Die Lungenentzündung und ihr Schwächeanfall während einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terroranschlages vom 11. September kommen für Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. In den letzten Wochen hatten Mitbewerber Donald Trump und seine Anhänger öffentlich immer wieder die Gesundheit der 68-Jährigen infrage gestellt.
Wie krank ist Hillary Clinton wirklich?
Eine Lungenentzündung ist eine relativ häufige Infektionskrankheit. Für gesunde Menschen ohne Vorerkrankungen ist eine Lungenentzündung leicht zu überstehen. Für über 65-Jährige gehen Ärzte von einem erhöhten Risiko von Komplikationen aus. Hillary Clinton ist 68 Jahre alt. Ihre Ärztin Lisa Bardack teilte inzwischen mit, Clinton werde seit Freitag mit Antibiotika behandelt und sei auf dem Weg der Besserung. Ihre Wahlkampfauftritte für Montag und Dienstag in Kalifornien hat Clinton abgesagt. Sie ruhe sich aus, heißt es aus ihrem Umfeld.

Wieso ist die Gesundheit der Kandidaten überhaupt ein so großes Thema im Wahlkampf?
Da muss man ganz klar sagen: In diesem Jahr bewerben sich zwei alte Menschen um das Amt des Präsidenten. Clinton ist 68 Jahre, Donald Trump sogar 70. Er wäre bei seiner Amtseinführung so alt wie noch kein Präsident vor ihm. Traditionell wird von den Kandidaten für ein öffentliches Amt in den USA erwartet, dass sie ihre Krankenakten offenlegen.
Haben Clinton und Trump ihre Krankenakten offengelegt?
Nicht wirklich. Von Clinton gibt es einen kurzen Bericht ohne Details aus dem Jahr 2015. Und der Arzt Donald Trumps bescheinigte ihm euphorisch, er werde einer "der gesündesten Präsidenten aller Zeiten" sein. Vor ein paar Tagen gestand Dr. Harold Bernstein allerdings in einem Interview, er habe nur aufgeschrieben, was ihm Trump vorgesagt habe. Und er habe auch nur fünf Minuten Zeit gehabt, denn eine Limousine Trumps habe vor seiner Praxis auf den Brief gewartet. Am Montag erklärte Trump in einem Telefoninterview, er werde im Laufe der Woche seine detaillierten Gesundheitsunterlagen veröffentlichen.
Warum wurde schon zuvor so viel über Clintons Gesundheit diskutiert?
Trump war es gelungen, Zweifel an ihrem Zustand zu säen. Ohne jegliche Belege unterstellen Trump und seine Anhänger seit Monaten, dass Clinton nicht fit sei, um Präsidentin zu werden. Zu ihren Ferndiagnosen gehören Schilddrüsenerkrankungen, Sprachstörungen oder Schlaganfall. Der ehemalige Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani, ein glühender Anhänger Trumps, sagte in zahlreichen Fernsehinterviews, Clinton sei müde und sehe krank aus. Im Internet kursieren zahlreiche gefälschte Krankenakten Clintons. Ein konservativer Fernsehsender zeigte kürzlich das Video einer laut lachenden Clinton und ließ dazu Mediziner vermuten, Clinton sei verrückt geworden.
Was ist die verrückteste Theorie derzeit?
Seit Montag trended auf Twitter, dass Clinton ein Body Double, also eine Doppelgängerin habe, die für sie auftrete. So auch am Sonntag, als sie wenige Stunden nach dem Kollaps aus der Wohnung ihrer Tochter Chelsea in New York gekommen sei. Angeblicher Beweis für den Einsatz eines Body Doubles: Der Zeigefinger der echten Clinton sei länger als ihr Ringfinger. Bei der am Sonntag in New York gesichteten Frau sei das nicht der Fall gewesen, so die These der Verschwörungstheoretiker.
Welchen Einfluss hat die Erkrankung Clintons auf den Ausgang der Wahlen?
Der Erkrankung könnte für Hillary Clinton zu einem echten Problem werden, so die Vermutung der Mehrheit der Kommentatoren. Wie stark der Schaden wirklich sein wird, wird man erst in ein paar Wochen und anhand neuer Umfragewerte sehen.
Wie reagiert Trump?
