"Politisches Desaster, sinnlose Aktion, gewaltiger Unsinn": Das Urteil der Europäer zur israelischen Kommandoaktion im Mittelmeer fällt vernichtend aus. Es sieht so aus, als habe Israel mit seinem Angriff auf die Hilfsflotte für Gaza ein fürchterliches außenpolitisches Eigentor geschossen.
Doch Abdurrahman al-Raschad, ein Kommentator der arabischen Tageszeitung "Al-Sharq al-Awsat" glaubt das nicht. Er vermutet, die israelische Führung sei sich über die Konsequenzen dieser blutigen Aktion sehr wohl im Klaren gewesen. Sie habe den Militäreinsatz in internationalen Gewässern angeordnet, um die von den USA mit viel Mühe eingefädelten indirekten Friedensgespräche mit den Palästinensern scheitern zu lassen, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben. Damit spiele sie dem Iran, der Hamas und der Hisbollah in die Hände, die ja auch gegen diese Gespräche seien.
Denn durch diese Attacke auf hoher See sei es nun sowohl für die moderaten arabischen Staaten als auch für die Palästinenserführung um Präsident Mahmud Abbas unmöglich geworden, mit Israel über eine Friedenslösung zu sprechen. "Die Extremisten der Region (die zum Lager des Iran gehören) sind jetzt die besten Verbündeten der extremistischen israelischen Regierung", bilanziert Al-Raschad.
Die arabischen Staats- und Regierungschefs haben die Erstürmung der Hilfsflotte alle in mehr oder weniger deutlicher Form verurteilt. Einige sprachen von "Staatsterrorismus", andere von "Piraterie" oder "barbarischen Verbrechen". Der ägyptische Präsident Husni Mubarak unternahm am Dienstag zusätzlich noch praktische Schritte. Er ordnete an, den Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen für den Transport humanitärer Hilfsgüter zu öffnen. Denn nach der Erstürmung der Schiffe hatten einige arabische Politiker erklärt, Ägypten sei neben Israel mit schuldig an der Blockade des Gazastreifens. Mubarak hatte beschlossen, die Grenze zwischen Ägypten und dem palästinensischen Gebiet nur noch in Ausnahmefällen zu öffnen, nachdem die Hamas dort im Sommer 2007 die Macht ergriffen hatte.
Auf der arabischen Seite kam Mubaraks Entscheidung gut an. Doch die Begeisterung der Araber gilt im Moment den Türken. Ihnen gefällt, das sich die Türken an Bord ihres Hilfsschiffes "Mavi Marmara" mit Stangen und Stühlen gegen die von soviel Widerstand überraschten israelischen Soldaten gewehrt haben. Die vom Iran unterstützte libanesische Schiiten-Bewegung Hisbollah lobt zudem die türkische Regierung für ihre "klare Haltung an der Seite des palästinensischen Volkes".
"Wir wollen kein neues Treffen der arabischen Minister und auch keinen arabischen Gipfel - wir wollen, dass die Türkei etwas tut", schreibt die libanesische Tageszeitung "Al-Safir". Für sie ist der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, der mit den Aktivisten auf dem Schiff sympathisiert, der neue "Liebling der Araber". Den einstigen Hoffnungsträger der Araber, US-Präsident Barack Obama, der nach der Erstürmung der Flotte sprachlos blieb, hat der fromme Muslim aus Ankara, wenn es um die Gunst der Araber geht, schon jetzt abgehängt.