In der ersten Rede eines ausländischen Regierungschefs vor dem israelischen Parlament Knesset hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Nachdruck zur Verteidigung der Sicherheit Israels bekannt. Zum Abschluss ihrer dreitägigen Reise forderte die Kanzlerin in Jerusalem zugleich Israelis und Palästinenser zu "schmerzlichen Zugeständnissen" auf, um Frieden im Nahen Osten zu schaffen. Sie erinnerte dabei an das Wunder der deutschen Einheit. Mit Blick auf den Holocaust sprach die Kanzlerin zum Ende des Aufenthalts aus Anlass der Staatsgründung Israels vor 60 Jahren von "besonderen, einzigartigen Beziehungen" zwischen Deutschland und Israel.
In ihrer auf Deutsch gehaltenen Rede erinnerte sie mit Blick auf die Drohungen des Irans gegen Israel daran, dass sich bislang alle Bundesregierungen wegen der besonderen historischen Verantwortung zur Sicherheit Israel bekannt haben. "Diese historische Verantwortung ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar", fügte Merkel hinzu. Dies dürften in der "Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben". Deutschland setze im Iran-Konflikt auf eine diplomatische Lösung. Wenn der Iran nicht einlenke, werde die Bundesregierung aber für weitere Sanktionen plädieren.
Deutsche Einheit als Inspiration für Nahost-Konflikt
Deutlicher als im Verlauf der Reise rief Merkel Israelis und Palästinenser zum Ausgleich in den laufenden Friedensverhandlungen auf. Sie bot beiden Seiten die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft an. "Denn wir wissen, dass es zur Umsetzung der Vision von zwei Staaten Kompromisse bedarf, die von allen Seiten akzeptiert werden. Es bedarf der Kraft auch zu schmerzlichen Zugeständnissen." Sie legte ihren Gastgebern nahe, aus den Erfahrungen der Überwindung der deutschen Teilung die Zuversicht zu schöpfen, dass der Friedensprozess auch im Nahen Osten erfolgreich sein kann.
Merkel war die erste ausländische Regierungschefin, die von der Knesset zu einer Rede eingeladen worden war. Bislang war dieses Recht nur ausländischen Staatsoberhäuptern eingeräumt worden. Die Bundespräsidenten Johannes Rau und Horst Köhler hatten 2000 und 2005 vor dem Parlament gesprochen. Rau hatte vor acht Jahren in einer bewegenden Ansprache das israelische Volk um Vergebung für den Völkermord an den Juden gebeten. "Es gibt kein Leben ohne Erinnerung", hatte Rau gesagt. Köhler hatte die Verantwortung für die Shoah als "Teil der deutschen Identität" bezeichnet.
Daran knüpfte Merkel an, versuchte aber, an dieser Stelle auch den Blick in die Zukunft zu werfen. "Die Shoah erfüllt uns Deutsche mit Scham. Ich verneige mich vor den Opfern. Ich verneige mich vor den Überlebenden und vor denen, die ihnen geholfen haben, dass sie überleben können. Der Zivilisationsbruch durch die Schoah ist beispiellos." Sie drückte die "tiefe Überzeugung" aus, dass sich Deutschland zur "moralischen Katastrophe" seiner Geschichte bekennen müsse, um die Zukunft menschlich gestalten zu können. Da die Generation der Zeitzeugen nun gehe, müssten neue Formen der Erinnerungskultur geschaffen werden.
Merkel fordert Ende des Raketen-Beschusses
Als Verantwortung aus der Geschichte bezeichnete Merkel nochmals den Aufbau einer Partnerschaft mit Israel. Dies sei umso besser möglich, weil Deutschland und Israel durch gemeinsame Werte wie Demokratie und Menschenrechte verbunden seien. Sie verwies an dieser Stelle auf die ersten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen am Montag in Jerusalem.
Deutlich bezog Merkel zu aktuellen Themen des Nahost-Konflikts Stellung. Die Hamas forderte Merkel wie schon mehrfach in der Vergangenheit auf, den Raketen-Beschuss Israels aus dem Gaza-Streifen zu beenden: "Die Kassam-Angriffe der Hamas müssen aufhören. Terrorangriffe sind ein Verbrechen, und sie bringen keine Lösung in dem Konflikt, der die Region und das tägliche Leben der Menschen in Israel und das Leben der Menschen in den palästinensischen Autonomiegebieten überschattet." Auf die Reaktionen des israelischen Militärs ging Merkel jedoch nicht ein.
Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hat Bundeskanzlerin Angela Merkel daraufhin für ihre "entschlossene Haltung" gegenüber iranischen Drohungen gegen Israel gedankt. Olmert sagte in der Knesset, dies habe "die internationale Front" gegen den Iran gestärkt. Eine mögliche atomare Aufrüstung des Irans bedeute "eine schwere Gefährdung der Stabilität in der Region und des Weltfriedens". Niemand könne die israelische Empfindlichkeit angesichts existenzieller Bedrohungen besser verstehen als die Kanzlerin Deutschlands.
Olmert betonte die besonderen Beziehungen Israels und Deutschlands, die immer noch vom Holocaust überschattet seien. Die neue Freundschaft zwischen den Völkern sei "gegen alle Widrigkeiten" entstanden -"wie eine zarte Pflanze, die aus einem Aschehaufen erwuchs". "Die gemeinsame Verpflichtung ist die Erinnerung und die historische Lehre sowie der Kampf gegen jeden Versuch, (den Holocaust) zu leugnen", sagte Olmert.