MAILAND Unfallursache weiter unklar

Nach dem Flugzeugunglück von Mailand laufen die Ermittlungen der italienischen Behörden auf Hochtouren. Dabei verdichten sich die Hinweise, dass der Pilot in Selbstmord-Absicht gehandelt haben könnte.

Selbstmord, technischer Defekt oder ein Gesundheitsproblem des Piloten: 24 Stunden nach dem Flugzeugunglück von Mailand war die Unfallursache nach wie vor rätselhaft. Einen terroristischen Hintergrund schlossen die italienischen Behörden jedoch aus. Ansonsten seien alle Ursachen denkbar, sagte Transportminister Pietro Lunardi in Rom. Besonders merkwürdig sei allerdings, dass das Kleinflugzeug genau in die Mitte des Hochhauses gerast sei. »Daher fällt es schwer, an ein schicksalhaftes Unglück zu glauben.« Diese Aussagen nährten die Spekulationen der italienischen Medien, wonach der in finanziellen Schwierigkeiten steckende 67-jährige Pilot Luigi Fasulo Selbstmord begangen haben könnte.

Neben dem Piloten waren zwei Frauen im Alter von 39 und 40 Jahren, die im Gebäude arbeiteten, ums Leben gekommen. Von den insgesamt rund 90 Verletzten schwebten zwei am Freitag noch in Lebensgefahr. Neun wurden noch im Krankenhaus behandelt. Zum Zeitpunkt des Unglücks knapp nach Büroschluss hatten sich noch rund 300 Menschen in dem Hochhaus aufgehalten.

Die meisten von ihnen konnten sich unverletzt in Sicherheit bringen. Dabei spielten sich dramatische Szenen ab: Einige blieben in Aufzügen stecken und mussten von der Feuerwehr befreit werden. »Ich bin vom 26. Stock die Treppen runter gestürmt«, erzählte ein Frau. Auf dieser Etage war das Flugzeug eingeschlagen. Als besonders heldenhaft wurde die Rettung einer gehbehinderten Frau durch vier Männer gelobt, die sie aus dem 24. Stock in Sicherheit brachten.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft von Mailand, die die Ermittlungen leitet, ist ein Selbstmord unwahrscheinlicher als ein technischer Defekt der Maschine oder ein gesundheitliches Leiden des Piloten. Im Gegensatz dazu hatten zuvor sowohl der Mailänder Bürgermeister Gabriele Albertini als auch der Direktor der italienischen Zivilflugbehörde, Luigi di Palma, einen Selbstmord als wahrscheinlich bezeichnet.

Albertini habe an einen Selbstmord in Florida nach den Anschlägen vom 11. September erinnert, berichtete das italienische Fernsehen. Damals war ein Jugendlicher in ein Hochhaus in Tampa geflogen. Di Palma sagte, er habe die Möglichkeit eines Selbstmords bereits unmittelbar nach dem Unglück dem Innenministerium gemeldet.

Italienische Zeitungen berichteten, der Pilot, der italienisch-schweizerische Staatsbürger Fasulo, habe hohe Schulden gehabt. Dies könnte ein Selbstmord-Grund gewesen sein. Sein Sohn Marco Fasulo wurde von der Tageszeitung »La Repubblica« mit den Worten zitiert, er sei überzeugt, dass sich sein Vater das Leben genommen habe. Er sei von anderen finanziell ruiniert worden. Später hieß es jedoch, dass Marco Fasulo diese Aussagen widerrufen habe. Bekannte erklärten in Locarno, sie glaubten nicht daran, dass er sich selbst getötet hat.

Fasulo hatte in den vergangenen Jahrzehnten ein kleines Flugunternehmen aufgebaut, das auch zahlreiche Prominente in Anspruch nahmen. Er wurde als äußerst erfahrener Piloten mit rund 5000 Flugstunden beschrieben, der auch schwierige Situationen überstanden habe. Dies habe ihm den Spitznamen »Cowboy Pilot« eingebracht. Einmal habe er aus Spritmangel auf einem Kartoffelacker landen müssen.

Fasulo war vom schweizerischen Locarno, wo er lebte, nach Mailand geflogen, um am Flughafen Linate seine Maschine voll zu tanken. Dort sei der Treibstoff billiger als in der Schweiz, hieß es. Beim Anflug auf Linate meldete der Mann Probleme mit dem Fahrwerk und drehte ab. Einen Hilferuf setzte er jedoch laut Funkverkehr nicht ab. Daraus ging auch hervor, dass der Kontrollturm nicht angeordnet hatte, in Richtung Innenstadt zu fliegen, sondern im Luftraum über dem Flughafen zu bleiben. Vermutlich habe er einen Funkspruch missverstanden, der für einen Hubschrauber bestimmt gewesen sei.

Die Aufräumarbeiten rund um das Hochhaus gingen weiter. Die mit Glassplittern und Aktenpapieren übersäten Straßen wurden gereinigt. Nach Angaben von Experten bestand für das 1960 errichtete Hochhaus zu keinem Zeitpunkt Einsturzgefahr. Der Präsident der Region Lombardei, Roberto Formigoni, kündigte an, dass die unteren Etagen des Hochhauses vermutlich bereits am Montag wieder geöffnet werden könnten. In dem Gebäude ist die Regionalbehörde untergebracht.