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Le Pen vs. Macron "Die brutalste Fernsehdebatte in der Geschichte der Präsidentschaftswahlen"

Schön anzuschauen war das TV-Duell zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron nicht
Schön anzuschauen war das TV-Duell zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron nicht
© Eric Feferberg/AP
Emmanuel Macron und Marine Le Pen haben sich zum öffentlichen Schlagabtausch getroffen. Die Presse ist sich einig: Es war schlimm. Und das lag vor allem an einer Person.

Es geht um die vielen Unentschlossenen in Frankreich: Emmanuel Macron und Marine Le Pen haben sich nichts geschenkt im letzten TV-Duell vor der Stichwahl am Sonntag. Die zweieinhalbstündige Debatte war von Beschimpfungen und persönlichen Angriffen geprägt, die im bisherigen Wahlkampf beispiellos sind. Macron warf seiner Kontrahentin in der Debatte um den Kampf gegen den Terrorismus vor, einen Bürgerkrieg ins Land zu bringen. Er wurde seinerseits von Le Pen beschuldigt, Entgegenkommen gegenüber dem islamistischen Fundamentalismus zu zeigen.

Laut einer Umfrage hat Macron das Duell jedoch gewonnen. 63 Prozent der befragten Zuschauer fanden den sozialliberalen Politjungstar in der hart geführten Debatte am Mittwochabend überzeugender, wie der Nachrichtensender BFMTV berichtete. 34 Prozent sahen die Rechtspopulistin Le Pen vorn. Die übrigen Befragten hatten keine Meinung. Die Medien sehen meist keinen eindeutigen Sieger. Einig sind sie sich darin, dass es nicht schön anzuschauen war - und dass dafür vor allem Marine Le Pen verantwortlich war. Die Pressestimmen:

Die konservative französische Tageszeitung "Le Figaro":

"Es hat noch nicht einmal fünf Minuten gedauert, dann hatte jeder verstanden, dass diese Fernsehdebatte zwischen den beiden Wahlgängen die brutalste in der Geschichte der Präsidentschaftswahlen sein würde. Sie war niederschmetternd und bedauerlich zugleich. Marine Le Pen ist dafür die Hauptverantwortliche. Sie hat sich von Anfang an wie ein Kampfpanzer verhalten, hat Salven in alle Richtungen abgefeuert, sodass es äußerst schwierig ist, das Gemetzel überhaupt als 'Debatte' zu bezeichnen. (...) Wenn Emmanuel Macron am Sonntag gewinnt, ist zu hoffen, dass er Erfolg hat. Denn im Fall eines Scheiterns kann man nur ahnen, wie die Debatte im Jahr 2022 ausfallen würde."

"Welt" online:

"Die Franzosen durften dem mit Abstand schlechtesten Fernsehduell zweier Präsidentschaftskandidaten beiwohnen. Mit einem Trommelfeuer persönlicher Beschimpfungen zog Marine Le Pen ihren Gegner Macron auf ihr Niveau herunter. (…) Le Pen stilisierte sich ein ums andere Mal als 'Kandidatin des Volkes' und beschimpfte Macron als Erben Hollandes, als sicherheitspolitische Lusche, als Knecht Angela Merkels, als Arbeiterverächter und sozialen Kahlschläger, als (interessantes Schimpfwort) 'Europeisten', als Grenzöffner und Terroristenversteher – und immer wieder als Vertreter eines Frankreichs, das sich 'unterwirft'. Mal den Deutschen, mal den Amerikanern, mal den Finanzmärkten und mal der EU. Marine Le Pens Strategie war, die Debatte zu trumpisieren, jedes ernsthafte Gespräch zu verweigern."

sueddeutsche.de:

"Emmanuel Macron, obwohl er der Favorit des Rennens ist, weiß, dass er viele Skeptiker überzeugen muss. Er zeigt sich betont präsidiabel, selbstbewusst, allerdings auch ein wenig arrogant. Er kann Le Pen in den Wortgefechten das Wasser reichen und lässt sich nicht von ihr provozieren. Sie ist gewohnt übergriffig, spöttisch, wirkt gelassener als er, aber dafür wenig staatstragend. Le Pen verkörpert auch diesmal vor allem die Empörung. Schwer vorstellbar, dass einer der beiden die Unentschiedenen in diesem Schreiduell auf seine Seite ziehen konnte."

