Downing Street Number 10 ist für Theresa May seit sechs Jahren bereits ein vertrauter Ort. Nun soll die derzeitige Innenministerin in dem berühmten Londoner Domizil einziehen - als Nachfolgerin von Premierminister David Cameron. Am Montag beschleunigte sich das Rennen um den Posten unerwartet, als zuerst Mays letzte Rivalin Andrea Leadsom einen Rückzieher machte und dann Cameron verkündete, May werde bis Mittwoch seine Nachfolgerin.
Camerons Brexit-Rückzug früher als geplant
"Wir werden bis Mittwochabend in diesem Gebäude einen neuen Premierminister haben", verkündete Cameron vor seinem Amtssitz. Das Amt des Regierungschefs gilt es neu zu besetzen, nachdem Cameron infolge des Brexit-Votums die Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt angekündigt hatte. Seine Ablösung war zunächst allerdings erst für den Herbst geplant gewesen.
Während der aufgeheizten Kampagne vor dem Brexit-Referendum hatte May zwar wie ihr Premier für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union geworben. Doch die 59-Jährige, die seit Jahren als EU-Skeptikerin galt, hielt sich relativ bedeckt.
Aus dieser Position heraus konnte sich May der zerstrittenen Tory-Partei als Figur des Ausgleichs empfehlen. Die Partei brauche eine "starke und bewährte Führungskraft, um uns durch diese Periode der wirtschaftlichen und politischen Ungewissheit zu führen", sagte sie. Zugleich bekräftigte sie mehrfach, nach dem historischen Votum der Briten vom 23. Juni bleibe es nun auch dabei: "Brexit bleibt Brexit" - und am Montag fügte die als unnachgiebig geltende Politikerin hinzu, sie werde aus dem Austritt einen "Erfolg" machen.
Theresa May war kurz Bankerin
Im Rahmen eines neuen Handelsabkommens mit Brüssel will May vor allem die Einwanderung von EU-Bürgern begrenzen. Das Votum der Briten sei auch eine deutliche Botschaft gegen die geltende Freizügigkeit gewesen.
Die Pfarrerstochter May arbeitete nach einem Geographie-Studium an der Elite-Universität Oxford kurz bei der Bank of England, bevor sie 1986 in den Londoner Stadtrat gewählt wurde. Seit 1997 sitzt sie als Abgeordnete im Unterhaus. 2002 wurde sie die erste Generalsekretärin der Tories und beendete damit eine lange männliche Herrschaft auf dem Posten.
Nüchtern und hart wie einst Margaret Thatcher
Zu Oppositionszeiten saß May bereits in diversen konservativen Schattenkabinetten. Als Cameron 2010 Premierminister wurde, berief er May dann an die Spitze des Innenministeriums. In diesen sechs Jahren profilierte sie sich vor allem in der Einwanderungspolitik als Verfechterin einer harten Linie. Dabei nahm sie auch eine unnachgiebige Haltung gegenüber islamischen Predigern ein.
Ihr nüchterner Stil in Politik- wie auch in Kleidungsfragen brachte ihr Vergleiche mit der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher ein, der bislang einzigen britischen Premierministerin. Extravagant ist dagegen Mays Schuhgeschmack: Seitdem sie auf dem Tory-Parteitag 2002 Stöckelschuhe mit Leopardenmuster trug, achten britische Journalisten immer auf ihre Schuhe.
Neben Schuhen sammelt die Ministerin, die seit 1980 mit dem Banker Philip May verheiratet ist, auch Kochbücher: Mittlerweile besitze sie mehr als hundert davon, verriet May kürzlich in einem Fernsehinterview.
Die als arbeitsam geltende Politikerin macht kein Geheimnis daraus, dass sie mit ihrem Mann keine Kinder haben konnte. Das Thema Mutterschaft scheint ihrer Konkurrentin Leadsom nun zum Verhängnis geworden zu sein: Die Energie-Staatssekretärin fing sich harsche Kritik ein, nachdem die "Times" über deren Andeutungen berichtet hatte, Leadsom halte sich als Mutter geeigneter für die zu vergebenden Spitzenämter als May.
Noch diese Woche zieht May in die Downing Street
Da nutzte Leadsom ihre am Wochenende geäußerte Empörung über den Bericht ebensowenig wie die Beteuerung, sie habe im Gespräch mit der Zeitung "genau das Gegenteil" gesagt. Ihr Rückzug von der Kandidatur beendete den erst vergangene Woche begonnenen Zweikampf um die Nachfolge Camerons abrupt. Seine bisherige Ministerin ziehe noch diese Woche in der Downing Street ein, verkündete der scheidende Premierminister.