China gewinnen auf der weltweiten Bühne nicht nur Bedeutung, sondern auch Einfluss. Der "alte Westen", braucht eine Stimme.
Gemeinsame Positionen erarbeiten
"Dieser Rahmen hat seinen Sinn darin, dass wir völlig offen aber eben auch völlig informell reden", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach der Tagung. "Wir hatten die Chance, uns gegenseitig besser zu erklären", betonte er. Es gehe darum "gemeinsame Positionen" zu erarbeiten, die man dann "in die G20 hineintragen" könne. "Für Entscheidungen ist das dann das richtige Gremium."
Am Beispiel der Währungspolitik wird die Problematik deutlich. Noch am vergangenen Donnerstag hatte der neue US-Finanzminister Jacob Lew die Notenbankpolitik Japans schwer unter Beschuss genommen und Tokio in einem Interview indirekt das Anzetteln eines Währungskrieges vorgeworfen. In England hat der Amerikaner eingesehen, dass es keinen Sinn macht, öffentlich mit dem Verbündeten Japan zu streiten. Viel geschickter ist es, gemeinsam gegen die ebenso aggressive und aus US-Sicht noch gefährlichere Währungspolitik Chinas zu kämpfen.