faz.net:

"Macron musste wiederholt selbst Gegenfragen stellen, da Le Pen sich auf Angriffe konzentrierte, aber so wenig wie möglich zu ihrem Programm Auskunft gab. Es wirkte fast so, als übe Le Pen für ihre künftige Rolle als Stimme der Opposition, die keine Regierungsverantwortung tragen muss. (…) Der frühere französische Präsident Jacques Chirac hatte sich 2002 geweigert, sich einem TV-Duell mit Jean-Marie Le Pen zu stellen. 'Mit der extremen Rechten kann man nicht debattieren', argumentierte er damals. Am späten Mittwochabend gab es auf den sozialen Netzwerken viele Franzosen, die Chirac nachträglich Recht gaben. Faktchecker stellten heraus, dass sie Le Pen zwölf Falschaussagen oder Lügen nachweisen konnten. Nach dieser Debatte wirkt Emmanuel Macron mehr denn je wie der Favorit für die Wahl am Sonntag. Laut jüngsten Umfragen könnte er mit 58 Prozent der Stimmen siegen."

Die liberale spanische Zeitung "La Vanguardia" (Barcelona):

"Die Debatte hatte keinen klaren Sieger. (...) Marine Le Pen will am Sonntag die Überraschung schaffen und als erste Frau in das höchste Amt der Französischen Republik gewählt werden. Aber sie hätte gestern Abend etwas mehr benötigt, um die gegenwärtige Tendenz der Umfragen umzukehren. Sie hätte sich mehr Glaubwürdigkeit in den Bereichen Wirtschaft und internationale Beziehungen verschaffen sollen. Hier wurde sie von ihrem Rivalen, der zwischen 2014 und 2016 Wirtschaftsminister der sozialistischen Regierung war, übertroffen. Sie hätte zudem die intellektuelle Dimension eines Präsidenten zeigen müssen."

Die Regionalzeitung "L'Alsace":

"Im Grunde standen sich zwei Strategien gegenüber. Marine Le Pen attackierte auf Biegen und Brechen bis hin zur Belästigung, während Emmanuel Macron zwischen Gegenangriff und Pädagogik wechseln musste. Marine Le Pen teilte gestern Abend im Maschinentakt Schläge aus, reihte Angriffe aneinander, manchmal unter der Gürtellinie. Indem sie ständig ihren Gegner unterbrach und ihn häufig daran hinderte, seine Argumente zu entwickeln, konnte die Kandidatin der extremen Rechten ihre Erstickungsstrategie verfolgen. (...) Dieses Konzept der Daueroffensive erlaubte es Marine Le Pen, den Inhalt ihrer Vorschläge zu umgehen. (...) Emmanuel Macron (...) schaffte es, der Strategie des Trommelfeuers seiner Kontrahentin die Pädagogik entgegenzusetzen."

Die liberale slowakische Tageszeitung "Sme":

"Macron entlarvte Le Pen als eine Kraft, die nur in der Reaktion auf einen Gegner überhaupt funktionieren kann. Sie wiederum machte sich gerade das Verhalten zu eigen, das ihr Macron vorwarf: 'Ich habe kein Thema, ich habe eine ganzheitliche Philosophie' sagte sie zum Schluss. Als möchte sie sagen, es gibt keine Details zu besprechen, alles ist ein Fehler des Systems - Ihres Systems. Und lachend lehnte sie sich in ihren Stuhl zurück, wenn sie das wiederholte. Wie eine Wespe flog sie um Macron herum und stach zu. Sie stach zu mit Argumenten, die sie von links wie auch rechts übernahm. Le Pen sammelte sie von überall ein und warf sie ihrem Opponenten mit Wucht entgegen. Der war für sie nicht mehr Emmanuel Macron, sondern das System."

car DPA

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