Irak-Resolution USA wollen auch nach Machtübergabe im Irak bleiben

Mit der Übergabe der Regierungsgewalt am 30. Juni soll sich nach willen der US-Regierung nicht allzuviel ändern: Auch danach verlangen die USA von der UNO das volle Militär-Kommando im "souvränen" Irak.

Auch nach der Einsetzung eines neuen Übergangsregimes in Bagdad wollen die USA mit Billigung der Vereinten Nationen das uneingeschränkte militärische Kommando im Irak behalten. Darauf besteht Washington im Entwurf für eine neue Irak-Resolution, die am Montag dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurde. Die UN sollen zugleich eine "souveräne" irakische Übergangsregierung anerkennen, die bis zum 30. Juni die Amtsgeschäfte übernimmt. Alle Staaten sollen aufgerufen werden, Truppen für die US-geführten Streitkräfte im Irak zur Verfügung zu stellen.

Schröder gegen NATO-Rolle

Der Sicherheitsrat nahm am selben Tag hinter verschlossenen Türen Beratungen über den Resolutionsentwurf auf, den die USA zusammen mit Großbritannien einbrachten. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer erklärten zuvor, Deutschland halte eine Einigung über die neue Irak-Resolution für möglich. Der Kanzler bekräftigte allerdings seine Bedenken gegen eine künftige NATO-Rolle im Irak.

In dem amerikanisch-britischen Entwurf wird eine Rolle der NATO zwar nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch sollen nach dem Resolutionstext neben Regierungen auch "internationale und regionale Sicherheitsorganisationen" aufgerufen werden, Truppen in den Irak zu entsenden, um dort künftig bei der Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität zu helfen.

Auch Schutztruppe soll unter US-Kommando

Die bisherigen Besatzungstruppen sollen nach Einsetzung der Übergangsregierung als so genannte multinationale Streitmacht unter dem einheitlichen Kommando der USA "die Autorität haben, alle erforderlichen Maßnahmen" für die Sicherheit zu ergreifen. Dazu soll ausdrücklich auch das militärische Vorgehen gegen Terroristen auf irakischem Boden gehören.

Unter dem vollen Kommando der USA soll zudem eine internationale Sondertruppe eingesetzt werden, deren Aufgabe hauptsächlich der Schutz der künftigen UN-Mission im Irak sein soll. Die USA kommen mit dem Resolutionstext Forderungen zahlreicher Staaten nach einer zeitlichen Begrenzung des US-Kommandos entgegen und schlagen darin eine Überprüfung des UN-Mandats nach zwölf Monaten vor. Neu im Vergleich zu bislang nur mündlich unterbreiteten Vorschlägen ist auch, dass die irakische Übergangsregierung bereits zuvor eine Überprüfung des Mandats durch den Sicherheitsrat verlangen kann.

Wahlen bis spätestens Ende Januar

Als ein weiteres Zugeständnis werteten UN-Diplomaten, dass der Resolutionstext die Schaffung einer "Partnerschaft" zwischen der multinationalen Streitmacht und der "souveränen Übergangsregierung" vorsieht, mit der "die Koordination zwischen beiden gesichert" werden soll. Die UN sollen mit der Resolution den Auftrag erhalten, den Irak umfangreich organisatorisch bei der Einsetzung einer Verfassunggebenden Versammlung sowie bei der Vorbereitung und Durchführung demokratischer Wahlen zu unterstützen.

Nach Möglichkeit bis zum 31. Dezember 2004, aber nicht später als bis zum 31. Januar 2005 sollen direkte Wahlen zu einem Übergangsparlament stattfinden, das eine Verfassung erarbeiten soll. Auf der Basis dieser Verfassung sollen demokratische Wahlen zur Bildung einer nationalen Regierung bis Ende 2005 organisiert werden.

Besonders Deutschland und Frankreich hatten im Vorfeld ein Datum für das Ende der Besatzung gefordert. Der deutsche UN-Botschafter Gunter Pleuger sagte in einer ersten Reaktion, der Text sei eine gute Basis für Diskussionen. Bundeskanzler Gerhard Schröder bekräftigte, die neue Regierung müsse über Sicherheitsfragen entscheiden können, sonst gäbe es keine Souveränität. Der britische Außenminister Jack Straw zeigte sich zuversichtlich, dass der Entwurf im Sicherheitsrat einstimmig angenommen werde. Bundesaußenminister Joschka Fischer bezeichnete einen Konsens als "möglich und wünschenswert."

Kein Selbstmordanschlag

Zu der Explosion in Bagdad erklärte US-Militärsprecher John Murray, gegen 14.00 Uhr (Ortszeit) sei die Bombe unter einem gepanzerten Wagen vor dem Hauptquartier der US-Truppen detoniert. Zwei Verletzte würden noch medizinisch versorgt. Wahrscheinlich habe es sich nicht um einen Selbstmordanschlag gehandelt. Nur Stunden zuvor hatte eine weitere Explosion ein Zivilfahrzeug in Bagdad zerstört und einen Iraker und seine Frau getötet.

Fünf Tage nach dem umstrittenen US-Luftangriff auf ein irakisches Dorf legten Überlebende der Nachrichtenagentur AP Beweise dafür vor, dass die bis zu 45 Opfer eine Hochzeit feierten. Die Fernseh-Nachrichtenagentur APTN erhielt das Video einer Hochzeit, auf dem AP-Mitarbeiter mehrere Zeugen wiedererkannten, die sie einen Tag nach dem Angriff interviewten. Die US-Streitkräfte hatten zuvor erklärt, sie hätten in dem Dorf Mogr el Dib keine Hinweise auf eine Hochzeit gefunden.

Bisher über 5.500 Zivilisten getötet

In Nadschaf lieferten sich US-Truppen und Kämpfer des Geistlichen Muktada el Sadr Kämpfe. Bei dem Gefecht wurden nach Angaben eines Krankenhaussprechers ein Mensch getötet und 20 weitere Personen verwundet. Berichte über US-Verluste gab es nicht.

Die irakische Zivilbevölkerung leidet schwer unter Kämpfen, Anschlägen und Verbrechen: Im ersten Jahr seit Beginn der US-Besetzung wurden allein in Bagdad und drei Provinzen 5.558 Zivilisten getötet, wie eine Erhebung der Nachrichtenagentur AP ergab. Nachgefragt wurde in den Leichenschauhäusern der Hauptstadt sowie der Provinzen Kerbela, Kirkuk und Tikrit. Gewaltverbrechen und politisch motivierte Anschläge haben demnach seit dem Sturz von Präsident Saddam Hussein erheblich zugenommen.

DPA