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Ketanji Brown Jackson Republikaner machen aus Befragung von historischer Supreme-Court-Kandidatin ein unwürdiges Schauspiel

Ketanji Brown Jackson während des Senats-Hearings als Supreme-Court-Kandidat
Supreme-Court-Kandidatin Ketanji Brown Jackson während ihrer Befragung im US-Senat
© Anna Moneymaker / Getty Images / AFP
Es gilt, eines der wichtigsten Ämter in den USA zu besetzen: Ketanji Brown Jackson soll auf Vorschlag von Präsident Biden die erste schwarze Richterin am Supreme Court werden. Ihre Befragung geriet zu einem Tiefpunkt des US-Parlamentarismus.

Als es endlich vorbei war, waren Tränen geflossen, hatte es erstarrte Mienen gegeben, war die Kandidatin bei ihren Antworten ständig unterbrochen und US-Senatoren zur Ordnung gerufen worden. Der Texaner Ted Cruz, republikanischer Hardliner, trieb es am Mittwoch so weit, dass der Ausschussvorsitzende Dick Durbin ihn mit lauten Hammerschlägen auf seinem Pult zur Raison bringen musste. "Irgendwann müssen Sie sich an die Regeln halten", stellte der Demokrat, Senator aus Illinois, fest und entzog Cruz das Wort. "Das ist ein neuer Tiefpunkt", resümierte der demokratische Senator Cory Booker (New Jersey) nach der Sitzung.

Ketanji Brown Jackson: Erste schwarze Frau am Supreme Court?

Die Anhörungen von Kandidat:innen für den Supreme Court der USA vor einem Senatsausschuss waren noch nie ein Zuckerschlecken. Schließlich gilt es, letzte Zweifel an der Eignung eines Richters oder einer Richterin für das oberste Gericht des Landes zu zerstreuen – für eine Position höchster Verantwortung für das Land, die zudem auf Lebenszeit vergeben wird. Doch selten zuvor dürfte einer Kandidat:in mit soviel Feindseligkeit begegnet worden sein wie Ketanji Brown Jackson. Die 51-Jährige soll auf Vorschlag von US-Präsident Joe Biden in das neunköpfige Gremium berufen werden. Sollte sie bestätigt werden, wäre sie die erste schwarze Richterin überhaupt am Supreme Court.

Hierzulande hatte ein solches Hearing zuletzt 2018 große Aufmerksamkeit erregt, als der von Ex-Präsident Donald Trump nominierte Jurist Brett Kavanaugh während der Anhörung unter dem Verdacht stand, mehrere Frauen sexuell belästigt zu haben. FBI-Ermittlungen konnten die Vorwürfe nicht bestätigen, Kavanaugh ist seit Oktober 2018 Supreme-Court-Richter.

Ketanji Brown Jackson: Republikaner machen aus Befragung von historischer Supreme-Court-Kandidatin ein unwürdiges Schauspiel

"Könnten Sie einen Katholiken fair behandeln?"

Offensichtlich hatten sich einige Republikaner vorgenommen, Rache für den Fall Kavanaugh zu üben. So jedenfalls lauteten Vermutungen in den sozialen Medien. Und Lindsey Graham, einer der loyalsten Trump-Getreuen, bestätigte das indirekt sogar. Wie sie sich wohl fühlen würde, wenn sie in letzter Minute mit einem Vorwurf persönlichen Fehlverhaltens "überfallen" würde, so wie es die Demokraten während der Anhörung von Kavanaugh gemacht hätten, ging Graham Brown Jackson am zweiten Tag des Hearings an.

Schon am Tag zuvor hatte der Mann aus South Carolina den Ton gesetzt, indem er die Unparteilichkeit der in Washington, D.C. geborenen Juristin in religiösen Fragen in Zweifel zog. "Könnten sie einen Katholiken fair behandeln?", fragte er Brown Jackson herausfordernd, die sich zuvor auf Nachfrage als konfessionslose Protestantin bezeichnet hatte. Graham, selbst Baptist, bezog sich nach eigener Aussage mit seiner Frage auch auf die Anhörung der Supreme-Court-Richterin Amy Coney Barrett vor rund zwei Jahren, der von demokratischen Senatoren unterstellt wurde, als gläubige Katholikin Abtreibungen künftig wieder verbieten zu wollen. Das Thema ist in den USA sehr umstritten, wurde seit Coney Barretts Berufung jedoch noch nicht wieder am obersten Gericht verhandelt.

