Die unabhängige US-Expertenkommission hat am frühen Mittwochmorgen US-Präsident George W. Bush die mit Spannung erwarteten Vorschläge für eine neue Strategie im Irak vorgelegt. Die von Ex-Außenminister James Baker und Lee Hamilton geleitete Kongress-Arbeitsgruppe wird US-Medienberichten zufolge vorschlagen, beschleunigt die Verantwortung im Irak der Regierung in Bagdad und den irakischen Sicherheitskräften zu übertragen.
Neuer Nahost-Friedensplan
Zudem sollen Syrien und der Iran in eine neue Irak-Politik mit einbezogen sowie eine neue Initiative für den israelisch- palästinensischen Konflikt gestartet werden. Der Bericht empfehle auch, den Druck auf die irakische Regierung zu erhöhen und mit einer Kürzung der wirtschaftlichen und militärischen Hilfe zu drohen, falls die Sicherheitslage im Lande nicht verbessert werde, so die "Washington Post". CNN zufolge wird ebenfalls vorgeschlagen, bis Ende 2008 die US-Kampftruppen abzuziehen und dafür US-Truppen vermehrt für Ausbildung und Training der Iraker zur Verfügung zu stellen. Ein genauer Zeitplan wird nicht vorgegeben.
"Ich höre den Irakern zu, ich höre den Mitgliedern des Kongresses zu, ich möchte Baker-Hamilton zuhören", sagte Bush dem Fernsehsender Fox News. Er werde alle Vorschläge aufnehmen, "weil ich mit dem Gang der Dinge im Irak nicht zufrieden bin", sagte der US-Präsident. Nachdem Bush in Grundzügen über die Empfehlungen der Kommission unterrichtet worden war, verlautete aus Regierungskreisen in Washington, er habe "im Großen und Ganzen recht positiv" reagiert.
Das Weiße Haus hat allerdings schon mehrfach betont, dass die Empfehlungen der so genannten Baker-Kommission nur eine von mehreren Analysen sind, die Bush prüfen werde. Auch der designierte US- Verteidigungsminister, Robert Gates, hatte bei einer Kongressanhörung am Dienstag gesagt, dass "der Hamilton-Baker-Bericht nicht das letzte Wort sein wird".
Suche nach einem eleganten Ausweg
"Seiner Standardhaltung entspricht es, etwas zu ändern, während er sagt, dass er nichts ändert", sagt Fred Greenstein, Politik-Professor an der Universität von Princeton über Bush. Allerdings habe Bush seiner Ansicht nach nicht viel Spielraum, auf seinem Standpunkt zu beharren. "Das käme einem Sprung von der Klippe gleich", sagt Greenstein. "Und Bush macht auf mich nicht den Eindruck, als ob er häufig von Klippen springt."
Noch in der vergangenen Woche versicherte Bush nach einem Treffen mit dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki, er suche nicht nach "einem eleganten Ausweg" aus dem Irak. Doch viele in Washington, welcher politischen Couleur auch immer, wünschen sich genau das: einen eleganten Ausweg. Und viele hoffen, dass die Baker-Hamilton-Kommission Möglichkeiten hierfür aufzeigt. "Es gibt keine offensichtlich richtige Irak-Politik", sagt Michael O’Hanlon, Experte für internationale Politik bei der Brookings Institution und Berater der Iraq Study Group. "Es geht darum, eine bessere Politik für den Irak zu finden." Allerdings warnte er davor, die Auswirkungen des Baker-Hamilton-Berichts zu überschätzen.
Unmut über bisherige Strategie
Ein wichtiger Faktor dürfte Bushs Eigensinnigkeit sein. Selbst einige seiner engsten Mitarbeiter äußerten ihren Unmut über die lange verfolgte Strategie, "Kurs zu halten". Das geht aus Memos hervor, die in letzter Zeit an die Öffentlichkeit gelangt sind. Demnach sprach sich der noch amtierende Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am 6. November für eine Neuausrichtung der Irak-Politik aus. Einen Tag später verloren die Republikaner die Kongresswahlen, und Rumsfeld trat zurück. "Wenn man früher mit Regierungsvertretern über den Irak sprach, hörte man eine einheitliche Meinung", sagt Michele Flournoy vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien (CSIS), einst Staatssekretärin im Verteidigungsministerium. "Heute sagt dir jeder, den du anrufst, etwas anderes."