Was den US-Amerikanern das Weiße Haus oder den Briten die Downing Street No.10, ist den Kanadiern 24 Sussex Drive. An dieser Adresse im Stadtteil New Edinburgh der Hauptstadt Ottawa befindet sich die Residenz des Regierungschefs. Das 1868 fertiggestellte Haus diente von 1951 bis 2015 den Premierministern als Wohnsitz, und auch wenn nur in Ausnahmefällen Amtsgeschäfte von dort erledigt wurden, macht das Gebäude durchaus etwas her. Zumindest von außen – im Innern verfällt es mehr und mehr.
Laut Dokumenten, die der Zeitung "The National Post" vorliegen, sieht die Behörde, die sich um die Instandhaltung der Regierungsgebäude kümmert, eine lange Liste von Mängeln. Dazu gehören Asbest, Schimmel, rostige Wasserleitungen, veraltete Elektrik – und sogar eine Nagetierplage. Fledermäuse sollen der Lage nun Herr werden. Zwischen den Wänden sowie auf dem Dachboden und im Kellergeschoss seien tote Nagetiere und Exkremente zu finden, heißt es.
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Kanada: Behörde bangt um Sicherheit von Besuchern
In diesem Zustand müsse man einen "katastrophalen Kollaps" des eigentlich so repräsentativen Gebäudes im Baustil der Normannischen Architektur befürchten, so die Einschätzung der Behörde. Da wirkt es beinahe nebensächlich, dass sich auch temperaturtechnisch die Nutzung der Residenz nur sehr ungemütlich gestalten lässt: Die Fenster sind undicht und die Dämmung schlecht, so dass es im Winter sehr kalt und im Sommer sehr warm wird.
Längst wird das Gebäude nicht mehr bewohnt, allerdings finden auf dem Grundstück noch Gartenpartys und ähnliche Veranstaltungen statt. Auch das könnte bald ein Ende haben. Fachleute warnen davor, dass beispielsweise im Falle eines Sturms Gäste Zuflucht in dem Haus suchen könnten – "ein Risiko, das wir nicht akzeptieren können". Im vergangenen November wurde 24 Sussex Drive wegen Sicherheitsbedenken geschlossen, zuvor hatte dort unter anderem noch das Küchenpersonal des Premierministers gearbeitet.
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Justin Trudeau wollte nicht wieder in 24 Sussex Drive wohnen
So wird aus dem Haus, das in seinen besten Zeiten Gäste wie Prinzessin Diana oder John F. Kennedy besuchten, immer mehr ein Lost Place. Stephen Harper, der 2015 aus dem Amt schied, war der letzte Premierminister, der dort lebte. Sein Nachfolger und amtierender Amtsinhaber Justin Trudeau lehnte es ab, dort einzuziehen – wohl aus gutem Grund: Sein Vater Pierre Trudeau war 16 Jahre lang ebenfalls Premierminister, Justin Trudeau wuchs in dem Haus auf. Als er selbst das Amt übernahm, entschied er sich für das Rideau Cottage ganz in der Nähe.
Viele Kanadier:innen betrachten 24 Sussex Drive als "nationale Schande" und befürworten einen Abriss des Gebäudes. Das ist aufgrund von Denkmalschutzbestimmungen aber wohl eher unwahrscheinlich, gleichzeitig werden die Kosten für eine Sanierung auf umgerechnet weit mehr als 20 Millionen Euro geschätzt. Der aktuelle Zustand wird also wohl noch eine Weile anhalten.
Quellen: "The National Post" / BBC / "Guardian"