Großbritannien sucht einen neuen Premierminister oder eine neue Premierministerin – zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate. Nach dem Rücktritt von Boris Johnson vor rund drei Monaten und dem angekündigten Rückzug seiner Nachfolgerin Liz Truss müssen die Tories den Posten neu besetzen – und können dies tun, ohne dass die Britinnen und Briten ihr Unterhaus neu wählen.
Das liegt unter anderem an einer Besonderheit des Vereinigten Königreiches: Es hat keine festgeschriebene Verfassung. Deshalb bestimmen dort einfache Gesetze oder schlicht das Gewohnheitsrecht wichtige Grundzüge des Staatswesens. Erst seit 2019 hat der Premierminister / die Premierministerin wieder das Recht, Neuwahlen anzuordnen, berichtet die BBC. Von 2011 bis 2019 lag dieses Recht beim Unterhaus, das mit einer Zweidrittelmehrheit die Bürgerinnen und Bürger an die Urnen rufen konnte.
Neuwahlen in Großbritannien nach Truss-Rücktritt unwahrscheinlich
Liz Truss könnte also Neuwahlen auslösen – wenn sie es denn wollte. Hierzu müsste die Mehrheit des Unterhauses ihr das Vertrauen entziehen. Die noch amtierende Premierministerin müsste König Charles III. bitten, das Parlament aufzulösen und die Wahl auszurufen. Doch danach sieht es zurzeit nicht aus. Die Konservativen wollen ihre Macht behalten und haben klargemacht, dass sie auf ihr Recht auf die Wahl eines Truss-Nachfolgers / einer Truss-Nachfolgerin nicht verzichten wollen. Denn Umfragen zufolge würde Labour eine Wahl derzeit haushoch gewinnen, die konservativen Tories verlören hunderte Sitze – entsprechend aufgebracht ist die Opposition: Die Konservativen könnten nicht "noch einmal einfach mit ihren Fingern schnipsen und die Leute an der Spitze ohne Zustimmung des britischen Volkes austauschen", erklärte Labour-Chef Parteichef Keir Starmer laut Nachrichtenagentur AFP. "Wir brauchen Parlamentswahlen – jetzt."
Von Churchill bis Liz Truss – Queen Elizabeth II. und ihre Premiers

Die wird es aber nach Lage der Dinge nicht geben. Somit liegt die Qual der Wahl eines Truss-Nachfolgers / einer Truss-Nachfolgerin bei den Tories. Auf welches Prozedere sie dabei setzen, ist noch unklar. Jedenfalls wollen sie langwierige parteiinterne Auseinandersetzungen wie nach dem Rückzug von Boris Johnson verhindern und womöglich die 200.000 Tories-Mitglieder aus der Entscheidung heraushalten – dies wiederum könnte die Spaltung der Partei weiter vorantreiben.
Die nächste turnusmäßige Wahl der 650 Unterhaus-Abgeordneten soll im Januar 2025 stattfinden.
+++ Lesen Sie auch: "Nach Rücktritt von Liz Truss: Wie es jetzt weitergehen könnte" +++
Quellen: BBC, Nachrichtenagentur AFP