Nur wenige Stunden nach der Aufkündigung der Waffenruhe hat die palästinensische Hamas mehrere Raketen auf Israel abgefeuert. Mindestens 15 Raketen und Granaten seien in der Nacht zum Samstag und am frühen Morgen vom Gazastreifen auf mehrere israelische Ortschaften abgefeuert worden, teilte die Hamas mit. Verletzte gab es nicht. Die israelischen Streitkräfte erklärten, die meisten Geschosse seien innerhalb des Gazastreifens gelandet.
Raketen auf Israel
Der militärische Flügel der regierenden Hamas hatte am Freitag die seit Februar 2005 geltende Waffenruhe mit Israel aufgekündig. Dies war eine Reaktion auf einen vorangegangenen israelischen Angriff, bei dem an einem belebten Strand im Gazastreifen vermutlich sieben Zivilisten getötet worden waren - darunter drei kleine Kinder. Die USA und die Vereinten Nationen (UN) verurteilten den Vorfall. Alle Handlungen, die die Spannungen verschärfen könnten, müssten vermieden werden.
Dennoch hat der palästinensische Präsident Mahmud Abbas eine Volksabstimmung über die faktische Anerkennung Israels angesetzt. Das Referendum werde am 26. Juli stattfinden, erklärte Abbas in Ramallah. Das Volk soll dabei über ein 18-Punkte-Papier abstimmen, das in Israel inhaftierte prominente Palästinenser verfasst haben. Die regierende radikalislamische Hamas hat sich bereits gegen das Referendum ausgesprochen, Ministerpräsident Ismail Hanija hat die Bevölkerung zum Boykott aufgerufen.
Die USA äußerten ihr Bedauern über den Tod der Zivilpersonen. Außenministeriumssprecher Sean McCormack verwies am Freitagabend darauf, dass auch Israel dies getan und eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet habe. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas sprach von einem "blutigen Massaker". Er forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, der israelischen Offensive Einhalt zu gebieten. Abbas rief eine dreitägige Trauerphase aus. Der palästinensische Ministerpräsident Ismail Hanija sprach von einem Kriegsverbrechen und forderte ein Ende der Auseinandersetzungen zwischen seiner Hamas und der Fatah von Abbas. In der Nacht zum Samstag versuchten jedoch bewaffnete Männer, einen Sicherheitsoffizier der Fatah zu entführen und töteten ihn dabei. Aus palästinensischen Sicherheitskreisen verlautete, die Hamas sei für den Mord verantwortlich.
Streit zwischen Fatah und Hamas
Die Fatah sagte daraufhin für Samstag geplante Gespräche mit Hamas-Vertretern ab. Bei dem Treffen sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, die Spannungen zwischen den Gruppen abzubauen. Im Westjordanland erschossen Mitglieder der Al-Aksa-Brigaden eine Frau, die sie der Spionage für Israel verdächtigten. Die 55-Jährige wurde in Nablus getötet, wie aus Behördenkreisen verlautete. Sie hatte in der Vergangenheit mehrere Mordversuche überlebt.
Israels Ministerpräsident Ehud Olmert machte derweil in einem Zeitungsinterview klar, dass er in dem anstehenden Referendum ohnehin keinen Beitrag zur Lösung des Nahost-Konflikts sieht. Die Volksbefragung sei ein internes Spiel zwischen zwei palästinensischen Interessengruppen, sagte Olmert der britischen "Financial Times" mit Blick auf die Hamas und die rivalisierende Fatah-Bewegung. Was die Chancen über einen Dialog zwischen Israelis und Palästinensern angehe, sei das Referendum "bedeutungslos".
Hamas droht mit weiteren Angriffen
Die Hamas bleibt auch bei ihrer Drohung, jetzt Vergeltungsmaßnahmen durchzuführen. Beim nächsten Mal würden die Angriffe noch tiefer in israelisches Gebiet hineinreichen, sagte der Hamas-Sprecher. Ob die Raketen am Morgen indes tatsächlich in Israel eingeschlagen waren, blieb zunächst unklar. Die israelische Armee bestätigte lediglich, dass sechs Geschosse vom Gazastreifen aus abgefeuert wurden. Noch sei aber nicht klar, wo sie eingeschlagen seien, sagte ein Sprecher.
Die Hamas hatte sich an die vor rund 16 Monaten gegenüber Israel erklärte Waffenruhe bislang weitgehend gehalten. Allerdings warfen israelische Vertreter der Bewegung wiederholt vor, andere extremistische Gruppen bei Anschlägen unterstützt zu haben. Zwischen 2000 und Anfang 2005 führte die Hamas fast 60 Selbstmordanschläge auf Israelis aus. Auch nach ihrer Regierungsübernahme in den Palästinenser-Gebieten im März bleibt die Bewegung offiziell bei ihrem erklärten Ziel, Israel zu zerstören.