Die zersplitterte russische Opposition hat einen neuen Anlauf zur Einigung unternommen. Liberale Kreml-Kritiker um den früheren Schachweltmeister Garri Kasparow gründeten am Samstag ein neues Bündnis, das politische Veränderungen voranbringen soll. Einen Rückschlag erlitt die Opposition aber schon bei geplanten Demonstrationen am Sonntag: In Moskau wurden mindestens 25, in St. Petersburg etwa zehn Teilnehmer festgenommen.
Die Kreml-Kritiker wollten vor allem auf die wirtschaftlichen Probleme Russlands hinweisen und gegen Pläne protestieren, die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre zu verlängern. Mit ihren Forderungen auf Spruchbändern zog eine kleine Gruppe trotz des geltenden Demonstrationsverbots zu einem zentralen Platz in Moskau, der von hunderten Polizisten abgesperrt war. Festgenommen wurde dann auch Eduard Limonow, der gemeinsam mit Kasparow der Partei Anderes Russland vorsteht.
Der Schachweltmeister war der Initiator der neuen Gruppierung "Solidarität" - benannt nach dem Vorbild der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc -, die am Samstag in einem Hotel bei Moskau aus der Taufe gehoben wurde. "Wir kämpfen für den Sieg", sagte Kasparow vor rund 150 Delegierten. Die Fehler der Vergangenheit müssten vermieden werden. Wichtige liberale Grundsätze, die viele Russen inzwischen mit den Begriffen "Scheitern, Elend oder einem Verlust an Freiheit" identifizierten, sollten wiederbelebt werden.
"300 Schritte zur Freiheit"
In einer Grundsatzerklärung mit dem Titel "300 Schritte zur Freiheit" werden konkrete Ziele für soziale, politische und wirtschaftliche Verbesserungen genannt. Kasparow rief die Delegierten dazu auf, das angekratzte Image der russischen Demokratie mit einem vereinten Vorgehen gegen den Kreml zu retten. Die politische Führung Moskaus "hat unter dem Mantra liberaler Prinzipien eine vollständige Diktatur geschaffen", kritisierte er.
Die russische Opposition ist häufig dafür kritisiert worden, dass sie kein eindeutiges politisches Programm verfolgt. Die beiden wichtigsten nach Ende der Sowjetunion entstandenen demokratischen Parteien Jabloko und SPS hatten bei der letzten Wahl 2007 nicht die für einen Einzug ins Parlament notwendigen sieben Prozent an Wählerstimmen erreicht. Die Delegierte Walerija Nowodworskaja erklärte mit Blick auf den friedlichen Umsturz in der Ukraine Ende 2004, die neue Oppositionsbewegung könnte derzeit vielleicht noch keine Orangene Revolution auf die Beine stellen. Aber sie könne mit Sicherheit eine "orangene Organisation" schaffen: "Wir haben hier einen großartigen Schachspieler sitzen, der weiß, wie wie man zieht und spielt."