Donald Trump wählt eine für ihn ungewohnte Strategie: Er hält sich zurück. Bislang hat er nur wenig zum Vorfall vom Sonntag gesagt. Vermutlich ist es eine smarte Entscheidung. Aus Trumps Umfeld heißt es, die Bilder der stolpernden und wankenden Clinton sprächen für sich und seien wirkungsvoll genug. Dem Sender Fox sagte Trump dann aber noch: " Ich hoffe, dass es ihr bald besser geht. Irgendetwas geht vor sich - ich hoffe, dass sie bald wieder auf den Beinen und zurück im Rennen ist."
Wie geht das Clinton Lager mit der Schwäche ihrer Kandidatin um?
Das Wahlkampfteam von Clinton reagierte nicht gut auf den Zwischenfall am Wochenende. Als Bilder von der wankenden Clinton im Internet auftauchten, erklärte ihr Büro in einer ersten Stellungnahme, sie sei "überhitzt" gewesen. Da es in New York herbstlich kühl war, kam im Internet schnell Zweifel auf. Erst viele Stunden später rückte das Clinton-Team mit der Wahrheit heraus. Inzwischen stellen zahlreiche Kommentatoren die Frage, warum die Krankheit Clintons nicht schon am Freitag bekannt gemacht wurde, als die Diagnose gestellt wurde. Für viele machte das den Anschein, die Kandidatin habe etwas zu verbergen. Der Verdacht der Unaufrichtigkeit haftet Clinton ja ohnehin schon an.
Wie reagieren ihre Anhänger?
Nur ein Beispiel: Der Filmemacher Michael Moore, ein Demokrat, twitterte, es sei kein Wunder, dass die "Verrückten" Aufwind bekämen, wenn eine so schwerwiegende Krankheit drei Tage geheim gehalten werde.
Was passiert, wenn Hillary Clinton ihre Kandidatur wirklich zurückziehen müsste?
Dann wird sie ersetzt. In der Satzung der Demokraten steht im Paragraph 2, Absatz 7, dass der Parteivorsitzende in einem solchen Fall eine außerordentliche Sitzung des Democratic National Commitee (DNC) einberufe. Das ist eine Art kleiner Parteitag mit rund 300 Parteivertretern. Dort wird dann ein neuer Kandidat gewählt. Jeder Teilnehmer hat eine Stimme und wer auch immer die Mehrheit erhält, ist der demokratische Bewerber.
Wer kann entscheiden, ob Hillary Clinton weiter als Präsidentschaftskandidatin antritt?
Das liegt alleine bei ihr. Nur wenn sie zu dem Schluss kommt, dass eine Kandidatur keinen Sinn mehr macht, wird es eine neue Kandidatin oder einen Kandidaten geben. Am Montag kursierten erste Gerüchte, die Parteispitze der Demokraten könne sich zu einer Notfallsitzung treffen und auf Clinton Druck ausüben, auf ihre Kandidatur zu verzichten.
Wird dann Bernie Sanders der neue demokratische Kandidat?
Das ist nicht zwingend der Fall. Das Rennen wäre dann wieder komplett offen. Neben Bernie Sanders gilt der jetzige Vize-Präsident Joe Biden als ernsthafter Bewerber. Er hatte auf eine Kandidatur zur Präsidentschaft nach dem Tod seines Sohnes verzichtet, könnte aber jetzt als Seiteneinsteiger eine echte Option für die Demokraten sein. Er gilt als extrem beliebt. Tim Kaine, Clintons Kandidat für die Vize-Präsidentschaft, kann sich natürlich auch bewerben. Ihm werden aber eher geringe Chancen eingeräumt.
Was passiert, wenn Clinton zur Präsidentin gewählt wird und dann ihr Amt nicht antreten kann?
Sollte sie ausfallen bevor das sogenannte "Electoral College", also die Wahlmänner, sie zur Präsidentin gewählt haben, wird es richtig kompliziert. In einigen Bundesstaaten dürfen die Wahlmänner und -frauen, die auf Clinton festgelegt waren, ihre Stimme frei vergeben. In 29 Bundesstaaten gilt diese Regel aber nicht. Wie diese Stimmen gezählt werden, ist komplett unklar. Das Ergebnis wird damit unberechenbar.
Fällt Clinton aus, nachdem sie vom "Electoral College" zur Präsidentin gewählt wurde, aber bevor sie vereidigt wurde, greift der 20. Zusatz der US-Verfassung. Danach wird der Vize-Präsident zum Präsidenten ernannt. Aber nur so lange, bis der Kongress eine neuen bestimmt.
Könnte die Wahl noch verschoben werden?
Nein, der Termin steht. Am 8. November 2016 wird in den USA gewählt.