Wer von Nordkorea aus die Grenze zum verhassten Nachbarn Südkorea überquert, ist sich in den meisten Fällen voll bewusst, was er oder sie da tut. Schließlich gelten diejenigen, die das Land verlassen, im Norden als "Überläufer" und "Verräter". Werden sie gefasst, droht ihnen der Tod oder die Internierung in einem Arbeitslager. Dennoch gehen immer wieder Menschen das Wagnis ein, um vor Unterdrückung und Hungersnot im Land des Diktators Kim-Jong Un zu fliehen.
Aber auch das Leben im demokratischen, freiheitlichen Süden bietet nicht immer das, was es versprochen hat. So kommt es, dass einige Überläufer ihre Entscheidung bereuen – und sich dazu entscheiden, in die Heimat zurückzukehren. Konkrete Auslöser dafür sind oft Probleme auf dem Arbeitsmarkt, bei der Integration oder generell mit der Kultur in Südkorea.
Nordkoreaner flüchtet durch demilitarisierte Zone zurück in die Heimat
Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Flüchtlinge aus Nordkorea ist zwar extrem gering, doch es gibt sie: In den vergangenen Jahren haben 30 von mehr als 10.000 Übergelaufenen freiwillig wieder den Weg zurück angetreten, berichtet der US-Nachrichtensender CNN. Und das, obwohl unklar ist, welche Strafen sie möglicherweise in ihrem Heimatland erwarten. Anfang Januar gab das südkoreanische Militär bekannt, dass ein gebürtiger Nordkoreaner durch die demilitarisierte Zone, die die verfeindeten Länder trennt, zurück in den Norden geflüchtet ist. Dem südkoreanischen Grenzposten war es nicht gelungen, ihn aufzuhalten. Sein Schicksal ist unklar. Im vergangenen Jahr war ein Nordkoreaner drei Jahre nach seiner Flucht sogar in sein Heimatland zurückgeschwommen.
Einige der sogenannten "Bumerang-Überläufer" sind über Umwege und eher unfreiwillig in Nordkorea gelandet, andere können sich in Südkorea partout nicht akklimatisieren. "Von Nordkorea nach Südkorea zu kommen, ist wie aus einer Zeitmaschine zu steigen – 50 Jahre in der Zukunft", sagt Sokeel Park von der Hilfsorganisation "Liberty in North Korea" CNN. Das Leben funktioniere im kapitalistischen Süden anders als im kommunistischen Norden: Knallharter Wettbewerb sei an der Tagesordnung, die Sitten seien rauer, für Nordkoreaner sei es mitunter schwierig, Arbeit zu finden. Manche seien von den neuen, ungewohnten Möglichkeiten schlicht überfordert.
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Manche Überläufer aus Nordkorea fühlen sich im Süden ausgegrenzt
Die 25-jährige Kang Na-ra gehört zu den Menschen, die sich Südkorea als Paradies ausgemalt hatten, von der Realität aber enttäuscht wurden. Als Teenagerin folgte sie ihrer Mutter und flüchtete in den Süden. Die Wirklichkeit dort hatte jedoch wenig mit den K-Drama-Filmen, die Kang heimlich in der Heimat gesehen hatte, zu tun: Sie fand keine Freunde, wurde von den südkoreanischen Jugendlichen ausgegrenzt. Lange wünschte sie sich zurück nach Nordkorea, brachte aber nicht den Mut dafür auf. Mittlerweile ist Kang Na-ra eine bekannte Youtuberin, die auf ihrem Kanal vom Leben im Norden berichtet. "Manchmal frage ich mich immer noch, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe", sagte sie CNN. "Das Leben hier ist hart."
Andere Übergelaufene müssen erkennen, dass ihr bisheriger Lebenslauf in Südkorea wenig wert ist – wie die Tante von Chan-yang Ju. Diese sei in Nordkorea Ärztin gewesen, ihre Qualifikationen wurden im Süden allerdings nicht anerkannt, so dass sie in einem Restaurant kellnern musste, berichtete Ju der "Deutschen Welle". Vor vier Jahren machte die Tante sich auf den Weg zurück: "Wir wissen nicht viel über sie, seit sie zurückgekehrt ist. Es wäre gefährlich für sie, wenn wir versuchen würden, sie zu kontaktieren", so Ju. "Aber wir haben gehört, dass sie gezwungen wird, an Veranstaltungen teilzunehmen und anderen zu erzählen, dass das Leben in Südkorea schrecklich ist."

GAU für die südkoreanische Regierung
Auch den Anfang Januar bekanntgewordene Überläufer sollen berufliche Probleme zur Rückkehr bewogen haben. Medienberichten zufolge konnte er lediglich eine Anstellung als Hausmeister finden und damit kaum seinen Lebensunterhalt bestreiten. Für Südkorea sind Fälle wie dieser ein GAU im Kampf der Systeme mit dem Norden. Überläufer erhalten in Südkorea finanzielle Unterstützung, Hilfe bei der Jobsuche sowie medizinische Versorgung – nicht nur aus humanitären Gründen, auch Propaganda spielt dabei eine Rolle. Keines der beiden Länder kann sich eine Schwäche erlauben.
In den Medien und von der Regierung werden die Flüchtlinge zwar gefeiert und großherzig aufgenommen. Die Realität aber sieht für viele anders aus. Mit ihrem Akzent sind sie leicht als Nordkoreaner zu identifizieren, oft werden sie von Südkoreanern gemieden und haben es schwer, sich an die Gepflogenheiten zu gewöhnen. Für einige liegt die Lösung dafür in der Rückkehr zum Gewohnten – zu welchem Preis auch immer.
Quellen: CNN / Deutsche Welle / "Washington Post"