Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de
Viele Airlines haben nach dem Überfall der Hamas auf Israel am Wochenende ihre Flüge von und nach Israel unterbrochen. Auf den Ankunftstafeln am Flughafen Ben-Gurion in Tel Aviv war zu lesen: Lufthansa, Air France, Ryanair, Emirates, Aegan Airlines und American Airlines streichen alle ihre Verbindungen in die israelische Metropole.
Normalerweise haben allein die Lufthansa-Fluglinien 17 Flüge pro Tag nach Israel im Programm. Aufgrund der sich weiterhin unklar entwickelnden Situation hat der Konzern den Flugverkehr mit Israel inzwischen bis einschließlich 22. Oktober ausgesetzt.
Die Fluggesellschaften entscheiden laut Luftfahrtexperte Gerd Wissel auf Basis ihrer Risikoeinschätzung in Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden selbst über einen Flugstopp: "Die Entscheidung, ob Flüge eingestellt werden, obliegt erst mal den Airlines. In erster Linie geht es den Fluggesellschaften bei der Beurteilung der Lage darum: Kann man die Sicherheit der Mitarbeiter vor Ort und auch während des Fluges gewährleisten? In zweiter Linie geht es aber auch allgemein um die Sicherheit von Menschen und Maschinen", sagt der Luftfahrtexperte im Gespräch mit ntv.de.
Der Entschluss, den regulären Flugverkehr einzustellen, ist laut seiner Einschätzung richtig gewesen – auch wenn der Wegfall die Lufthansa sicherlich schmerzt. Schließlich sei gerade die Verbindung zwischen USA und Israel über Europa ein attraktives Geschäft. "Auch deswegen machen sich Airlines die Entscheidung, den regulären Flugverkehr einzustellen, sicherlich nicht leicht", sagt Wessel.
Israelische Airline El Al schützt seine Flugzeuge mit Raketenabwehrsystem
Während es nur noch wenige reguläre Flüge von Israel aus gibt, springt die israelische Fluggesellschaft El Al mit Zusatzflügen zwischen Tel Aviv und New York, Paris, Rom und einigen anderen europäischen Städten ein. Außerdem hält die Airline ihren eigenen Flugbetrieb, darunter auch Verbindungen nach München und Frankfurt, aufrecht.
El Al ist nicht nur bekannt für strenge Sicherheitsvorkehrungen, die in der Luftfahrtbranche ihresgleichen suchen. Anders als die Konkurrenz aus den USA oder Europa verfügt die Fluggesellschaft über einen weiteren entscheidenden Vorteil: Einige der Flugzeuge sind mit einem Raketenabwehrsystem ausgestattet, das unter anderem auch in Militärmaschinen zum Einsatz kommt. Das System mit dem Namen Flight Guide erkennt potenzielle Bedrohungen aus der Luft und ist in der Lage, diese zu neutralisieren. Entwickelt wurde das System als Reaktion auf den Beschuss eines israelischen Flugzeuges durch Islamisten im kenianischen Mombasa im Jahr 2002. Damals verfehlte das Geschoss nur knapp sein Ziel.
Laut dem Branchen-Portal "Aviation Direct" sind die Flugzeuge von El Al mit Sensoren ausgestattet, die Raketen frühzeitig erkennen, indem sie Infrarot- und elektrooptische Signale analysieren. Sobald eine Rakete registriert wurde, ermittelt das System Geschwindigkeit und Kurs und bestimmt somit Flugbahn und den wahrscheinlichen Aufprallpunkt. Um die Bedrohung zu neutralisieren, kann der Pilot sogenannte Flares, also Tauschkörper, vom Flugzeug abwerfen. Das feindliche Geschoss wird auf diese Weise vom Kurs abgelenkt.
Das System wurde von dem Unternehmen Israel Aircraft entwickelt und für jeweils 750.000 US-Dollar installiert. Wie viele Maschinen aus der 46 Flugzeuge umfassenden Flotte mit dem System ausgerüstet sind, gibt El Al nicht preis. Die ersten Installationen der Raketenabwehr hat die israelische Regierung finanziert.
Um der Gefahr von Terrorattacken auf Zivilflugzeuge etwas entgegenzusetzen, hatte auch British Airways überlegt, Raketenabwehrsysteme in die eigene Flotte einzubauen. Die Airline entschied sich aber aufgrund der hohen Kosten für ihre 330 Maschinen dagegen.
Versicherungen decken Flüge nach Israel nicht mehr ab
Luftfahrtexperte Wissel geht davon aus, dass Raketenabwehrsysteme an Zivil-Flugzeugen die Ausnahme bleiben werden. Einerseits handele es sich dabei um ein hochkomplexes militärisches System, das strengen Exportbeschränkungen unterliegt. Andererseits unterliege es sehr hohen Anforderungen an Installation, Wartung und Betrieb.
Auf Flüge von und nach Israel verzichten einige Fluggesellschaften momentan aber nicht nur wegen des hohen Sicherheitsrisikos: Versicherungsgesellschaften, die einige Airlines nutzen, decken Flüge nach Tel Aviv nicht mehr ab. Laut der Zeitung "Times of Israel" bereitet sich das israelische Parlament deswegen darauf vor, Versicherungsgarantien in Höhe von fünf Milliarden Dollar zu gewähren. Damit soll sichergestellt werden, dass unter anderem die El Al ihren Betrieb aufrechterhalten kann. Ohne die staatliche Garantie könnten die israelischen Fluggesellschaften schon an diesem Samstag ihren Versicherungsschutz verlieren.
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Spätestens wenn der Flughafen direkt in die Kampfhandlungen einbezogen wird, ist sich Wissel allerdings sicher, kommt der komplette Flugverkehr zum Stillstand. "In dem Moment, in dem etwa auf Zivilflugzeuge geschossen wird, ist der Luftraum nicht mehr sicher."