Irak-Konflikt Tony Blair - der verwundete Premier

Für Tony Blair hat an diesem Montag die schwierigste Woche seiner politischen Karriere begonnen. Der einstige Hoffnungsträger von "New Labour", so die Meinung zahlreicher Kommentatoren, riskiert mit seinem harten Irak-Kurs die Spaltung von Partei und Volk.

Für Tony Blair (49) hat an diesem Montag die schwierigste Woche seiner politischen Karriere begonnen. Der einstige Hoffnungsträger von "New Labour", so die Meinung zahlreicher Kommentatoren, riskiert mit seinem harten Irak-Kurs die Spaltung von Partei und Volk. Niemand wagt vorauszusagen, wie das gewagte Spiel innenpolitisch ausgehen wird. Die Auswirkungen der kompromisslosen pro-Amerika-Politik des Briten auf die künftigen Beziehungen innerhalb der EU und zu Russland sind nicht abzusehen. Für die BBC vermittelte Blair auf dem dramatischen Azoren-Gipfel am Sonntag denn auch den Eindruck eines "völlig verzweifelten Spielers".

"Bis zuletzt" alles versucht

Selbst seine schärfsten Kritiker halten Blair zu Gute, dass er mit der Idee einer zweiten Irak-Resolution bei den Vereinten Nationen "bis zuletzt" alles versucht hat, einen Krieg noch zu verhindern. Aber mit dem "gnadenlose Militärzeitplan" von George W. Bush (Guardian) und dem lautstarken "Nein" zum Krieg von den wichtigsten europäischen Verbündeten erhielt die "Hast zum Krieg" eine Eigendynamik, der sich Blair scheinbar nicht mehr widersetzen konnte - oder wollte.

"Riesige terroristische Katastrophe"

Er wolle nicht als der Politiker in die Geschichte eingehen, der eine "riesige terroristische Katastrophe" kommen sah und sie nicht verhindert habe, beschwor Blair in seinem wohl persönlichsten Appell die Kriegszauderer. Mancher stellte sich daraufhin die Frage, ob der Premier über die Zusammenhänge zwischen Saddam Husseins angeblichen Massenvernichtungswaffen und einer Terrorbedrohung etwas wusste, was er nicht verriet. Bis zuletzt schien Blair davon überzeugt zu sein, dass jetzt gegen Saddam vorgegangen werden muss.

Labour-Premier mit konservativer Unterstützung?

Nun könnte der einstige Held einer reformierten Labour-Partei als ein Premier in die Geschichte eingehen, der sich bei der wichtigsten Entscheidung seiner bisher sechsjährigen Amtszeit auf die Stimmen der konservativen Opposition verließ. Er könnte, trotz Zustimmung einer immer noch reichenden Mehrheit von Labour-Abgeordneten, viele von seinen eigenen Mandatsträgern für immer enttäuschen. "Es stellt sich die Frage des Vertrauensbruch, wenn Blair ohne eine versprochene zweite UN-Resolution in den Krieg zieht", formulierte der Abgeordnete Tony Lloyd das Unbehagen vieler seiner Kollegen.

Wenn es schnell geht mit dem "sauberen High-Tech-Krieg", wenn Saddam Hussein gestürzt wird und die britischen Soldaten in Bagdad mit Blumen empfangen werden, könnte Blair, so hoffen seine Berater, doch noch als "Held" aus dem Drama hervorgehen. Kritiker aber sehen eher einen "verwundeten" Premier, für den das Regieren nur noch schwerer werden kann.

Kriegsvorbereitungen bei den Vereinten Nationen

Währenddessen haben die Vereinten Nationen damit begonnen, ihre letzten noch verbleibenden Beobachter aus der entmilitarisierten Zone zwischen Irak und Kuwait abzuziehen. Wie der Sprecher der Beobachtermission UNIKOM, Daljeet Bagga, bestätigte, sollen die Beobachter erst einmal nach Kuwait-Stadt gebracht werden. Die Sicherheitsstufe Fünf, bei der die UN-Mitarbeiter das Emirat ganz verlassen müssen, sei noch nicht erreicht. In der vergangenen Woche hatten sich die Beobachter zunächst nur von der irakischen Seite der entmilitarisierten Zone zurückgezogen.

20 Prozent mehr Fluggäste

Am Flughafen Kairo nahm unterdessen die Zahl der aus Kuwait kommenden Passagiere wegen des drohenden Irak-Krieges zu. Wie ägyptische Verantwortliche am Montag mitteilte, stieg die Zahl der Fluggäste aus Kuwait in den vergangenen Tagen um 20 Prozent. Die Vertreter der kuwaitischen, katarischen und saudischen Fluggesellschaften in Kairo betonten allerdings, zumindest die Zahl der Flüge habe sich nicht geändert.

Gleichzeitig hieß es am Kairoer Flughafen, die griechische Fluggesellschaft Olympic Airways habe wegen des nahenden Krieges ihre Route vorübergehend geändert. Anstatt auf dem Flug von Dubai nach Athen in Kuwait Station zu machen, steuere die Fluggesellschaft nun Kairo an.

Ausreise kurzfristig organisieren

Bislang gebe es von ägyptischer Seite keine Vorbereitungen, die ägyptischen Gastarbeiter aus dem Irak und aus Kuwait auszufliegen. Bei einem Kriegsausbruch werde ihre Ausreise jedoch kurzfristig organisiert. Im alten Flughafen von Kairo liefen am Montag bereits erste Vorbereitungen für ihre mögliche Rückkehr nach Ägypten.

Die kuwaitische Regierung hatte am Sonntag betont, sie wolle den internationalen Flughafen von Kuwait-Stadt auch im Kriegsfall nicht schließen. Gleichzeitig betonte sie, die Herrscherfamilie der El Sabah werde das Land nicht verlassen.

DPA