Hilfsorganisationen Furcht vor humanitärer Tragödie im Irak

Eine Woche nach Kriegsbeginn wächst die Furcht vor einer humanitären Tragödie im Irak, obwohl erste Hilfskonvois ankamen. Menschenrechtsorganisationen beklagen die ersten Kriegsverbrechen.

Die Lage in der Golfregion verschlechtere sich zunehmend, teilte die Hilfsorganisation Diakonie Katastrophenhilfe in Stuttgart mit. In den irakischen Millionenstädten Bagdad und Basra werde das saubere Trinkwasser immer knapper. In Jordanien und Syrien würden Lager für die Aufnahme von insgesamt 40.000 Flüchtlingen vorbereitet. In der südirakischen Stadt Safwan führten die Menschen am Mittwoch Freudentänze auf, als aus Kuwait ein Lastwagen-Konvoi mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten eintraf.

Sandsturm behindert auch Hilfslieferungen

Die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen schickte zwei Lastwagen mit zehn Tonnen medizinischen Hilfsgütern von Amman nach Bagdad. Sowohl die Alliierten als auch die irakischen Behörden seien über den Hilfskonvoi, der deutlich gekennzeichnet sei, informiert worden, teilte die Organisation mit. In Hamburg startete ebenfalls ein Lastwagen-Transport mit 20 Tonnen Hilfsgütern, darunter eine Notfallambulanz. Ziel seien Flüchtlingslager in Syrien. «Was die Menschen als erstes brauchen, ist ein Ort, wo sie hingehen können», sagte eine Rettungsassistentin, die den Transport begleitet.

Krisensitzung in New York

UN-Generalsekretär Kofi Annan berief alle UN-Hilfsorganisationen zu einer Krisensitzung nach New York. Im Mittelpunkt der Beratungen am Mittwochnachmittag (Ortszeit) sollte die Lage der 1,3 Millionen Einwohner von Basra stehen, die seit Tagen vor allem unter Wassernot leiden. «Der Strom ist ausgefallen und hat die Wasserzufuhr unterbrochen. Damit können sich Seuchen durch unsauberes Wasser entwickeln und unter der Bevölkerung ausbreiten», sagte Carol Bellamy, Direktorin des Kinderhilfswerks UNICEF. Annan forderte Washington auf, umgehend humanitäre Hilfe an jene Regionen des Irak zu liefern, die von den Koalitionstruppen kontrolliert werden.

Massive Hilfe erst in einigen Tagen

Das von den USA angekündigte massive Hilfsprogramm für die irakische Bevölkerung soll erst in einigen Tagen anlaufen. Für die Verzögerung des Programms mit Gütern im Wert von über 100 Millionen Dollar machen die USA die anhaltenden Kämpfe verantwortlich.

Amnesty kritisiert Beschuss der TV-Station

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat der von den USA geführten Kriegsallianz vorgeworfen, bei dem Beschuss einer irakischen Fernsehstation gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben. Die TV-Station sei eine zivile Einrichtung und deshalb durch internationales Recht geschützt, sagte AI-Völkerrechtsexperte Claudio Cordone am Mittwoch. Der Sender könne nicht einfach angegriffen werden, nur weil er Propagandazwecken diene, fügte er hinzu.

Aufständische in Basra erschossen

AI kritisierte zudem mutmaßliche Kriegsverbrechen Iraks: Der Organisation lägen Berichte vor, wonach irakische Soldaten Aufständische in der südirakischen Stadt Basra beschossen hätten. Zudem habe Irak militärische Einrichtungen in unmittelbarer Nähe von Wohngegenden und zivilen Institutionen untergebracht. Weiterhin sei es in Zivil gekleideten irakischen Soldaten offenbar erlaubt, Überraschungsangriffe auf die Soldaten der Allianz zu starten.

Bericht über Massaker in Kirkuk

Der in Göttingen ansässigen Gesellschaft für bedrohte Völker liegen eigenen Angaben zufolge Berichte über Massaker vor, die das irakische Heer unter Offizieren und der Zivilbevölkerung in der nordirakischen Stadt Kirkuk begangen haben sollen. Aus zwei voneinander unabhängigen Quellen habe die Organisation am Mittwoch erfahren, dass bereits am Sonntag 62 Offiziere der irakischen Streitkräfte und 16 Zivilisten erschossen worden seien. Die Offiziere sollen der Befehlsverweigerung beschuldigt worden sein, die zwölf Kurden und vier Turkmenen seien wegen angeblicher Sabotage erschossen worden. Zudem kritisierte die Gesellschaft, dass die irakischen Streitkräfte in Kirkuk ihre Luftabwehr auf den Dächern ziviler Einrichtungen installieren würde. "Damit nehmen sie bewusst den Tod von Zivilisten in Kauf", hieß es in der Stellungnahme.