Wer sich vom Präsidenten der USA in diesen Tagen Orientierung erhoffte, wurde nur verwirrt. Mal sagte Trump, dass das Coronavirus irgendwann schon verschwinden würde – "wie durch ein Wunder". Dann sagte er, im April sei das Virus vielleicht schon weg. Dann beschuldigte er die Demokraten und Medien der Panikmache. Sie würden eine Ente in die Welt setzen.
Das ist seine Art: Schuld haben immer die anderen.
Gestern Abend nun stellte er sich vor die Nation und fand einen neuen Schuldigen: die Europäer. Und zwar die Europäer ohne seine Freunde in Großbritannien. Selbst angesichts eines weltweiten Virus funktioniert Donald Trump eindimensional: Schuld sind die Ausländer. Vor allem seine Lieblingsfeinde: nicht Russland, nicht mal China, sondern das liberale Europa.
Trump lobt sich und Amerika
Er selbst hat seiner Meinung nach alles richtig gemacht. Amerika hat alles richtig gemacht. Wir haben die besten Experten, tönt er. Wir haben die beste Wirtschaft, um auf das Virus vorbereitet zu sein. Wir haben die beste Krisenführung.
Er meint vor allem sich selbst.
Selbst in einer Zeit, die internationale Zusammenarbeit unabdingbar macht, gibt er den Nationalisten. Keine Beratungen mit Europa. Nur einseitige, unabgesprochene Entscheidungen.
Die Konfusion steigerte er gestern noch: Kaum hatte er die Rede an die Nation beendet und seinen "Travel Ban" für Europa formuliert – mindestens 30 Tage lang ab Freitag – da entstanden schon neue Fragen: Warum darf man weiterhin aus England in die USA fliegen? Dürfen Deutsche, die über England fliegen, einreisen? Und warum gibt es dieselben Reisebeschränkungen nicht für Südkorea, ein vom Virus stark betroffenes Land? Und keines für Australien, wo Tom Hanks am Abend bekannt gab, dass er und seine Frau Rita mit dem Coronavirus infiziert sind?
Donald Trumps Antwort: Grenzen dicht
Und – die vielleicht größte Frage – wie viel Sinn machen jetzt noch partielle Reisebeschränkungen, wenn das Virus längst im Land ist und sich rasend schnell ausbreitet? Seine Antwort blieb schlicht wie immer: Grenzen dicht. Ob es sich um Einwanderer handelt oder Viren oder Ideen.
Zwar hat der Präsident Flüge aus China schon vor Wochen stoppen lassen, danach aber quasi nichts mehr getan. Seine Regierung hat viel zu wenige Tests für das Virus zur Verfügung gestellt, sodass Wochen lang nicht klar war: Wo sind die Infizierungen am stärksten? Wie breitet sich das Virus aus?
Die USA wissen bis heute nicht: Wie viele Menschen haben das Virus? Nichts dazu in seiner Rede an die Nation. Keine Orientierung für Betroffene. Nichts über die wahre Bedrohung, denn er selbst hat das Virus stets verharmlost. Der Präsident zeigt sich in dieser Krise nicht nur inkompetent und desinformiert, sondern feige und eindimensional.
Jetzt nehmen einzelne Bundesstaaten sich selbst der Krisenführung an. Das Weiße Haus hat sie im Stich gelassen. Wer als Amerikaner Orientierung sucht, der blickt jetzt zu den Gouverneuren von New York, Kalifornien und Washington. Vom Weißen Haus können sie nichts erwarten.