Griechisch-russische Verbundenheit Tsipras heikler Flirt mit Putin

Die neue Regierung in Athen erfüllt im Eiltempo ihre Versprechen und legt sich mal eben mit der EU an - wegen den Russlandsanktionen. Nur ein Missverständnis oder flirtet Griechenland bald mit Moskau?

Die neue Regierung in Athen schafft schneller Fakten, als manche das Wort Schuldenschnitt aussprechen können. In den drei Tagen, die nicht mal vergangenen sind, seitdem die Griechen ihr altes politisches Establishment verjagt und durch Alexis Tsipras ersetzt haben, hat der es geschafft:

Nötigt einen so viel Tatendrang Respekt ab? Ja, einerseits. Andererseits: Die Botschaften, die das Links-Rechts-Bündnis damit in die Welt schickt, dürften vielleicht den gebeutelten Griechen gefallen, aber sicher nicht der Europäischen Union. Tsipras macht sich in Windeseile zu "Everybodys Widerborst".

Tsipras mosert schon nach zwei Tagen im Amt

Abgesehen davon, dass den Geldgeber ganz anderes zumute werden dürfte, weil das Spar- und Reformpaket mit den milliardenteuren Wahlgeschenken ausgehebelt wird, ist da diese Sache mit den russischen Sanktionen. Die EU will sie ausweiten, als Reaktion auf den aggressiven Kurs Wladimir Putins. Doch nun meldet sich Herr Tsipras aus Athen und mosert daran herum, dass er nicht um Zustimmung gefragt wurde. Wer nichts sagt, gibt sein Einverständnis, so sei es guter Brauch, heißt es kühl aus Brüssel. Vielleicht wusste das der neue Regierungschef einfach nicht. Anfängerfehler, kann vorkommen.

Aber was ist, wenn dahinter mehr steckt? Wenn die Koalition in Athen einfach den Kurs gegenüber Russland nicht länger mittragen will und mir nichts, dir nichts ins Putin-Versteher-Lager wechselt? Sicher ist: Beide Länder verbindet nicht nur der orthodoxe Glaube, sondern auch eine sehr lange Freundschaft. Sie begann schon vor 200 Jahren, als das damalige Zarenreich den Hellenen in ihrem Befreiungskampf gegen die Osmanen beistand. Mittlerweile sind russische Gäste ein ernstzunehmender Faktor im Tourismus, und für die nicht gerade üppigen Exportschlager Griechenlands (unter anderem Pelze, Kiwis, Pfirsiche, Medikamente) ist Russland ein wichtiger Markt. Entsprechend empfindlich reagiert die Wirtschaft auf die Einfuhrverbote, die Moskau als Reaktion auf die Sanktionen erlassen hat. Umgekehrt hängt Griechenland an russischen Erdgaslieferungen, die zunehmend zum wichtigsten Energieträger werden.

Die Rechten hofieren Putin

Die rechten griechischen Parteien, wie auch viele andere in Europa, haben Putin ohnehin ganz oben auf der Sympathieliste. Systematisch umgarnen die Nationalisten aller Länderden Kreml-Chef: Front National in Frankreich, Lega Nord in Italien und eben die Rechtsextremen der Goldenen Morgenröte in Griechenland. Dessen Führer lobpreiste einmal die "natürliche Allianz zwischen der "Seemacht Griechenland und der Landmacht Russland". Nun ist Tsipras Koalitionspartner Anel noch weit vom ultrarechten Gedankengut der Morgenröte entfernt, der Chef der "Unabhängigen Griechen", aber der neue Verteidigungsminister Panos Kammenos, steht in der Ukraine-Angelegenheit Russland deutlich näher als der EU.

Sollten die Griechen tatsächlich aus der EU-Linie gegen Russland ausscheren, wäre dies ein bitterer Rückschlag für die mühsam zusammengehaltene Einigkeit. Die sei bisher die einzige Stärke der EU gewesen, sagte der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler. "Es war auch immer wieder versucht worden, von Moskau da Keile in diese Einigkeit zu bringen und das wäre jetzt sehr bedauerlich, wenn das mit der Wahl von Herrn Tsipras ein Ende fände."

Riskiert Kammenos den Bruch?

Vielleicht ist es am Ende gar nicht der Regierungschef selbst, der sich unerbittlich gegen die europäischen Nachbarn stellt, auch wenn von ihm im Wahlkampf prorussische Töne zu hören waren. Vielleicht ist es am Ende der unberechenbare Koalitionspartner Anel und dessen Vorsitzender Kammenos, der den Bruch in seiner brüsken Anti-EU-Haltung riskiert. Einfach weil er es kann.