Massive Kritik an Arbeit als Pflichtverteidigerin

Brown Jackson wies darauf hin, dass sie weder mit der Kavanaugh-, noch mit der Coney-Barrett-Anhörung etwas zu tun gehabt hätte. Unterstützt wurde sie dabei vom Ausschussvorsitzenden Durbin. "Ich glaube nicht, dass irgendjemand auf meine Bilanz schauen und sagen kann, dass sie in die eine oder andere Richtung weist, dass sie den einen oder anderen Standpunkt unterstützt", betonte die Juristin zudem ihre Unabhängigkeit.

Graham, Cruz und ihren republikanischen Mitstreiter Josh Hawley aus Montana scherte das jedoch wenig. Immer wieder gingen sie die 51-Jährige an, zweifelten an ihrer Gesinnung, warfen ihr unterschwellig Rassismus vor und monierten, dass sie "von linken, radikalen Gruppen" unterstützt werde. Vor allem ihre Arbeit als Pflichtverteidigerin für Insassen des berüchtigten Gefangenenlagers Guantánamo, das nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingerichtet worden war, hielten sie ihr vor. "Das ist es, was man als Pflichtverteidigerin tut: Man setzt sich für das verfassungsmäßige Recht auf (anwaltliche) Vertretung ein", wehrte sich Brown Jackson jedoch, und stellte klar: Als Pflichtverteidigerin habe sie sich ihre Mandanten nicht ausgesucht – und deren Taten nicht gutgeheißen. Graham entgegnete unter anderem, seiner Meinung nach hätten die feindlichen Kämpfer bis zu ihrem Tod in Guantánamo bleiben sollen, das "würde mich kein bisschen stören".

Angeblich zu milde Strafen in Kinderpornografie-Fällen

Besonders hart attackierten die Republikaner die Richterin im Zusammenhang mit ihren Urteilen in Fällen von Kinderpornografie. Hawley warf ihr im Laufe der Hearings vor, sie habe in der Vergangenheit "Kinderporno-Straftäter ungeschoren davonkommen lassen". In mehreren Fällen habe sie Strafen unterhalb der offiziellen Richtlinien verhängt. Der Gouverneur aus Montana unterschlug dabei, dass die Anklage in den meisten von ihm aufgeführten Fällen für die milderen Strafen plädiert hatten, und dass US-Bundesrichter bei Kinderpornographie-Urteilen landesweit in rund zwei Drittel der Fälle unterhalb der Richtlinien bleiben. Die konservativen Senatoren ließen die Juristin wiederholt nicht antworten, unterbrachen sie immer wieder schon nach dem ersten Satz – so lange, bis Brown Jackson mit leicht erhobenen Armen nur noch ihr Unverständnis und ihren Frust signalisierte.

Die wiederholten Vorwürfe, sie habe häufig zu milde Urteile gefällt, hatte sie zuvor immer wieder geduldig zurückgewiesen. "Nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit liegen", sagte Brown Jackson in der Sitzung am Dienstag. Solche Fälle würden "zu den schwierigsten" für Richter gehören, weil der rechtliche Rahmen teilweise uneindeutig sei, was zu großen Unterschieden bei den Strafen führe. Sie habe aber immer sichergestellt, dass sie "die Stimme der minderjährigen Opfer" in ihren Urteilen berücksichtigt habe, so die derzeit als Bundesrichterin arbeitende Kandidatin.

Ausschussvorsitzender entschuldigt sich

Die aufgeheizte und teils feindliche Atmosphäre animierte den Demokraten Cory Booker zu einer flammenden, unterstützenden Rede für Ketanji Brown Jackson. Sie werde als erste Afroamerikanerin am Supreme Court Geschichte schreiben, unabhängig davon, wie sie während der Hearings behandelt worden sei. Booker rührte die Richterin sogar zu Tränen. Ausschussvorsitzender Durbin bedauerte ausdrücklich, wie die Hearings abgelaufen waren. "Meine Kollegen hatten eine faire und respektvolle Befragung versprochen", richtete er sich an Brown Jackson, "es gab offenkundig einige deutliche Ausnahmen. Dafür entschuldige ich mich."

Quelle: The HillC-Span; Nachrichtenagentur AFP

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