Nach der Begnadigung der inhaftierten Wikileaks-Informantin Chelsea Manning richtet sich das Augenmerk nun auf den Gründer der Enthüllungsplattform, Julian Assange. Der seit Jahren in Ecuadors Botschaft in London festsitzende Australier hatte sich kürzlich zu einer Auslieferung an die USA bereit erklärt, falls Manning begnadigt werden sollte. In einer am Dienstagabend von seinen Anwälten verbreiteten Erklärung bezeichnete Assange die Whistleblowerin als "Heldin", die niemals hätte verurteilt werden dürfen und sofort auf freien Fuß gehöre.
Die Stellungnahme ließ offen, ob Assange nun tatsächlich bereit ist, sich an die USA ausliefern zu lassen. In einer Twitter-Nachricht von Wikileaks hieß es nach der drastischen Strafverkürzung für Manning, Assange sei zuversichtlich, "jeden fairen Prozess in den USA gewinnen zu können". Das Justizministerium habe unter dem - am Freitag aus dem Amt scheidenden - US-Präsidenten Obama eine Verteidigung im öffentlichen Interesse und eine "faire Jury" verhindert.
Julian Assange behält sich nächsten Schritt weiter vor
Assanges schwedischer Anwalt Per Samuelson teilte am Mittwoch mit, sein Mandant bleibe vorerst in der Botschaft und halte sich den nächsten Schritt offen. Es sei noch zu früh zu sagen, ob er sich nun wie angekündigt in die USA ausliefern lasse, sagte Samuelson der Deutschen Presse-Agentur (DPA). "Er sieht das als großen Teilerfolg, um nicht nur Manning, sondern auch Wikileaks und sich selbst zu rehabilitieren." Samuelson fügte hinzu: "So lange es die Bedrohung aus den USA gegen Assange gibt, wird er sein politisches Asyl annehmen."
US-Präsident Barack Obama hatte Mannings Haftstrafe am Dienstag drastisch verkürzt von 35 auf sieben Jahre. Sie soll nun im Mai freikommen. Manning hatte im US-Militär gedient und Wikileaks Hunderttausende geheime Dokumente des US-Militärs und des Außenministeriums zugespielt.
Gibt es eine versiegelte US-Anklage gegen Assange?
Assange war vor mehr als vier Jahren in die Botschaft Ecuadors in London geflüchtet, um einer Festnahme zu entgehen. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden vor. Aus Furcht, zunächst dorthin und dann schließlich in die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm eine lange Haft drohen könnte, suchte er Unterschlupf in der ecuadorianischen Botschaft.
Das amerikanische Justizministerium hat bislang keine Anklage gegen Assange bekanntgegeben. In den USA kann eine Anklageschrift aber versiegelt werden, damit ihr Inhalt nicht bekannt wird. Es ist unklar, ob das im Fall Assange geschehen ist.
Auch der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden begrüßte die Begnadigung Mannings und schrieb auf Twitter: "Danke, Obama." Er dankte ebenso denjenigen, die sich für eine Freilassung von Manning stark gemacht hatten. Snowden hatte selbst als Whistleblower die NSA-Abhöraktionen öffentlich gemacht und muss eine hohe Strafe in den USA befürchten, falls er aus seinem Asyl in Russland dorthin zurückkehrt. Das russische Außenministerium teilte am Vormittag mit, dass die Aufenthaltserlaubnis von Snowden um zwei weitere Jahre verlängert wurde.