Karriere Die Lady aus der Wüste

Ihr Name ist in aller Munde: Sie weiß über den zukünftigen Irak besser Bescheid als ihr Freund Lawrence von Arabien. Als Geheimagentin zieht Gertrude Bell, der erste weibliche Offizier der britischen Streitkräfte, die Grenzen des Irak.

Die Zigarette steckt in einer Spitze aus Elfenbein. Die Raucherin sitzt im französischen Kleid in der Wüste auf einem Teppich. Man hat Zelte, eine Badewanne aus Leinwand, Tischtücher sowie Kisten mit Teeservice und Kristallgläsern abgeladen. Die Diener bereiten das Abendessen vor. Zwei Soldaten in Begleitung der Dame haben sich beruhigt. Die Leiche eines Beduinen, die man an diesem Morgen des 21. Januar 1914 im Sand gefunden hat, ist Anlass für einige Aufregung gewesen. "Hin und wieder mache ich mir Gedanken darüber, ob ich dieses Abenteuer überlebe", schreibt Gertrude Bell in ihr Tagebuch. "Aber meine Zweifel enthalten nicht einmal eine Spur von Angst."

Die Wüste ist für die Lady zur Heimat geworden. Ihr Name ist in aller Munde: Allein mit ihren arabischen Begleitern stößt sie in unbekannte Wüstengebiete vor und weiß über den zukünftigen Irak besser Bescheid als ihr Freund, der legendäre Lawrence von Arabien.

Erster weiblicher Offizier der britischen Streitkräfte

Geboren wurde Gertrude Margaret Lowthian Bell am 14. Juli 1868. Ihre Familie ist reich. Die Tochter darf in Oxford studieren und schließt als erste Frau ihr Geschichtsstudium mit einem Einser-Examen ab. Sie spricht Deutsch, Französisch, Italienisch, Persisch und Arabisch. Nach waghalsigen Klettertouren wird eine Spitze im Berner Oberland nach ihr benannt. Doch ihre eigentliche Karriere startet im Mittleren Osten: Gertrude ist der erste weibliche Offizier der britischen Streitkräfte, Geheimagentin während des Ersten Weltkriegs und "Commander of the British Empire".

Zu Hause in London eckt sie überall an. Drei Ballsaisons werden einer jungen Frau zugestanden, um den passenden Mann zu treffen. Gertrude findet alle Kandidaten langweilig - und bleibt allein. Verliebt hat sie sich zweimal. Beide Männer kommen tragisch ums Leben. Der eine stürzt beim Ausritt in der Türkei in einen Fluss und stirbt an einer Lungenentzündung, der andere fällt im Ersten Weltkrieg.

Um sich abzulenken, reist Gertrude Bell kreuz und quer über die arabische Halbinsel. In der Wüste begegnet sie Scheichs wie Fahad Bei. Der Führer des Beduinenstamms der Anaseh wird bald ihr "Lieblingsscheich". Er lädt die feine Lady zum Tee ein und tauscht mit ihr neuesten diplomatischen Klatsch aus. Als ein Gesandter des britischen Generalgouverneurs ihn fragt, welche Grenzziehung zwischen Irak und Saudi-Arabien die Wasserstellen seines Volkes berücksichtigen würde, sagt er nur: "Fragen Sie Miss Bell, sie kennt sich aus."

Einzige Frau unter 40 Delegierten

Auf der Kairoer Konferenz 1921 ist Gertrude die einzige Frau unter 40 Deligierten. Leidenschaftlich setzt sie sich dafür ein, Faisal zum neuen irakischen König zu machen. Sie wird die Lehrerin des neuen Herrschers, zeigt ihm, der den Irak nicht kennt, die bedeutendsten Kulturstätten, stellt ihm die wichtigsten Leute vor.

Doch Faisal beginnt sich von den Briten zu lösen - und damit auch von Gertrude. Ihre Ausritte und Teestunden enden. Sie arbeitet am Aufbau der archäologischen Abteilung des Bagdader Museums, das heute noch ihren Namen trägt. Doch die Aufgabe füllt sie nicht aus. Am 11. Juli 1926 stirbt Gertrude Bell an einer Überdosis Schlaftabletten. Sie wird mit einem Staatsbegräbnis in Bagdad beigesetzt.

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Cornelia Fuchs

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